Kapitel 77

„Du hast angefangen", zuckte Haru mit den Schultern und lächelte. „Ich führe es nur fort und drehe den Spieß um."

Sezuna steckte ihm die Zunge heraus und erhob sich dann. „Ich schaue mich mal nach den Jagdgebieten um", erklärte sie, da sie sich unproduktiv fühlte. Sie wollte endlich weiter.

„Du gehst nicht alleine", sagte Haru zu ihr und sah sie warnend an. „Ich werde mit dir gehen, weil man dich nicht alleine lassen kann", bemerkte er und stellte seufzend seine Schüssel weg, bevor er aufstand. Er war sich sicher, dass die drei Männer mit dem Stallbau auch ohne sie fertig werden würden.

Sezuna drehte sich um und legte den Kopf schief. „Wieso kann man mich nicht alleine lassen?", wollte sie fast schon lauernd wissen.

„Weil du dich gerne in Gefahr begibst und ich habe gerade dieses Gefühl, dass du es genau darauf anlegst", erklärte er. „Außerdem ist es gefährlich, falls du einem Bär begegnest oder was auch immer hier lauert."

Sezuna seufzte ein wenig. Sie fand es ja ganz süß, dass er sich Sorgen machte, aber im Moment spürte sie, dass er sie ständig versuchte zu reizen. Also genau das tat, was sie getan hatte, nur nicht mit dem selben Ziel.

Er spürte, dass es ihr nicht passte und ging einen Schritt mit erhobenen Händen zurück. „Meinetwegen geh. Aber sei dann vorsichtig", lenkte er schließlich ein, wobei es ihm nicht passte, dass sie ganz alleine ging und wandte sich zu den Brettern zu, die noch für den Stall gebraucht wurden.

Zufrieden damit und dass sie endlich ein wenig Zeit für sich hatte, schlenderte Sezuna los. Sie hatte immerhin nicht vor in einen Bären hineinzulaufen oder einem Wolfsrudel zu begegnen. Der Plan war nur, dass sie sich ein wenig umsah und abschätze, welche Tiere es hier zum Jagen gab.

Grummelnd machte sich Haru wieder an die Arbeit, wobei er nicht mehr ganz so gut gelaunt war wie davor. Zwar antwortete er auf die Fragen und gab Kommentare als auch Vorschläge ab, aber er war nicht mehr ganz bei der Sache. Merkte Sezuna eigentlich, dass er sich Sorgen um sie machte, dass ihr ernsthaft etwas passieren würde? Was, wenn sie wieder einen Anfall hatte und keiner war da?

Irgendwann im Laufe der Stunden trat Akira auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Soll ich nach ihr sehen gehen?", fragte er und wusste, dass sich Haru Sorgen machte. Er konnte es verstehen. Immerhin machte er sich auch Sorgen, dass ihr etwas passierte.

„Ja, geh ihr nach", bat er den Prinzen und war dankbar dafür. Sie war schon viel zu lange weg und seine Sorge wuchs mehr und mehr. Allerdings hatte er auch gemerkt, dass Sezuna das Spiel, was sie angefangen hatte, nicht unbedingt mochte. Nur machte es ihm Spaß, sie genauso zu necken, wie sie ihn.

Aber vielleicht gab sich das noch. Er wusste auch nicht genau, warum sie auf einmal so war, wie sie war. Möglichweise konnte aber Akira herausfinden, was los war.

Es dauerte eine Weile, bis er sie im Wald gefunden hatte. Sie saß auf einem Baumstumpf und es sah aus, als habe sie sich verletzt. Sicher war er sich darüber aber nicht. „Sezuna? Ist alles in Ordnung? Du bist schon so lange weg", sagte er und kam langsam näher. Vielleicht ruhte sie sich aber auch nur aus, denn ihr Gesicht zeigte keine Schmerzen.

Sezuna blickte auf und lächelte ihn leicht an. „Tut mir leid, wenn ihr euch Sorgen gemacht habt", sagte sie leise, wirkte aber nicht, als würde sie aufstehen wollen. „Ich genieße die Stille und den Wald", murmelte sie und wirkte entspannt.

„Hast du Wild gefunden?", fragte er sie und blieb neben ihr stehen.

„Ja, der Bestand hier sieht ganz gut aus", murmelte sie und streckte sich etwas. „Mir wird das zu viel", gestand sie leise. „Es sind mir einfach zu viele Leute. Ich mag das nicht."

„Was genau meinst du? Die letzten Tage? Ich glaube, euch beiden geht es ähnlich dabei. Wobei ich es aber verstehen kann. Ihr hattet unglaublichen Stress dabei", erwiderte Akira und ließ sich schließlich doch neben sie nieder, allerdings auf dem Boden.

„Ich bin nicht gern unter Leuten. Das zehrt an meinen Nerven. Ich wollte nur ein paar Stunden für mich allein", sagte sie und es klang entschuldigend. „Ich mag Eric, Marc und die anderen Dorfbewohner sehr. Aber sie zehren gerade sehr stark an meinen Nerven."

„Kann ich verstehen, wenn man es nicht gewohnt ist", gab Akira ihr Recht und legte eine Hand auf ihren Arm. „Aber du weißt, dass Haru sich mehr Sorgen um dich macht als alle anderen zusammen? Gerade weil er dich beschützen möchte. Es scheint, als ob er um keinen Preis auf der Welt dich verlieren will, auch wenn er manchmal gemein zu dir ist oder spottet."

