Kapitel 6
„Von dir?", war die knappe, wenig hilfreiche Antwort.
Nun hob Haru seinen Kopf und man sah ihm an, dass er mit der Antwort nicht zufrieden war. „Das hätte ich nicht gedacht", sagte er tief bestürtzt, als hätte er es sich niemals denken können. Dabei triefte seine Stimme nur vor Sarkastik. „Ich will wissen, wie du an die Energie gekommen bist."
Sezuna wirkte ein wenig unruhig, als sie meinte: „Im Grunde habe ich sie mir einfach genommen."
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Warum tust du das? Und wann hast du es getan?", fragte er weiter. Immerhin hatte er ihr nicht erlaubt, seine Magie zu nutzen, außer die, die er an ihren Stein abgegeben hatte.
„Als du die Kontrolle verloren hast", meinte sie langsam. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass es dich so erschöpft, dass du nicht so viel Schaden anrichtest. Was auch irgendwie der Fall war."
Frustriert fuhr er sich durch seine Haare. „Du bist wirklich unglaublich. Du hättest rennen sollen und nicht meine Energie aufnehmen", sagte er ärgerlich. Auf der anderen Seite war es vielleicht besser so gewesen, dass sie es getan hatte. Aber ihr hätte dabei so viel zustoßen können, was sich Haru lieber nicht ausdenken wollte.
„Wieso? Ich hab das schon den Lehrern gesagt. Wenn sie auf deiner Energie treiben würden, statt sich wie ein Fels dagegen zu stellen, würde ihnen auch nichts passieren. Aber das wäre ja was neues und davor haben sie Angst", meinte Sezuna und machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Du spielst mit mir", stellte er abschätzend fest. „Mit mir und meiner Energie. Langsam habe ich das Gefühl, dass du mich mit Absicht reizt, damit du meine Energie stehlen kannst", bemerkte er dann. Haru hatte es nicht gehört, denn immerhin war zu dem Zeitpunkt ohnmächtig gewesen.
„Ich reize dich nicht absichtlich", versicherte sie. „Aber ich kann mir dir umgehen wie mit jeden anderen, weil das, was andere vor dir wegrennen lässt, mich absolut kalt lässt."
„Lass es einfach sein, ok? Ich mag das nicht und ich habe keine Lust, dass es wieder passiert. Ich fühle mich dadurch von dir benutzt, verstehst du?", erklärte er ihr. Und es stimmte ja auch, da er wusste, dass sie selbst zu wenig Energie hatte, fühlte er sich von ihr benutzt, indem sie nach seiner Magie griff. „Was ist eigentlich wirklich passiert?", wollte Haru dann wissen, wobei es sich auf den Tag bezog, als er die Kontrolle verloren hatte.
„Du hast die Kontrolle verloren, weil du ... ich nehme an in einer alten Erinnerung gefangen warst", begann sie zu erzählen. „Und weil ich nicht wusste, was ich machen sollte, hab ich mir deine Energie genommen, damit du mich nicht grillst, weil ich zu nah an dir dran stand."
„Schon mal was von wegrennen gehört? Das wäre das Einzig richtige gewesen. Dann hättest du auch keinen Ärger bekommen", sagte Haru, wobei sich ein trauriger Schatten über sein Gesicht legte. „„Ich will wissen, was danach passiert ist."
„Du bist zusammengeklappt und dann kamen Leila und Nadja und der Direktor", zählte Sezuna auf und runzelte die Stirn. „Der Direktor ist ausgeflippt, weil du dich schon wieder nicht kontrollieren konntest und wollte dich von der Schule werfen. Leila wollte mit ihm reden und dann haben wir dich ins Krankenzimmer gebracht."
„Kein Wunder, wenn der alte Herr wieder ausgeflippt ist. War nicht das erste Mal", grinste Haru schief und rieb sich verlegen den Kopf. Obwohl er sich mit dem Direktor gut verstanden hatte, war er nie erfreut gewesen, wenn Haru mal wieder explodiert war. „War vielleicht auch besser so, dass seine Geduld am Ende war", meinte er dann schulterzuckend. „Die alten Krähen haben aber nicht zufällig mir irgendwas gespritzt?", wollte Haru dann wissen und erschauerte bei diesem Gedanken.
„Nein, zumindest habe ich davon nichts mitbekommen", sagte sie langsam und nachdenklich, während sie versuchte sich an etwas in diese Richtung zu erinnern. „Nein, ich bin mir ganz sicher, sie haben dir nichts gespritzt. Wie kommst du darauf?"
„Das würde ich denen noch zutrauen, den Zustand auszunutzen. Oder mir Blut abzunehmen, wie Leila es schon tun wollte", erwiderte er und ein Zittern ging durch seinen Körper.
„Sie hatten ja keinen Grund mehr. Du solltest ja von der Schule fliegen. Warum also noch den Aufwand machen?", fragte sie ganz sachlich und logisch.
„Wenn Leila mit dem Direktor reden wollte, kann alles möglich sein. Vor allem, nachdem die zwei bereits was miteinander hatten, hätte er wohl eher auf sie gehört", gab er zurück und starrte ins Feuer. Dabei erinnerte er sich daran, wie er die beiden zufällig dabei erwischt hatte und er schüttelte den Kopf. Er hatte Leila und Nadja gemocht, sie waren oft sogar wie eine Mutter gewesen, zu der man mit allen Problemen kommen konnte.
„Ja, mag sein, aber Leila ist verheiratet und hat ein Kind", merkte Sezuna an. „Dass ist zu der Zeit mit dem Direktor was hatte, obwohl der auch verheiratet ist..."
