Kapitel 62
„Freut mich. Auf jeden Fall ist er bequem. Habt Ihr vielleicht auch noch geeignete Winterstiefel?", wandte er sich an den Verkäufer, der wieder nickte. Schon kurze Zeit später hatte sich Haru für Stiefel entschieden, die bis an seine Knie gingen. Sie waren aus schwarzem, weichen Leder und passte perfekt zu seiner Statur und dem Mantel. Er selbst war zufrieden, denn er mochte lange Stiefel sehr gern für den Winter, denn sie hielten warm und er bekam keine nassen Füße. Außerdem waren sie innen gefüttert und Haru war gut ausgestattet. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Verkäufer erhielt er das Geld, dann Haru hatte die beiden Teile mit dem Preis heruntergehandelt.
Da Haru nun fertig war, begaben sie sich wieder nach draußen und Sezuna machte sich auf die Suche nach einem Geschäft, das Frauenmode führte. Es ging ihr nicht darum, dass es besonders schön aussah, es sollte nur warm halten. Auch wenn sie das Bedürfnis verspürte, etwas zu nehmen, das Haru gefiel.
„Wehe, du suchst dir keine warmen Kleider aus. Dann werde ich ernsthaft böse", warnte er sie. Für ihm musste die Kleidung warm halten und gut aussehen. Dabei tat er das nicht, weil er jemanden ärgern wollte, sondern weil er es einfach selbst mochte. Vor sich hinpfeifend folgte er Sezuna, denn er würde ihr dabei nicht reinreden, solange sie warme Kleidung kaufen wollte.
Sezuna lief durch das Geschäft und auf einen langen, schwarzen Mantel zu, der an den Armen und am Kragen Pelz hatte. Es sah er eher wie ein Kleid aus, solang wie er war.
Daneben fand sie sogar Stiefel aus Leder, die eine recht hohe Sohle hatten und bis knapp unter die Knie reichten.
Der Junge folgte ihr und blieb in einigem Abstand stehen um sie zu mustern. Sie sollte sich die Zeit nehmen, um sich zu entscheiden. Insgeheim fand er, dass es ihr gut stehen würde, doch er war nicht so begeistert davon, dass sie eventuell hohe Schuhe haben wollte und das sagte er ihr auch. „Sonst ist die Verletzungsgefahr zu groß", flüsterte er ihr zu.
„Die Sohle ist ja trotzdem eben, nur ein wenig dicker", bemerkte Sezuna und holte ein paar andere Stiefel hervor. „Hier ist die Sohle sehr dünn und gerade beim Wandern merkt man dadurch jeden Stein", erklärte sie und man konnte erkennen, dass die Sohle des einen Stiefels einen halben Daumen breit war, die des anderen knapp zwei.
„Das ist ja in Ordnung, aber keine mit Absätzen wie die anderen Frauen. Ich will nicht, dass du dir die Beine brichst", sagte er und ließ sie sich aussuchen, was sie wollte.
„Das sind ja keine Absätze", murmelte sie und probierte die Schuhe an. Sie waren bequem und durch die dickere Sohle war der Boden kaum zu spüren. Sie hoffte, dass das gut war.
Auch der Mantel wurde anprobiert, jedoch wirkte sie ein wenig nachdenklich. „Ich glaube der Pelz ist zu auffällig und unpraktisch, oder was denkst du?"
„Solange er dich warm hält, ist alles in Ordnung", erwiderte Haru, wobei er dachte, dass eigentlich nur Reiche sich solche Mäntel leisten konnten. Aber es war ihm egal, sie hätten ja dafür auch arbeiten können. „Wir können den Pelz auch abmachen, wenn du willst. Aber es steht dir gut."
Sezuna wirkte unschlüssig. „Ich finde ihn schön", murmelte sie und musste gestehen, dass sich der Pelz auf ihrer Haut gut anfühlte. Gleichzeitig aber fühlte sie sich ein wenig unwohl, denn es ließ sie für ihre Verhältnisse zu reich wirken.
„Dann nimm ihn", lächelte Haru sie an. „Wenn sich etwas gut anfühlt und man es braucht, sollte man nicht zögern", sagte er zu ihr. Dann meinte er, sie solle sich noch warme Kleidung aussuchen, wie Rock, Socken und Pullover.
Sezuna nickte und sah sich weiter um. Es dauerte eine Weile, bis sie auch warme Strumpfhosen, einen Pullover und einen Rock gefunden hatte. „Ich glaube, ich habe noch nie so viel Kleidung auf einmal gekauft", murmelte sie.
„Es gibt immer ein erstes Mal", lächelte er und hab ihr ein paar Goldtaler, mit denen die bezahlen sollte. Er war zufrieden, dass sie es ernst genommen hatte, denn mit einem kalten Winter war nicht zu spaßen.
Sezuna trat an die Kasse und musste gestehen, dass der Preis ihr fast schon Tränen in die Augen trieb. Das war das, was ihre Familie in einem guten Jahr einnahm, was sie an einem Tag für Winterkleidung ausgab. Aber Haru hatte gesagt, dass es in Ordnung war.
Natürlich sah er ihr an, dass sie sich dabei unwohl fühlte. Und Haru konnte es auch verstehen, denn Arme hatten immer Schwierigkeiten, essen und auch Kleidung zu bekommen. Und selbst wenn er das Geld nicht hätte, würde er dafür arbeiten. Beruhigend legte er eine Hand auf ihre Schulter und nickte ihr aufmunternd zu.
Sezuna brachte das Bezahlen so schnell hinter sich, wie es eben ging, bevor sie zusammen wieder hinaustraten. „Ich glaube daran werde ich mich nie gewöhnen", murmelte sie leise.
