Kapitel 34

„Ich würde nicht an dich glauben", meinte Sezuna langsam. „Ich tue es bereits", erklärte sie leise und hielt ihn einfach nur fest.

„Du wirst eines Tages enttäuscht sein, weil ich dich enttäuschen werde, Sezuna. Schon allein deshalb wollte ich niemanden mehr in meiner Nähe haben. Je weniger ich andere enttäusche, desto besser. Genauso mit Gefühlen und Berührungen. Ich bin nicht dafür geboren, jemanden wirklich glücklich zu machen. Ich will nicht wieder am Ende alleine dastehen und tief fallen, wenn ich Nähe wieder zulasse", murmelte er an ihren Arm. Seine Tränen hatten ihren Ärmel bereits durchnässt.

„Also möchtest du all das Schön von Anfang an ausschließen, weil du enttäuscht werden könntest?", fragte sie leise. „Von Anfang an in der Dunkelheit leben, ohne das Licht an dich heranzulassen, weil du irgendwann wieder dorthin zurückfallen könntest?"

Haru nickte nur leicht. Sie hatte es auf den Punkt gebracht. Es war schwer zu erklären und auch zu verstehen. „Es gibt niemanden mehr, für den es sich zu leben lohnt", sagte er leise. Sezunas Position musste wohl unangenehm sein, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass es so angenehm war, hinter ihm zu stehen.

Sezuna störte das nicht. Sie hielt ihre Arme um ihn, spürte seine Wärme und hatte ihre Wange noch immer auf seinem Kopf gelegt. „Dann möchtest du das Leben, dass dir deine Schwester gegeben hat, wegschmeißen?", fragte sie leise. „Kannst du dir vorstellen, dass es Leute gäbe, die darüber traurig wären?"

„Es gibt niemanden, Sezuna. Nicht einmal meine Eltern würden deshalb traurig sein. Es würde sie eher freuen, ihren Dämonensohn loszusein. Und die Person, die traurig wäre ... gibt es nicht mehr", erwiderte er leise. Er schien ihre Nähe auf einmal zu genießen und vergrub sein tränennasses Gesicht an ihrem Arm.

„Und was ist mit mir? Kannst du dir nicht vorstellen, das ich vielleicht traurig darüber sein würde?", fragte sie leise und mit sanfter Stimme.

Du? Wieso ausgerechnet du? Du ... kennst mich nicht einmal gut ..", fragte er verwirrt.

„Glaubst du das wirklich?", wollte sie wissen. „Ich habe dich liebgewonnen. Das sollte reichen oder?"

„Du .. nein, das solltest und darfst du nicht. Verstehst du nicht, dass ich genau das verhindern will? Du wirst eines Tages nur verletzt und traurig sein", widersprach er ihr und fing wieder an zu weinen. „Es macht alles nur noch schwerer, auch, dass du mir ans Herz gewachsen bist, egal wie oft wir anderer Meinung sind. Wir ... dürfen sowas nicht zulassen ..."

„Nur weil du entschieden hast, in der Dunkelheit zu leben, heißt das nicht, dass ich das auch tun werde", sagte sie. „Und ich werde nicht wegschauen, wenn du dein Leben ruinierst. Vielleicht werde ich eines Tages verletzt und traurig sein. Das gehört zum Leben dazu und ich werde mich nicht davor verstecken, nur weil es sein könnte."

„Du bist unglaublich stur, Sezuna ... Du ... wirst nur unglücklich sein. Aber ... danke, dass du mich aufmuntern willst ... Hätte nicht gedacht, dass es jemanden geben würde, der mich liebgewonnen hat ...", murmelte er. Haru atmete tief ein und aus, um einen weiteren Schluchzer zu vermeiden. Seine Lippen zitterten, als er die Worte aussprach. Es war für ihn unglaublich, dass es wirklich jemand geben sollte.

„Ich genieße die Zeit mit dir. Ich rede gern mit dir. Du zeigst mir viele neue Dinge und ich mag es sogar, wenn du mich aufziehst, weil du es nie böse meinst. Ich verstehe eher nicht, wie man dich nicht mögen kann", gestand sie leise. „Du bist ein herzensguter Mensch und dass du Probleme hast ... die hat jeder. Auf die ein oder andere Art."

Haru legte eine Hand in ihren Nacken und begann Sezuna zu kraulen. Ihre Worte trafen ihn tief, aber nicht im schlechten Sinne. Nie hätte er gedacht, dass es jemand anderen gab als Sarah, der ihn lieb hatte. Haru zog das Mädchen weiter zu sich herunter, um ihren Nacken besser kraulen zu können. „Du weißt nicht, wie viel mir die Worte bedeuten, Sezuna. Und umso mehr ist es schlecht, dass du so über mich sprichst. Du hast keine Ahnung ... wie schlecht ich für deinen Umgang bin ...", sagte er leise.

Sezuna gab einen Laut voller wohlvollen von sich und spürte, wie ihre Beine begannen zu zittern, während sich ihr kompletter Körper durch seine Berührungen entspannte. Mittlerweile lehnte sie mehr auf Haru, als sie von selbst stand und es hatte etwas sehr Vertrautes. Als würde sie ihm eine Seite von sich offenbaren, die sie angreifbar machte. „Kein Umgang ist schlecht oder gut. Wichtig ist das, was man daraus macht", murmelte sie leise.