Sezuna seufzte. „Ich weiß. Aber gerade aktuell bereitet er mir noch mehr zusätzliches Kopfzerbrechen. Vielleicht bin ich auch einfach überarbeitet. Ich kann es wirklich nicht sagen", murmelte sie und klang müde, schien aber trotzdem körperlich fit zu sein.

„Wie meinst du das mit zusätzlichem Kopfzerbrechen?", fragte Akira sie stirnrunzelnd.

„Aktuell sind meine Gedanken überall. Wann können wir weiter. Wie lange laufen wir noch, was brauchen wir alles. Dann die Sorge um Haru und für die Dinge, die noch kommen", murmelte sie leise und seufzte. „Es wird hoffentlich besser, sobald wir nur noch zu dritt sind und der Druck weg ist."

Akira gab ihr Recht dabei. Es war anstrengend, wenn sie so viele Leute waren. Natürlich waren sie nett und hilfsbereit, dennoch war es ganz anders, wenn sie nur zu dritt waren. Es gab momentan so viel zu tun, dass auch er sich danach sehnte, mal wieder ruhiger zu reisen. Allerdings meinte er, dass sie ihm und auch Haru einiges abgeben konnte. Immerhin war sie nicht die Einzige, die planen musste.

„Ich dachte, Haru ist wieder in Ordnung? Oder warum machst du dir nun Sorgen?", wollte er wissen, denn er verstand ihre Sorge um Haru nicht. Die letzten Tage hatte er sie durchaus verstanden, aber jetzt?

„Es ist eher so, dass die Sorge so langsam wieder von mir abfällt. Aber er ist auch an sich ein ... komplizierter Mann", meinte sie nachdenklich. „Ich bin gern in seiner Nähe, aber aktuell ist es irgendwie durch andere um uns gestört."

Akira lächelte leicht. „Alle Männer sind kompliziert, glaube mir. Belynia sagt das ständig zu mir, wenn sie mit mir verzweifelt", gestand er. „Ich glaube eher, dass Haru noch Probleme hat, so viel Nähe zuzulassen. Ihr habt ... ein anderes Verhältnis zueinander wie noch vor ein paar Tagen. Das sieht man euch an. Aber wenn du ihn richtig ansiehst, drehen sich seine Gedanken wohl darum, was er selbst tun oder fühlen sollte. Er ist sehr unsicher. Warum, weiß ich nicht."

„Ich schon und ich weiß auch, was du meinst. Aber ich bin einfach ein wenig überfordert. Nicht an sich mit Haru. Es wäre alles einfacher, wenn wir alleine wären", murmelte sie und erhob sich, bevor sie sich streckte. „Wir sollten zurück, damit ich mit Haru nochmal jagen kann", erklärte sie, weil sie wusste, dass Haru es sicher nicht gut geheißen hätte, wenn sie selbst versucht hätte das Wild zu fangen.

Auch der Prinz stand auf und klopfte sich den Schmutz von der Kleidung. „Ich würde euch ja am liebsten alleine lassen, aber ich fühle mich bei euch wohl und beschützt", gab Akira verlegen zu. Schon oft hatte er sich gedacht, dass sie wohl lieber alleine sein würden. Aber seine Männer waren alle tot und er hatte keine Begleitung mehr.

Sezuna schüttelte leicht den Kopf und lächelte. „Du bist immer willkommen", sagte sie. „Aber zu dritt ist etwas anderes, als in dieser großen Gruppe."

„Ihr solltet euch Zeit für euch nehmen, auch wenn wir so viele Leute sind. Ich bin mir sicher, dass sie keine Probleme damit haben", erwiderte er auf dem Rückweg und genoss selbst die Ruhe, die ihm wirklich gefehlt hatte.

„Das schon, aber ich weiß auch nicht immer wie. Im Grunde hatten wir ja Ruhe, aber mein Kopf wollte einfach nicht aufhören zu denken", murmelte sie und erinnerte sich an die Zeit in der Badewanne. Dort hatte ihr Kopf aufgehört zu denken und sie vermisste es sehr. Vielleicht war es gerade deshalb gerade so anstrengend für sie.

„Und bei Haru war es der Körper, der nicht aufhören wollte, ständig alarmiert zu sein, obwohl sein Kopf nicht mehr konnte", stellte Akira fest. „Ihr zwei seid wirklich sehr unterschiedlich. Vielleicht solltet ihr euch bis zum Hafen wenigstens in der Nacht zurückziehen, so wie ihr es für einige Zeit getan habt, als wir nur zu dritt waren", schlug er vor. „Und es ist ja nicht mehr für sehr lange", versicherte er ihr mit einem Seitenblick.

„Wenn Haru mitmacht, wäre das wirklich schön", seufzte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Leute, die sie bereits sehen konnte. Der Stall war schon sehr weit und Haru noch immer am Arbeiten, wie sie feststellte.

Plötzlich blieb Akira stehen und musterte sie mit einem seltsamen Blick. „Wie meinst du das? Natürlich wird er sich mit dir zurückziehen. Warum sollte er es auch nicht?"

Sezuna winkte ab. „Nein, das meinte ich nicht", seufzte sie und wollte Akira nicht wirklich etwas erklären. Das ging nur sie und Haru etwas an. Und genau auf den steuerte sie nun langsam zu.

Seufzend folgte er ihr Kopfschüttelnd. Beide sprachen oft genug in Rätseln, die keiner verstehen konnte. Wahrscheinlich war es eine Art Kommunikation zwischen den beiden, die sonst niemand wirklich kannte. 

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