Kapitel 6
Als er zum Lager zurückkehrte, sah er bereits die fertigen Kuchen, die Sezuna gerade aus dem Ofen holte und er leckte sich die Lippen. Mit einem kurzen Blick auf den Mann, der noch immer schlief ging er zu ihr hin und gab ihr das Metalstück. „Schau mal, was ich gefunden habe. Kannst du was damit anfangen? Ich bin mir sicher, dass ich es schon einmal gesehen habe. Es sieht aus wie ein Wappen, aber ich erinnere mich nicht mehr daran, wo ich es gesehen habe", sagte er und setzte sich nah an die Kuchen, um in einem Moment, in dem Sezuna wohl nicht aufpassen würde, sich eines zu stehlen. Dann holte er die Splitter heraus und legte sie auf seine Decke, um sie besser betrachten zu können.
Sezuna betrachtete das Metallstück und drehte es immer wieder zwischen den Fingern. Dann schielte sie zu dem Mann. Das bestätigte ihren Verdacht, aber sie wusste nicht, ob sie es Haru gegenüber erwähnen sollte. „Das könnte ein Königswappen sein. Vielleicht waren sie Händler, die für den König eingekauft haben."
Haru wurde blass im Gesicht. „Oh nein, wenn er wirklich gesehen haben sollte, was ich getan habe ... Er könnte es gut so hindrehen, dass ich ihn angegriffen habe. Ich habe mal gehört, dass der König gegen einige Magier brutal vorgeht, um sie auszulöschen", sagte er tonlos. Immerhin wusste er nun auch, warum es ihm bekannt vorgekommen war. Als Kind hatte er mal ein Buch gehabt, wo das Wappen des Königs abgebildet war und Geschichten aus dem Königreich erzählt hatten.
Sezuna schüttelte den Kopf. „Du hast sein Leben gerettet", beruhigte sie Haru mit leiser Stimme. „Ich denke nicht, dass er dich ausliefern wird", fügte sie hinzu und reichte ihm einen Honigkuchen, damit er auf andere Gedanken kam. „Und die Geschichten mit den Magiern sind auch nicht ganz richtig. Es stimmt schon, dass der König einmal hart gegen sie vorgegangene ist, aber dazu musst du wissen, dass sein Magierzirkel geplant hatte, ihn abzusetzen und einen der ihren auf den Thron zu befördern."
Nachdenklich biss er in den Honigkuchen und man merkte, dass Haru mit seinen Gedanken nicht bei dem süßen Geschmack waren, denn sonst schmolz er immer dahin, wenn er den Kuchen aß. „Das zeigt ihm aber, dass viele Magier hinterhältig und gemein sind. Sie sind mächtiger als normale Menschen und wollen das natürlich ausnutzen. Mag sein, dass es lange her ist, aber ... solche Dinge werden nicht vergessen und tragen sich über Generationen hinfort. Meine Eltern haben mir es so erzählt, dass der König noch immer daraus aus ist, die Magier zu vernichten. Aber mittlerweile glaube ich ihnen kein Wort mehr", sagte Haru bitter. Er legte sogar sein Kuchen ab, den er wahrscheinlich mit einem Bissen gegessen hätte und fuhr fort. „Vielleicht haben wir ihm das Leben gerettet, was aber nicht heißt, dass er uns ausliefern wird, wenn er gesehen hat, das wir Magier sind. Jetzt weiß ich auch, warum ich ein ungutes Gefühl bei ihm gehabt habe."
Haru war noch immer blass, als er fragte, warum sonst würden die Leute vom König auf ihr Gebiet kommen, wenn sie nicht herausfinden wollten, wo die Magier sich aufhielten. So viele Dinge, die kostbar waren, hatten sie im Gegensatz zum König nämlich nicht.
„Haru, dir ist bewusst, dass dem König ganze Magierschulen gehören oder? Unsere ist eine Ausnahme gewesen, aber der König fördert Schule in seinem Gebiet, wo Magier ausgebildet werden", klärte sie ihn auf. „Ich glaube nicht, dass er eine Hetzjagd auf Magier macht. Das wäre extrem unlogisch. Immerhin kennt jeder die Magieschulen und der König müsste nur dorthin gehen und alle Magier auslösche", meinte sie und zuckte die Schultern. „Außerdem steht in der Hauptstadt der legendäre Magierturm, an dem die größten Magier der Geschichte eine Zeit lang als Gelehrte gearbeitet haben. Im Auftrag des Königs. Also mach dir nicht so viele Gedanken."
