Kapitel 55
„Mach ich", versicherte ihm Sezuna und war wirklich neugierig darauf, was sie noch so finden würden.
Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, die Gänge abzulaufen, wobei es wie bereits am Vortag verwirrend für Haru war, aber auch nur so lange, bis Sezuna es aufgezeichnet hatte. Dann erst verstand er den Weg besser. Manchmal machten sie nur ein paar Minuten Pause, manchmal auch länger. Als sie wieder an einer Kreuzung ankamen, fragte er das Mädchen, ob sie nun eine Pause machen wollte, um wieder zu zeichnen.
Sezuna nickte, obwohl sie die Pausen nicht brauchte, um ihre Gedanken auf Papier zu bringen. Das hätte sie auch nach ihrer Erkundungstour machen können. Allerdings wollte sie sich ein wenig ausruhen und vielleicht auch die ein oder andere Übung für ihren Körper machen.
Haru setzte sie ab und ließ sich neben ihr nieder. Seine Lichtkugel hing über ihnen, um das Licht zu spenden. Der Junge hatte seinen Kopf gegen die kalte Wand gelehnt und die Augen für einen Moment geschlossen, solange Sezuna zeichnete. „Willst du wieder versuchen, zu laufen? Oder etwas anderes probieren?", fragte er sie leise. In den Gängen war es totenstill und er hatte jedesmal das Gefühl, jemanden aufzuschrecken, wenn er in einer normalen Lautstärke sprach.
Sezuna ging es ähnlich, deshalb flüsterte sie auch, als sie antwortete: „Ich weiß nicht genau. Vielleicht wäre es sinnvoller im Sitzen ein paar Übungen zu machen und dann erst zu laufen?"
„Dann solltest du anfangen, deine Arme und Schultern langsam zu kreisen und sie hochheben. Lass dir Zeit, aber versuche es richtig", mahnte er sie sanft. Es brachte nichts, wenn man Übungen schnell und nicht richtig ausführte.
Ein Nicken war die kurze Antwort, bevor sie langsam damit begann das zu tun, was Haru ihr gesagt hatte. Langsam und vorsichtig, denn das Heben der Arme war mit einer Kraftanstrengung verbunden, die sie nicht erwartet hatte.
„Sehr gut. Versuche nun, deine Arme einfach für ein paar Sekunden oben zu halten, dann lasse sie langsam herunter und lockere sie ein wenig. Als würdest du sie ausschütteln", kommandierte Haru sie.
Sezuna versuchte genau das umzusetzen, doch sie konnte ihre Arme kaum halten und es dauerte nicht lange, da hatte sie diese wieder unten und atmete angestrengt. „Ich denke wir sollten weiter", murmelte sie, um ihre eigene Frustration abzuschütteln. Es würde ihr helfen sich zu beruhigen, wenn sie die Gänge endlich fertig hatten.
Beruhigend legte er eine Hand auf ihren Arm und lächelte sie aufmunternd an. „Mache dir keinen Stress. Wie gesagt, ich bin auch noch da, dass ich dich tragen kann. Du weißt, es macht mir nichts aus. Also versuche nicht, dich zu etwas zu zwingen, nur weil du glaubst, du musst es", sagte er leise zu ihr und hob sie schließlich wieder hoch.
Anscheinend hatte sie keine Angst mehr, wenn er sie hochhob. Haru erinnerte sich an das erste Mal, als sie in Panik verfallen war, doch davon war zumindest jetzt nichts zu spüren.
Vielleicht hatte sie sich daran gewöhnt, oder vertraute ihm genug, um keine Angst mehr zu haben.
„Ich möchte es ja tun", murrte sie. „Deshalb ist es ja so frustrierend."
„Wenn du frustriert bist, wirst du noch länger brauchen. Durch die Wut und Frustration spannst du deinen Körper an und bedeutest ihm Stress. Das führt dann nur dazu, dass du dich versteifst und dann wird es schlimmer. Ich würde ja sagen, du solltest für mich tanzen, damit du dich ein wenig lockern kannst, aber ich denke, du bist dazu nicht in der Lage", erwiderte er nachdenklich und ging einen Gang entlang, der unendlich lang zu sein schien.