„Musst du auch nicht. Eines Tages wird das Geld weg sein. Ich weigere mich, jemals wieder von meinen Eltern Geld anzunehmen, und wenn sie auch versuchen sollten, mich zu kaufen. Lieber arbeite ich ein ganzes Jahr um das zu bekommen, als wenn sie es mir in den Rachen schieben ...", gestand er und er klang ein wenig böse. Aber nicht auf Sezuna, sondern auf seine Eltern.
„Kann ich verstehen. Trotzdem sollten wir vielleicht ein wenig sparsamer sein", schlug sie vor. „Wir wissen ja nicht, wie lang unsere Reise noch sein wird."
Haru holte eine Menge kleiner Goldtaler aus seiner Hosentasche und zeigte sie ihr. „Das würde für eine lange Reise mit zehn Leuten reichen, Sezuna. Außerdem habe ich noch jede Menge Kleingeld dabei", erwiderte er und steckte sich die Münzen wieder ein. Es war das erste Mal, dass er froh war, sein Taschengeld gespart zu haben.
Sezuna starrte ihn mit offenem Mund an und sah sich dann schnell um. „Willst du, dass wir überfallen werde?", fragte sie fassungslos, aber leise.
„Keine Angst, ich habe einen Zauber auf die gelegt, dass die keiner außer dir und mir sehen kann. Wenn du fragst, wie das geht: sie reagieren auf meine Magie. Da du meine Magie durch die Steine in dir hast, reagieren sie auch auf dich und du kannst sie sehen. Ich nehme den Zauber nur weg, wenn ich bezahlen will. So sieht kein anderer, wie viel Geld ich dabei hab", erklärte er dem Mädchen.
Sezuna staunte nicht schlecht. „Das klingt echt sinnvoll", murmelte sie und speicherte sich das ab. Das war ein interessanter Zauber, der auch auf viele andere Dinge anwendbar war.
„Glaubst du, ich wäre so dumm, anderen mein Geld zu präsentieren? Ich will einfach normal sein ...", flüsterte er leise.
„Auch mit Geld kann man normal sein", murmelte Sezuna leise. „Geld kann verderben, muss es aber nicht."
„Kann man, aber die meisten sehen reiche als arrogant Snobs, was ja auch in vielen Fällen stimmt. So wie meine Eltern eben, aber ich bin nicht so", gab er zurück und meine daraufhin, dass er sehr viele wirklich verdorbene Kinder bereits gesehen hatte.
„Aber das liegt nicht nur am Geld", murmelte Sezuna, während sie weiter durch die Stadt schlenderten.
Haru nickte. „Ich weiß. Aber ich habe dir schon so oft gesagt, ich wäre lieber Arm aufgewachsen als so", sagte er und wollte dann wissen, wo das Gasthaus war, von dem Sezuna gesprochen hatte. Er konnte nämlich gutes Essen riechen und nachdem er nicht viel zum Frühstück seiner Meinung nach gegessen hatte, hatte er einen riesengroßen Hunger.
„Wahrscheinlich wäre arm oder reich egal gewesen, wenn du dich liebende Eltern gehabt hättest", seufzte die Blonde und führte Haru in die Richtung des Gasthauses.
„Ja, wenn. Dann wäre ich nicht so verdorben ... und vielleicht ganz anders ...", meinte er nachdenklich, während er ihr folgte.
„Du bist doch nicht verdorben", widersprach Sezuna fast schon energisch. „Und du kannst nichts für deine Eltern."
„Erinner dich an die Auktion, Sezuna. Ich wollte jemanden haben, der mir die lästigen Dinge vom Leib hält, weil ich es so gewohnt war. Und das nennst du nicht verdorben? Mit Geld kann man fast alles kaufen, aber nicht das, was man wirklich braucht ...", entgegnete Haru ihr. Er selbst sah sich als verdorben, was auch daran lag, dass seine Eltern ihm immer das Gefühl gegeben hatten, schon allein weil er nicht so war, wie die anderen.
„Es gibt viele Menschen, dankbar darum sind, in einem Adelshaus eine Anstellung zu bekommen. Sie werden dafür bezahlt und können dadurch leben. Weißt du wie viele Leute ich kannte, die dankbar für eine solche Anstellung gewesen wären?", wollte sie leise wissen. „Immerhin müssen wir alle von etwas leben und wenn es das Putzen bei Leuten ist, die reicher sind als wir", beharrte sie. „Die Art und Weise, wie du mit den Leuten umgehst, macht dich zu etwas Besseren oder Schlechteren. Sicher nicht die Tatsache, dass die Leute für ihre Arbeit bezahlst."
„Ich weiß, Sezuna. Deswegen habe ich dir auch erzählt, dass unsere Angestellten zu mir ganz anders waren als zu meinen Eltern. Sie haben mit mir Witze gemacht und mich manchmal aufgeheitert. Bei meinen Eltern waren sie ... so förmlich und höflich. In ihnen habe ich richtige Menschen gesehen. In meinen Eltern ... kann ich das nicht. Sie haben die Angestellten nicht so gut behandelt, aber sie haben sie gut bezahlt. Dabei habe ich mir immer gedacht, dass es besser wäre, sie bessert zu behandeln anstatt mit Geld zu kaufen ...", sagte Haru zu ihr. „Du siehst mich vielleicht nicht als verdorben an, aber ich bin es leider, zumindest äußerlich. Sarah und Jare waren die einzigen, die in mich hineinsehen konnten und dadurch wussten, dass ich tief im Innern anders bin", fuhr er nach einer kurzen Pause leise fort.
„Ich hatte nie das Gefühl, dass du irgendwie verdorben bist", murmelte Sezuna nachdenklich. „Zu mir warst du es nie."
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