Kapitel 32
Es war gut, dass der Mann sie machen ließ, aber wahrscheinlich eher deshalb, weil er leicht kränklich wirkte.
„Habt ihr einen großen Topf?", wollte Sezuna wissen, die mit einer der Frauen in der Küche stand, die jedoch mehr einer einfachen Kochstelle mit Feuer gleich. Aber es war ein abgetrennter Raum, was schon sehr praktisch war.
Die Frau nickte und holte den Topf hervor, um ihn Sezuna zu reichen. „Danke. Ist es in Ordnung, wenn ich das Essen allein mache? Ich lasse mich nur ungern dabei beobachten", erklärte sie entschuldigend. Die Frau machte eine Bewegung, welche die Küche zeigte. „Klauen kannst du uns sowieso nichts", meinte sie und verließ den Raum.
Dankbar begann Sezuna mit Magie die Dinge für den Eintopf vorzubereiten und verstaute sogar noch ein paar Fische in den Schränken, wo die Frau sie auf alle Fälle finden würde.
In der Zwischenzeit scherte Haru die Schafe mithilfe von Magie. Das war relativ einfach und schnell gemacht. Große Körbe für die Wolle standen schon bereit und er wies Akira an, einen davon zu nehmen, nachdem er fertig war. Da es aber auffallen würde, wenn sie schon fertig waren, ließ er sich auf einem Strohballen nieder. „Also rückt raus mit der Sprache, was habt Ihr vor? Warum wollt Ihr uns unbedingt Eurem Vater vorstellen? Und seid Ihr wirklich verheiratet?", fragte er den Prinzen mit verschränkten Armen.
Akira wirkte über die plötzliche Fragerei sehr überrascht, hatten sie doch bis jetzt eher stumm gearbeitet.
„Ich hatte gehofft, dass ihr beide vielleicht ein Zuhause finden könntet, so wie die anderen Menschen, denen mein Vater geholfen hat, weil sie anders sind und die Gesellschaft sie nicht immer duldet", erklärte Akira und wirkte ein wenig nervös, als er sich ebenfalls auf den Strohballen nieder ließ.
„Wir wollen nicht in Eurer Schuld stehen, weil Ihr uns ein Zuhause geben wollt. Auch wenn die anderen vielleicht anders sind, ich will keine Gefahr für diese Leute sein. Ich habe schon genug Schaden angerichtet", sagte Haru und warf ihm einen Blick zu.
„Es gibt am Hof viele wirklich gute Leute, vielleicht können dir einige davon sogar helfen. Außerdem möchte ich das nicht tun, damit du in meiner Schuld stehst, sondern weil ich in deiner stehe", erklärte Akira, fühlte sich aber unter Harus Blick eindeutig unwohl.
„Ihr steht nicht in meiner Schuld. Ich hätte euch genauso gut den Männern überlassen können. Und selbst, wenn es gute Leute an Eurem Hof gibt, ich mag es nicht, unter Leuten zu sein. Niemand wird mir helfen können, ich glaube schon selbst nicht mehr daran", stieß er bitter hervor. Warum waren er und Sezuna nur so besessen, dass man ihm helfen konnte? Wenn er sich selbst schon nicht helfen konnte, wie konnten es dann andere? Harus Problem war, dass er sich vor anderen verschloss und nicht über sich und seine Probleme und Gefühle reden wollte. Sezuna und auch Sarah und Jare waren die Einzigen gewesen, die seine Gefühle gekannt hatten.
Akira hob abwehrend die Hände. „Ich habe das nicht angeboten, um dich zu ärgern", erklärte er beschwichtigend. „Aber was ist mit Sezuna? Sie glaubt an dich. Willst du sie wirklich enttäuschen, indem du ihr sagst, dass du aufgegeben hast? Gibt es denn gar nichts, was du willst, dass es sich lohnen würde an der Sache dran zu bleiben?"
„Das, was ich will, wird nicht passieren", knurrte Haru. „Sie weiß genau, dass ich selbst keine Hoffnung mehr habe. Immer wieder versuche ich es ihr klar zu machen, dass ich es versuchen werde, aber meine Hoffnungen sind gegen null. Ich sage oft zu ihr, dass sie sich selbst keine zu großen Hoffnungen machen soll, damit sie am Ende nicht so sehr enttäuscht sein wird, aber sie hält an der Vorstellung fest, dass alles gut wird." Der blonde Junge hatte einen gequälten Gesichtsausdruck, als er das sagte.
„Also möchtest du ihr sagen, dass nicht alles gut werden wird? Dass es keinen Grund für sie gibt daran zu glauben. Wenn sie aufhört daran zu glauben ... was hat sie dann noch im Leben?", wollte er leise wissen. „Was ist es, dass sie daran hindert dem Leben, das nichts für sie zu bieten hat, einfach ein Ende zu setzen?"