Sezuna senkte ein wenig die Lider. „Du würdest wirklich wollen, dass ich für dich tanze?", fragte sie leise, da sie selbst nicht nachvollziehen konnte, warum sich das jemand anschauen wollen würde.
„Natürlich. Ich fand es damals schon sehr schön anzusehen, obwohl du noch nicht so viel Übung hast. Erinnerst du dich? Ich könnte dir jederzeit beim Tanzen zusehen, weil ich finde, dass es wirklich gut aussieht", gab er zu und lächelte. Haru sagte das nicht aus Spaß, sondern er meinte es ernst.
Sezuna musste lächeln. „Dabei habe ich mich gefühlt wie eine tapsige Ente", lachte sie und schmiegte sich wieder an Haru, weil ihr seine Nähe in ihrer Momentanen Verfassung wirklich gut tat.
„Eine süße kleine tapsige Ente", korrigierte Haru sie breit grinsend. „Und eine sture Wildkatze dazu." Er spürte, dass sie sich wohl fühlte und er würde alles für sie tun, damit sie wieder in Ordnung war.
Sezuna lachte. „Es ist schön zu erfahren, wie du mich siehst. Für mich bist du ein großer, flauschiger Bär", gab sie zu und grinste. Er war manchmal wie ein Teddy, konnte aber genau so austeilen wie ein großer, wilder Bär.
„Kein Tiger?", fragte er gespielt enttäuscht. „Dann muss ich wohl an meiner Erscheinung arbeiten ..."
Sezuna lachte. „Doch, ein Tiger bist du auch. Immer dann, wenn du jemanden verteidigen willst."
„Ein Tigerbär?", überlegte er laut und kicherte leise. „Ich bevorzuge den Ausdruck Tiger lieber", gestand er. Haru sah sich nicht wie ein flauschiger Bär, sondern eher wie ein griesgrämiger Bär.
Sezuna kicherte. „Na gut, mein großer, schmußebedürtiger Tiger", lachte sie und streichelte ihn sanft.
Nun knurrte Haru grollend. „Ich bin nicht schmußebedürftig!", protestierte er.
Sezuna Lachen wurde lauter und sie rieb ihre Wange an ihm. „Dann bin ich die Schmußebedürftige", gab sie gut gelaunt von sich und freute sich, dass sie sich wieder so necken konnten. Dabei vergaß sie fast, dass sich ihr Körper noch immer so extrem schwach anfühlte.
„So würde ich es eher sehen. Du bist doch diejenige, die ständig kuscheln will und an mir klebt", lächelte er, aber seine Augenbrauen waren nach oben gezogen. Auch ihm tat das gegenseitige Necken gut und er wurde dadurch besser gelaunt.
„Aber nur, weil du es bist", murmelte sie an seine Brust und wirkte sehr zufrieden.
Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Du bist echt unglaublich, Sezuna", bemerkte er und sah sich um, da sie wieder an einer Kreuzung angekommen waren. „Wohin jetzt?", wollte er wissen.
Sezuna deutete auf einen Gang. „Dort entlang. Wenn ich das richtig sehe, kommen wir gleich in einen Raum", erklärte sie und Haru setzte sich in Bewegung.
Sie hatte recht und kurze Zeit später traten sie durch einen Bogen, der früher wohl mal eine Tür aufgewiesen hatte und blickten in einen Raum.
„Bleib stehen", bat Sezuna aufgeregt und meinte, dass er die Lichtkugel in den Raum schweben lassen sollte. Diese sah seltsam aus.
Am Boden waren viereckige Steine mit seltsamen Symbolen und an den Wänden gab es ebenfalls Symbole.
Haru blieb auf ihr Kommando ruckartig stehen und sah sich um. Der Raum sah seltsam aus, gruselig um genau zu sein. So, als wäre hier eine Falle aufgestellt. Aber das konnte auch an seiner ständigen Alarmbereitschaft liegen, dass er so sensibel war.
