Kapitel 50
„Ich hab aber hunger", grummelte sie und pustete, bevor sie es nochmal versuchte und dieses Mal ein Stück abbiss und kaute. Das tat sie noch ein paar Mal, bevor sie ein wenig Fisch mit den Fingern nahm und es Haru hinhielt.
„Ess ruhig, ich bin zu faul", gab er zu. „Ich sehe doch, wie hungrig du bist." Haru rührte sich nicht, weil er wollte, dass Sezuna nun erst einmal aß. „Was machen wir jetzt eigentlich? Ich bin mir nicht sicher, ob wir zurück in die Stadt sollen."
„Gute Frage", murmelte Sezuna und aß erst einmal. „Vielleicht sollten wir noch eine Weile hier warten und dann doch nochmal in die Stadt. Einfach, um nicht zu verdächtig zu sein", überlegte sie nachdenklich und starrte in den Wald hinein.
„Ja vielleicht. Ich habe sowieso nicht die Kraft, mich momentan anders zu benehmen. Ich brauche eine Weile, um wieder ich selbst zu sein", gab er zurück. Es war ruhig hier, aber er dachte über den Dämonenwald nach, wie so einer überhaupt entstehen konnte.
„Dann sollten wir es uns hier ein wenig gemütlich machen", meinte Sezuna, die sich nachdenklich umsah. Sie hatten den Wald fast verlassen und bald schon würde sich Wiese vor ihnen erstrecken. Die Stadt lag ein wenig zurück und sie würden hier sicherlich auch nicht so schnell gesehen werden.
„Sag mal, warum bist du nur so hartnäckig?", fragte Haru plötzlich. Noch immer stand ihm der Schock in den Knochen, dass er sie beinahe umgebracht hatte. Ihre Worte, dass er sie nicht alleine lassen sollte, saßen tief in ihm und wiederholten sich immer und immer wieder.
Sezuna wandte ihm den Blick zu und kaute dabei noch immer auf einem Stückchen Haut. „Das muss ich sein", sagte sie bedächtig. „Sonst bekomme ich nicht, was ich möchte", grinste sie und in ihren Augen funkelte etwas, das Haru nur schwer beschreiben konnte. „Du bist doch auch hartnäckig, wenn du etwas willst."
„Wenn es sich lohnt, für etwas hartnäckig zu sein. Manche Dinge hingegen ... da geht es nicht. Du sprichst übrigens wieder einmal in Rätseln, mit was du willst", meinte Haru nur. Ja er war hartnäckig, hatte versucht, seinen Träumen zu folgen. „Warum hast du so ein seltsames Funkeln in deinen Augen?", fragte er sie, als er sie betrachtete.
„Ich bin hartnäckig, wenn ich etwas möchte. Was das ist, musst du ja nicht wissen", lachte sie und begann damit den Inhalt ihres Rucksacks zu prüfen und die Vorräte zu inspizieren. Seine Frage überging sie absichtlich.
„Müssen tu ich gar nichts, Sezuna. Aber ich will es gerne wissen, wofür du kämpfst und hartnäckig bist. Jeder hat doch irgendwie Träume, vor allem junge Mädchen wie du", bemerkte er. Seine Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt und sah nachdenklich in den Himmel.
Sezuna hob ebenfalls kurz den Blick, widmete sich dann aber wieder ihrem Rucksack. „Ich möchte einfach nur jemanden in meinem Leben, den ich mag und mit dem ich gern Zeit verbringe. Etwas, wo ich mich wohl fühle."
„Das wirst du doch auch finden. Mach dir doch keinen Stress deswegen. Du bist so jung und hast doch noch dein ganzes Leben vor dir. Du magst zwar deinen Verlobten verloren haben, aber du wirst jemanden finden, wo du nicht eine Zweckehe eingehen musst, sondern es aus Liebe tun wirst", antwortete er ihr. Das waren die typischen Mädchenträume und er konnte es irgendwie verstehen. Manchmal verstand er nicht, warum sie gerade jetzt so hartnäckig war. Vielleicht hoffte sie, dass sie jemanden in der Hauptstadt finden würde, was sehr möglich war. Wobei es Haru bei dem Gedanken alles zusammen zog, denn er wollte das irgendwie nicht.