Der blonde Junge ließ plötzlich den Kopf sinken. „Vielleicht hast du Recht ...", murmelte er leise. Er sollte sich nicht so viele Sorgen machen. Seine Eltern hatten ihm über all die Jahre wohl davon abhalten wollen, davonzulaufen, indem sie ihm falsche Dinge erzählt hatten. „Trotzdem bin ich mir nicht sicher mit diesem Mann dort. Es gibt hier nichts, was den König interessieren würde. Die haben viel bessere Dinge als wir", sagte er murrend.
„Was den König nicht dran hindern wird, Informationen aus seinem Volk zu bekommen", meinte Sezuna leise. „Ich bin mir sicher, dass er sich auch dafür interessiert, wie es bei uns auf dem Kontinent läuft. Ob alle Steuern zahlen und ob es ihnen gut geht", schlug sie vor und knabberte selbst an einem Kuchen.
Haru schnaubte spöttisch. „Natürlich, das ist alles, was ihn interessiert. Hauptsache, jeder zahlt seine Steuern pünktlich. Ob es den Leuten gut geht, interessiert ihn nicht", meinte er frustriert. Mittlerweile zog er die Möglichkeit in Betracht, den Mann einfach liegen zu lassen, damit er ihn nicht erkennen konnte. Aber das war wohl keine gute Idee.
„Jetzt hör doch auf", meckerte Sezuna plötzlich. „Du kennst weder den König, noch seine Leute. Du weißt doch gar nicht, wie sie sind und ob das stimmt. Lass dir doch deine Meinung nicht diktieren und warte bis er aufwacht, damit du ihn besser kennenlernen kannst", meinte sie und wirkte ein wenig beleidigt. „Ich meine anders habe ich es bei dir doch auch nicht gemacht. Hätte ich auf die Meinungen und Geschichten von anderen gehört, hätte ich immer nur das Monster, den bösen Jungen und was weiß ich nicht in der gesehen, was überhaupt nicht der Wahrheit entspricht."
„Was wohl besser gewesen wäre", murrte er leise und wandte sich ein wenig ab. Es brachte nichts, mit ihr zu diskutieren. Außerdem hatte sie Recht, er kannte den König nicht und würde es wohl auch nie. Vielleicht sollte er wirkich warten, bis der Mann wach war, um mit ihm zu sprechen. Trotzdem hasste Haru es, klein beizugeben, vor allem wenn sie unterschiedliche Meinungen hatten.
„Niemand verdient es, dass man ihn an den Meinungen anderer misst", murmelte die Blonde und widmete sich wieder der Zubereitung des Essens, während sie aus den Augenwinkel immer wieder zu dem schlafenden Mann blickte.
Eine Regung ließ sie den Kopf komplett drehen. „Ich glaube, er wird wach."
Der Junge jedoch reagierte nicht sofort darauf. Schließlich hatte der Mann sich in den Morgenstunden genauso bewegt.
Sezuna hingegen ließ ihre Arbeit erst einmal beiseite und erhob sich, um neben dem Mann wieder in die Hocke zu gehen.
Dieser verzog ein wenig das Gesicht und schlug schließlich die Augen auf.
„Wo ... bin ich ...?", krächzte er heiser. Damit erweckte er Harus Interesse, der schließlich doch näher kam. Er wechselte einen schnellen Blick mit Sezuna, der zeigen sollte, dass sie ruhig mit ihm sprechen konnte. Immerhin konnte sie ja mit Menschen umgehen und verurteilte sie nicht so wie Haru es selbst tat.
„Vorläufig in Sicherheit", bemerkte Sezuna und musterte den Mann nachdenklich und intensiv. „Wie fühlst du dich?", wollte sie wissen und behandelte ihn wie jeden anderen Patienten auch.
Dieser versuchte sich aufzurichten, was jedoch nicht richtig gelingen wollte. Haru und Sezuna waren sofort zur Stelle und halfen ihm auf, wobei Haru noch immer nichts sagte. Er schien beleidigt zu sein, aber auch vorsichtig mit seinen Worten. „Ich ... mir tut ... mein Kopf noch ziemlich weh. Wo sind meine Männer?", fragte er langsam, wobei er noch nicht ganz bei sich zu sein schien.
Das er sich Sorgen um seine Männer machte, zeigte Sezuna, dass er gar kein so schlechter Mensch sein konnte. „Du warst der einzige, den wir lebend bergen konnten", erklärte sie und versuchte dabei sanft zu klingen.