Jedoch sah Sezuna es genau so. „Ich glaube, wir müssen vorsichtig sein", meinte sie und besah sich die Zeichen an der Wand und die am Boden. „Tritt bitte nicht auf die falschen Fließen. Ich glaub sonst stürzen wir ein", murmelte sie nachdenklich.
„Hast du eine Ahnung, wie das hier funktioniert?", wollte er wissen. Er hatte nicht vor, schon wieder einzustürzen. „Irgendeinen Plan, ob man mit Magie herausfinden kann, wo man hintreten darf?"
„Warte ganz kurz", bat sie und drehte sich ein wenig, um die Wände zu betrachten. „Ich denke die Wände sagen uns, wie wir gehen müssen."
Haru wartete und ließ ihr Zeit, damit sie ihre Ruhe hatte, um das Rätsel zu lösen. Er sah sich in der Zwischenzeit genau um und betrachtete die Symbole an der Wand.
Für ihn ergaben sie keinen wirklichen Sinn, doch er erkannte sie auf dem Boden wieder.
„Ich sag dir, auf welche Symbole du treten kannst", meinte Sezuna schließlich. Das Rätsel an sich war nicht schwer, doch das Problem war das Alter des Raums.
„Kann ich nicht einfach auf die andere Seite schweben?", murrte Haru, der sich Sorgen darüber machte, doch noch einzustürzen. Wer weiß, wo sie dann landen würden.
„Nein, das berühren der Platten setzt auch einen Mechanismus in Gang, der die Tür da drüben öffnet", erklärte sie und deutete auf die Türen an der Wand. Es gab mehrere, doch sie wirkten nicht alle sehr vertrauenserweckend.
„Und wenn wir Steine auf die Platten legen, die ich erschwere? Als wären sie so schwer wie ich, damit die Platten ein Gewicht erkennen? Dann müssen wir nichts riskieren und könnten die Tür öffnen", schlug er vor, denn er war nicht wirklich begeistert davon, noch einmal ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
„Oder wir laufen drüber und du machst dich bereit zu schweben, sollte der Stein nachgeben", meinte sie nachdenklich. „Die Idee mit den Steinen ist zwar gut, ich weiß aber ehrlich gesagt nicht, auf was die Platten reagieren."
Haru murrte missmutig, nickte aber trotzdem. Dann bat er sie, ihm den Weg zu weisen, wobei er bereits darauf vorbereitet war, jederzeit zu schweben, wenn es sein musste. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl und er war höchst alarmiert.
Sezuna wies ihn an, wo er hintreten konnte und immer, wenn er eine Fliese berührte, schimmerte sie auf, bis deutlich zu sehen war, wo sie lang gelaufen waren.
Als Haru seinen Fuß auf die letzte Fliese setzte, ging vor ihnen die Tür auf, ohne dass etwas passiert war.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn, denn er war hochkonzentriert dabei gewesen. Er vertraute Sezuna, keine Frage. Aber man wusste nie, was passieren würde. Das hatte er schon oft genug erlebt.
Sie befanden sich nun in einem anderen Raum, der mehr einer Grube glich, die durch einen schmalen Pfad überbrückt wurde. Als würde man es den Leuten, die dorthin wollten, nicht zu einfach machen, was Sezunas Neugier nur noch mehr anheizte.
„Wenn wir hier jemals rauskommen, schwöre ich dir, nie wieder eine Wüste zu betreten", seufzte Haru genervt. Warum konnte es nicht einmal einfach sein? Wobei er sich langsam auch fragte, wohin der Weg wohl führen würde. Warum würde jemand eine Grube bauen und dann einen schmalen Pfad darüber?
„Ich finde es sehr faszinierend", murmelte sie. „Wir können übrigens schweben, wenn du willst. Hier sehe ich keinen Grund es nicht zu tun. Unten in der Grube mit den Speeren will ich nur ungern landen."
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