Sezuna blickte ihn von der Seite her eine Weile lang stumm an. „Möglich", sagte sie lediglich leise.
Auch Haru schwieg eine lange Zeit, bevor er wieder sprach. „Du erinnerst mich sehr an mich selbst, als ich jünger war, weißt du das?"
„Ist das schlimm?", wollte Sezuna wissen, während sie die Vorräte wieder zurück packte. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung, was sie machen wollte, so dass sie die nächsten Tage nicht verhungerten.
„Nein, du kämpfst wahrscheinlich für deinen Traum, einmal glücklich und zufrieden mit demjenigen, den du noch gar nicht kennst, zu sein. Träume können einem den Weg weisen und dir helfen, dich zu orientieren und machen dich stärker. Das ist ja das faszinierende daran. Aber wenn du weißt, dass dein Traum nie in Erfüllung gehen kann ... verlierst du den Boden unter deinen Füßen und du fragst dich, worin eigentlich der Sinn darin liegt, für etwas unerreichbares zu kämpfen. Ich hoffe für dich, dass du nie enttäuscht wirst wie ich und wirklich das findest, was du brauchst", meinte Haru nachdenklich. Die Wolken, die er anstarrte, ergaben seltsame Formen und er versuchte immer, etwas daraus zu erkennen.
„Mein Ziel ist es, jeden Moment in meinem Leben so zu leben, dass ich sagen kann, dass er es wert war, dass ich ihn gelebt habe. Mehr nicht. Ich weiß nicht, wo mein Weg mich hinbringen wird und was irgendwann in der Zukunft auf mich wartet. Vielleicht ein liebender Ehemann, vielleicht aber auch nicht. Wichtig ist für mich nur, dass ich glücklich bin und wenn ich das ohne Mann bin, dann ist das eben so", erklärte sie leise und blickte nun ebenfalls in die Wolken.
„Gute Einstellung, Sezuna. Manchmal ist es wirklich besser, sich nicht auf etwas zu fixieren. Manchmal beneide ich dich, weil du noch Träume hast", erwiderte Haru und schloss nun die Augen.
Sezuna musterte Haru von der Seite und seufzte. Sie hatte wirklich gedacht, dass sie endlich über diese depressive Einstellung hinweg waren. Auf der Reise hatte er so zufrieden gewirkt. Doch das war wieder weg. Jetzt, wo er wusste, dass seine Eltern ihn suchten, schien es, als wäre er wieder der Haru, der nicht mehr wollte.
Der blonde Junge schwieg und hing seinen Gedanken nach, wobei er anscheinend einschlief, denn er begann leise zu schnarchen und sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.
Währenddessen blieb Sezuna wach und hoffte, dass es ihm nach einem weiteren Schläfchen besser ging. Sie hoffte es sehr. Immerhin wollte sie, dass auch er glücklich war. Selbst, wenn sie ihn vielleicht zu seinem Glück zwingen musste.
Wie lange er geschlafen hatte, wusste Haru selbst nicht, als er langsam wieder aufwachte. Zuerst zuckte nur seine Hand, dann seine Augenlider. Schwerfällig drehte er sich um und öffnete die Augen, wobei er Sezuna neben ihm sitzen sah. „Sag bloß, ich hab schon wieder verschlafen ... Wie spät ist es?", fragte er gähnend und streckte sich einmal ordentlich, bevor er sich aufsetzte.
„Du kannst nicht verschlafen. Niemand erwartet, dass du zu einer gewissen Zeit aufstehst", erklärte Sezuna belustigt. „Und geschlafen hast du fast 2 Stunden. Wie fühlst du dich?"