Sofort legte sich ein Schleier der Trauer auf das Gesicht des Mannes und er schüttelte den Kopf. „Wenn ich gewusst hätte ...", sagte er leise. Doch dann wurde auf seine Verbände aufmerksam und stutzte. „Wie lange war ich nicht bei Sinnen? Ich hatte doch Verletzungen ...?"
„Du hast nur einen Tag geschlafen. Deine Verletzungen waren nicht so schlimm", versicherte Sezuna. „Trotzdem musst du vorsichtig sein."
Nun sah der Mann die beiden richtig an und wechselte einen Blick zwischen ihnen hin und her. Er schien zu überlegen, doch dann fiel es ihm ein. „Ihr seid doch die Zwei aus dem Gasthaus!", rief er aus und hustete gleichzeitig, da seine Kehle sehr trocken zu sein schien.
„Vorsichtig", mahnte Sezuna und bat Haru ihr das Trinken aus dem Rucksack zu geben, damit der Mann etwas trinken konnte.
Der blonde Junge holte ihren Rucksack und anschließend die Flasche hervor, die er Sezuna reichte. Sobald sie die Flasche an die Lippen legte, trank er gierig. Er schien sehr durstig zu sein. Dabei warf Haru dem Mädchen einen seltsamen Blick zu. Fast schon, als wäre er eifersüchtig, dass sie sich so um den Mann kümmerte.
Sezuna wartete, bis der Mann getrunken hatte und stellte die Flasche dann zur Seite. „Wie kommt es, dass eine Gruppe Händler in dieser Gegend unterwegs sind?", wollte sie wissen und legte fragend den Kopf schief.
„Wir wollten neue Stoffe und Materialien kaufen, die es bei uns in der Stadt nicht gibt. Deshalb sind wir hierher gekommen, um nach diesen Materialien zu suchen. Wir haben gehört, dass es nur einige Städte und Dörfer anbieten", erwiderte der Mann und er rieb sich den Kopf. „Eure Verletzung am Kopf wird Euch noch einige Tage begleiten", bemerkte Haru nur.
Der Mann blickte diesen nun genau an und lächelte ein wenig schief. „Ich bin Akira. Es tut mir leid, dass ich mich bisher nicht vorgestellt habe. Ich danke euch, für eure Hilfe."
Haru machte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre es nichts besonderes, Leuten zu helfen. Dennoch weigerte er sich, seinen Namen preiszugeben und presste seine Lippen aufeinander. Noch immer war er beleidigt mit Sezuna, weil sie immer so gut und freundlich sein musste und weil es ihm manchmal vorkam, als würde sie ihn ständig belehren wollen, wie er sich gegenüber anderen benehmen und fühlen sollte.
Gerade das, dass er dem Mann mit dem Namen Akira eine Chance geben sollte. Ihm war es egal, wie der König war. Glaubte sie etwa, er konnte das, was er gehört hatte, einfach so aus seinem Gedächtnis löschen und so tun, als wäre alles, was sie sagte, die Wahrheit? Auch wenn es so war, Haru konnte nicht aus seiner Haut heraus und auch nicht so einfach von seiner Meinung ablassen.
Was ihn jedoch mehr ärgerte war, wie sie sich um ihn kümmerte. Haru wusste, dass es seine eigene Schuld war, denn wenn er Berührungen zulassen würde, würde sie wohl das Gleiche mit ihm machen. Dennoch ärgerte es ihn.
„Mein Name ist Yuna", sagte sie und nannte ihn genau den Namen, den sie auch in dem Gasthaus angegeben hatte. „Wo willst du hin, Akira?", wollte sie leise wissen, denn sie wusste, dass sie ihn in diesem Zustand nicht allein lassen konnte.
„Wir wollten ans Meer und von dort aus das Schiff zum anderen Kontinent nehmen", sagte er wahrheitsgemäß und blickte Haru noch immer fragend an, warum er sich nicht vorstellte. „Und wohin wollt Ihr als Reisende?", fragte Akira die beiden und setzte sich ein wenig besser auf. Er war verwundert, dass ihm so gut wie nichts mehr weh tat, dabei hatte er noch genau in Erinnerung, dass er starke Schmerzen gehabt und viel Blut an sich gesehen hatte.
Sezuna blickte zu Haru und wirkte unsicher, was sie ihm sagen sollte.
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