„Mir wäre es lieber ... wenn du nicht so über mich denken würdest, Sezuna ... Es würde alles einfacher machen", sagte Haru leise, wobei er nicht aufhörte sie zu kraulen. Ihr Gewicht machte ihm nichts aus, es schien sogar, als würde er es genießen, im Arm gehalten zu werden. Auch wenn er keine Berührungen mehr wollte, in diesem Moment schien es ihm zu gefallen und er zog sie sogar noch ein wenig mehr zu sich. „Du bist die Einzige, die das nach Sarah zu mir gesagt hat ..."

„Das Leben ist nicht einfach. Wenn man nur die einfachen Wege geht, kann man sich manchmal vielleicht schützen, aber man wird so viel verpassen", murmelte die Rothaarige und wirkte ganz schlaff.

„Ich will jeden schützen ... auch mich selbst ... Nicht noch einmal so ... abhängig zu werden", flüsterte er heiser und vergrub sein Kopf wieder an ihrem Arm. „Ich verstehe nicht, warum du mich liebgewonnen hast, dabei hab ich versucht, nicht nett zu dir zu sein", murmelte er und zog sie nun so an sich, dass sie sich auf ihm abstützen und nicht mehr selbst stehen konnte. „Du gibst mir gerade ein geborgenes Gefühl ... so wie Sarah ..."

„Du hast versucht nicht nett zu sein? Das war ein schlechter Versuch", murmelte Sezuna. „Du warst bisher immer nett zu mir."

„Weil ich schlecht in allem bin, egal ob gut oder schlecht. Ich habe versucht, anders zu sein, damit man mich erst recht nicht mehr mag und mich meidet. Und es hat bisher immer geklappt, außer bei dir", gab er zurück.

„Mir wurde schon oft gesagt, dass ich zu hartnäckig bin", murmelte Sezuna leise und entspannt.

„Das merke ich nur zu gut ... Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, warum du mich lieb gewonnen hast, wirklich nicht", sagte er leise. Sezunas Umarmung tat ihm gut, vielleicht zu gut, denn er war sehr sentimental dabei.

„Du hast mir immer geholfen und mich unterstützt. Dafür muss man dich einfach mögen", sagte sie ehrlich. „Ich sagte es bereits: Du bist ein herzensguter Mensch, selbst wenn andere das nicht sehen wollen."

„Du machst es mir schwer, böse auf dich zu sein", murmelte er. Harus Tränen versiegten langsam. „Sarah hätte dich gemocht, weißt du das? Sie mochte seltsame Menschen. Du bist sehr interessant, Sezuna. Und gerade deshalb finde ich, dass du dich nicht verstellen solltest, nur das Menschen dich mögen. Du bist gut so, wie du bist", sagte Haru leise in ihr Ohr, denn er drehte seinen Kopf in ihre Richtung.

„Das gilt auch für dich. Wobei du dich ja verstellst, damit dich Menschen nicht mögen", murmelte sie und trotz der Tatsache, dass Haru sie nicht mehr kraulte, fühlte sie sich noch immer gut und geboren. Sie wollte am liebsten gar nicht wider aufstehen.

„Ich will nicht, dass Menschen mich mögen. Wenn ich alleine bin ... ist es besser so ... Du kannst es vielleicht nicht verstehen, warum ich wirklich alleine sein will. Nur machst du es mir schwer. Je länger wir zusammen reisen, desto schwerer wird der Abschied eines Tages", flüsterte Haru, der sein Gesicht wieder dem Feuer zugewandt hatte. Seine Hände ruhten noch immer auf Sezunas Arm, den sie um ihn geschlungen hat. „Willst du dich nicht lieber setzen? Die Haltung ist doch bestimmt unbequem für dich."

„Wieso möchtest du allein sein?", wollte sie leise wissen und kam gar nicht auf die Idee sich zu setzen oder überhaupt wegzubewegen. Nicht, wenn Haru es gerade zuließ.

„Weil ich dann niemanden verletzten kann, verstehst du? Weder körperlich, noch seelisch noch sonst was. Wenn ich eines Tages gegangen bin, wird niemand um mich weinen. Das muss so sein, nachdem ich bereits Menschenleben zerstört habe. Niemand darf und soll um mich trauern oder weinen. Alles andere wäre falsch", murmelte er leise. Haru lehnte sich ein wenig gegen Sezuna, ließ sie aber dabei nicht los.

„Das finde ich nicht in Ordnung. Jeder Mensch sollte jemanden haben, der um ihn trauert, wenn er geht", sagte sie leise und drückte ihn sogar ein wenig fester dabei.

„Nicht ich. Nicht jemand, der seine Schwester und Freundin auf dem Gewissen hat", erwiderte er und erwiderte ihre Umarmung, indem er sein Gesicht an ihrem Arm vergrub.

„Statt das immer wieder als Ausrede zu nehmen, solltest du lieber überlegen, was du gutes tun kannst, um diese Dinge für dich selbst wieder gerade zu biegen. Hilf den Leuten und sei eine Bereicherung für sie", meinte Sezuna leise. „Das kann ein schlechtes Gewissen beruhigen und du tust etwas Gutes. Statt dein Leben zu verschwenden."

„Das habe ich doch versucht. Und es hat mir nicht geholfen, mein Gewissen zu beruhigen. Ich habe versucht, Sarahs Familie zu unterstützen und alles ... natürlich wurde ich abgelehnt, weil ich ihre Tochter umgebracht habe. Menschen wollen mit mir nichts zu tun haben, weil ich gefährlich für sie bin. Das weißt du doch ...", erwiderte Haru und schloss seine Augen für einen Moment. „Es wurde mir seit meiner Geburt gesagt und ich werde es nie aus dem Kopf bekommen."

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