„Kein Wunder, warum ich immer noch so müde bin ...", murrte er. Haru gähnte noch einmal und sah Sezuna an. „Ich wette, du hast nicht geschlafen, richtig? Dann wird es Zeit, dass du das tust." Das Mädchen hatte recht, er konnte nicht mehr verschlafen wie in der Schule. Aber nun, da er wusste, dass seine Eltern womöglich nach ihm suchten, hatte er eine gewisse Spannung, die es ihm verbot, zu lange zu schlafen und an einem Ort zu bleiben.
Sezuna machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich bin nicht müde. Ich hab erstmal genug geschlafen. Wenn du möchtest, können wir weiter."
Haru nickte und sprang auf. Wenigstens hatte er wieder Energie, um sich zu bewegen. Sezunas Trank hatte ihm wahrscheinlich viel dabei geholfen. Er hielt dem Mädchen die Hand hin, um ihr aufzuhelfen und lächelte. „Na komm, lass uns sehen, was sie in der Stadt machen und was sie anbieten. Und vielleicht finden wir eine Unterkunft für die Nacht. Noch einmal will ich in dem Wald nicht schlafen, auch wenn ich mich beschützt gefühlt habe."
Sezuna ergriff seine Hand, ließ sich aufhelfen und folgte ihm dann Richtung Stadt. „Ich bin schon gespannt."
Zusammen liefen sie durch den Wald zurück, wobei Haru dabei aufpasste, dass Sezuna sich nicht verletzen konnte. Immerhin hatte er den Wald in der falschen Richtung verlassen. Da er den Weg schon freigemacht hatte, war es einfacher, dem Weg zu folgen.
Als sie schließlich an den Toren der Stadt angekommen waren, roch er bereits von weitem essen. „Ich glaube, das Geld wird wahrscheinlich für das Essen draufgehen. Ich hab so Hunger und das riecht hier so gut", sagte er leise, bevor er mit ihr durch das Tor ging.
Die Leute waren sehr beschäftigt und das bunte Treiben gefiel ihm irgendwie. Allerdings gefiel es ihm nicht, wie die Stadt so auffällig in das Armen- und Reichenviertel unterteilt waren. „Lass uns erst einmal ein wenig umsehen und bereits nach einer Unterkunft schauen, oder was meinst du?", fragte Haru sie und sah sie abwartend an.
Da die Blonde sich gerade noch umsah, dauerte es eine Weile, bis sie ihm den Blick zuwandte und antwortete. „Ja, ich denke wir gehen einfach durch die Stadt und schauen, wo es was geben könnte", schlug sie vor, weil ihr einfach zu viele Leute unterwegs waren. Sie mochte solche Massen nicht.
Während sie durch die Straßen liefen, sah sich Haru einige Stände vom weiten her an. Es gab viele interessante Dinge, aber für das wollte er das Geld nicht ausgeben. „Sieh mal dort", blieb er plötzlich stehen. Sie waren in einer etwas kleineren Gasse angelangt, die nicht mehr sehr belebt war. Haru zeigte auf ein Bauernhäuschen, welches ein Schild vor der Tür stehen hatte. Zwei Nächte für nur 30 Silbertaler, las er und sah Sezuna an. „Zwei Tage wären auf jeden Fall gut, dann hätten wir genügend Zeit, um uns umzusehen und wir finden vielleicht Informationen, wie wir am besten an das Meer kommen können", schlug er vor.
„Das klingt gut und es wirkt auch sehr abgeschieden. Das mag ich", stimmte Sezuna gut gelaunt zu. Die Vorstellung einmal länger an einem Ort zu bleiben, gefiel ihr irgendwie.
„Dann lass uns das zuerst machen, danach gehen wir einkaufen", entschied er sich und öffnete die Tür um Sezuna zuerst hineinzulassen. Schon jetzt konnte er sagen, dass es gemütlich sein würde, denn der Eingangsbereich war freundlich eingerichtet und einladend dekoriert. Es waren ein paar Menschen da, die sie jedoch nicht beachteten.
Das war sehr angenehm, denn weder Sezuna, noch Haru mochten es, angestarrt zu werden.
Die Blonde lief langsam auf den Empfang zu und hoffte, dass es noch ein Zimmer gab.
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