„Eben drum. Beide sind verheiratet und trotzdem haben sie es getan. Sie hatten ein zu gutes Verhältnis zueinander", meinte er und er klang sogar ein wenig ärgerlich dabei.
„Wenn du auch davon wusstest, ist es klar, dass er dich von der Schule haben möchte. Wenn das rauskommt, würde das seine Karriere zerstören", seufzte Sezuna und legte sich auf den Boden.
„Ich weiß, aber Leila hat es nichts ausgemacht. Sie war wie eine halbe Mutter für mich, schon deshalb wollte sie vielleicht ein Wort für mich einlegen. Und gerade wohl auch deshalb traue ich ihr zu, es auszunutzen, wenn ich nicht wach bin. Ich habe dir ja erzählt, wie sie es geschafft hatte, mir so eine verdammte Nadel in die Haut zu rammen", erwiderte Haru und lehnte sich zurück, um mit verschränkten Armen auf dem Boden zu liegen. Der Junge starrte an die Decke und dachte nach, wobei er auf seiner Lippe herumkaute.
„Ja, Leila nutzt es gern aus, wenn man sich nicht bewegen kann oder nicht ganz bei Bewusstsein ist. Vor allem dann, wenn sie Dinge nicht verstehe. Da ist sie wohl ein wenig wie ich: Sie will auch immer alles wissen. Aber ich würde nicht an ohnmächtigen Herumexperimentieren", murmelte Sezuna und schloss ein wenig die Augen.
„Deswegen habe ich gefragt. Sonst müsste ich noch einmal zurück und mich an ihr rächen. Ich mag es nicht, wenn man mich ausnutzt und schon gar nicht bei sowas. Dass sie neugierig ist, weiß ich nur zu gut", meinte Haru müde und schloss die Augen schließlich für eine Weile. Er fragte sich, warum es nicht einfach aufhören konnte zu regnen, damit sie weitergehen konnten. Gerade, weil er jetzt frei war, wollte er so viel wie möglich erleben und weiterkommen.
„Jetzt bist du sie ja los", murmelte Sezuna und streckte sich ein klein wenig, wie eine müde Katze.
„Trotzdem wird sie mir fehlen, auch wenn sie noch so nervig war. Sie und Nadja waren die Einzigen, die ich wenigstens ein bisschen gemocht und auch verehrt habe", murmelte nun Haru und schon kurz darauf war er eingeschlafen. Sein gleichmäßiger Atem verriet ihn dabei.
Sezuna musste ein wenig schmunzeln, auch wenn es eine traurige Note hatte. Sie konnte ihn verstehen, auch wenn sie das anfängliche Gefühl von Zuhause auf der Schule sehr schnell verloren hatte.
Der blonde Junge schlief sehr tief, wobei er plötzlich anscheinend seltsame Träume hatte, denn er murmelte Worte, die nicht zusammen passten und er bewegte sich sogar im Schlaf. Allerdings schien es kein angenehmer Traum zu sein, denn seine Stimme klang sogar im Schlaf verzweifelt.
Sezuna rutschte ein wenig näher und fuhr ihm probeweise einmal beruhigend über den Arm, um zu sehen, wie er reagierte.
Sobald sie das tat, wurde Haru tatsächlich ein wenig ruhiger, aber er bekam es nicht mit, wie Sezuna ihn berührte. Womit sie wohl nicht gerechnet hatte war, dass Haru sich im Schlaf plötzlich zu ihr umdrehte und seinen Arm um sie legte. Wahrscheinlich träumte er von Sarah, mit der er zusammen war.
Sezuna senkte ein wenig die Lider und blieb, wo sie war, während sie Haru sanft weiter streichelte. Der Arme. Nicht einmal in seinen Träumen hatte er seine Ruhe.
Haru wurde zumindest durch die Berührungen ruhiger, solange er sie umarmte und sie ihn streichelte. Wenigstens wachte er davon nicht auf, sonst würde er wohl wieder wütend werden. Sein Körper selbst atmete manchmal hektisch, als würde er gejagt, doch dann entspannte er sich seltsamerweise wieder. Schweiß war auf seiner Stirn zu sehen, was deutlich machte, wie anstrengend es für ihn war. Bis er plötzlich ihren Namen murmelte. „Sarah ... bitte bleib ... bei mir ..." Dabei liefen ihm selbst im Traum die Tränen über die Wangen, die sich zu einer winzigen Pfütze auf dem Boden bildeten.
Sezuna zog ihn näher an sich heran und umarmte ihn weiter, während sie seinen Rücken streichelte und selbst die Augen schloss.
Erst jetzt wurde Haru wirklich ruhiger, denn er schien Sezunas Nähe unbewusst zu genießen. Immerhin konnte er jetzt besser schlafen und er schien nicht mehr von Alpträumen verfolgt zu werden.
Es war noch immer dunkel draußen, als der Junge langsam erwachte. Zuerst glaubte er wirklich, er wäre wieder mit Sarah vereint, denn nur sie hatte er so umarmt. Ein Lächeln erschien auf seinem müden Gesicht, bevor er die Augen öffnete und plötzlich Sezuna in seinen Armen liegen sah. Geschockt darüber setzte er unbewusst seine Magie frei, die eine Druckwelle erzeugten und Sezuna von ihm schob. Mit klopfendem Herzen saß er da und starrte sie an.
Sezuna gab ein leises Stöhnen von sich, bevor sie benommen die Augen öffnete. So war sie auch noch nie geweckt wurden. Was war nur passiert?
Sie rieb sich die Augen und brauchte ein paar Minuten, in denen sich ihr Blick jedoch nur bedingt klärte. „Was ist los?", fragte sie nicht nur verschlafen, sondern noch immer benommen.
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