„Ich versuche es ihr immer wieder zu sagen, aber sie hört einfach nicht. Ich will einfach nicht, dass sie am Ende entweder enttäuscht wird oder es nicht überleben wird. Sie meint, es ist sicher möglich, meine Magie zu kontrollieren. Aber was ist mit ihr? Hat sie die Hoffnung aufgegeben, eines Tages ihre Quelle zu vergrößern, dass die Anfälle weniger werden? Ich weiß es nicht. Aber ich habe diese endlosen Diskussionen davon satt, dass ich es auf jeden Fall schaffen werde. Was, wenn ich es nicht schaffe? Wer wird am meisten enttäuscht sein? Wer wird darunter leiden? Sie. Und genau das will ich nicht", fuhr er fort. Seine Wut war verraucht, stattdessen schwang nun Traurigkeit in seiner Stimme mit und seine Unterlippe zitterte bei seinen Worten.
„Also wenn du mich fragst, ist die Tatsache, dass ihr beide zusammen eine Zukunft haben könntet, ein ziemlich guter Antrieb selbst weiter zu machen und nicht aufzugeben", erklärte Akira ruhig. Er konnte nicht nachvollziehen, dass Haru schon jetzt aufgab. Niemand sagte, dass er diese Sachen sofort schaffen musste. Das alles hatte Zeit, doch solange er nicht daran glaubte, würde es nie passieren.
„Ich will doch nur nicht enttäuschen ... aber das ist alles, was ich kann ... verletzen und enttäuschen", flüsterte Haru plötzlich leise mit einem Zittern.
Akira fuhr sich ein wenig übers Gesicht. Es schien, als hätte Haru viel tiefsitzender Probleme, als er angenommen hatte. „Noch hast du sie sicherlich nicht enttäuscht und verletzt wirkte sie auch nicht."
„Noch nicht ... das wird noch kommen", sagte Haru tonlos. Er wusste, dass es passieren würde, auch wenn er versuchte, das Kommende in andere Bahnen zu lenken und zu vermeiden.
„Wenn du so an die Sache herangehst, wirst du es gar nicht vermeiden können", meinte Akira nachdenklich. „Für dich gibt es nur diesen einen Weg und obwohl du ihn nicht gehen willst, wirst du ihn gehen."
„Vielleicht ... Sezuna war die Einzige, die mir neue Hoffnung und Träume gegeben hat. Und das macht mir Angst", gab Haru zu und wischte sich unwirsch über das Gesicht.
„Wieso macht es dir Angst? Weil es dir etwas zeigt, was du haben willst?", wollte Akira wissen und verstand nicht, was genau Harus Problem war. Was musste er erlebt haben, um so zu denken? Wer hatte als Kind seine Hoffnungen und Träume so sehr zerstört?
„Genau. Es zeigt mir, was ich haben kann und was ich letzten Endes wieder zerstören werde. Weil ich nicht nur ihre, sondern auch meine neuen Träume zerstöre mit das, was ich bin", antwortete er und ließ den Kopf hängen. Bevor Sezuna wollte er nur Sarah zurück haben und mit ihr zusammen sein. Nun, nachdem sie endlich erkannt hatten was sie füreinander fühlten, wobei sie es noch nicht ausgesprochen hatten, wollte er sie. Und dennoch hatte er gleichzeitig Angst, dass sich das mit Sarah nun mit Sezuna wiederholen würde.
Akira hob eine Augenbraue. „Also wenn du mich fragst, hast du das schon in Gang gesetzt. Ob es dir passt oder nicht. Wenn du jetzt einen Rückzieher machst, verletzt du sie sowieso. Warum lässt du dich nicht wenigstens darauf ein?"
„Genau deshalb wollte ich, dass sie in der Schule bleibt. Damit genau das nicht passiert. Aber Sezuna ist so hartnäckig ... ich weiß nicht mehr, was ich machen soll", gestand er. Es tat ihm irgendwie gut, einmal mit jemand anderen über das Problem zu reden, weil Sezuna sowieso wieder nur diskutieren würde. Er vertraute dem Prinzen eigentlich nicht, aber es brach einfach aus ihm heraus. So, als brauchte er jemanden, der ihm den richtigen Rat geben würde. Wobei Akira das wohl nicht tun konnte.
„Sie hat etwas, für das sie kämpfen möchte im Leben. Sie hat Ziele und Wünsche. Das ist das, was sie meiner Meinung nach antreibt zu leben. Was ist es, was dich antreibt? Was hindert dich daran, dich zu ertränken?", wollte Akira wissen. „Du wirkst immer so, als hätte das Leben für dich keinen Sinn und trotzdem setzt du diesem Leben kein ende. Warum?"
„Weil ich stärker werden wollte ... um denjenigen beschützen zu können, was mir alles bedeutet hat. Doch sie ist gegangen, also habe ich angefangen, stärker zu werden, um sie wenigstens auf der anderen Seite der Regenbogenbrücke beschützen zu können. Das Leben hatte auch keinen Sinn mehr, außer das tägliche Training. Bis Sezuna in mein Leben kam und alles auf den Kopf stellte. Sie ist zu dem geworden, den ich beschützen möchte. Vor allen anderen und vor mir. Ich weiß, dass ich Sarah nie wieder in den Armen halten werde. Aber nun ist es Sezuna, die ich in den Armen halte. Es fühlt sich für mich oft an, als würde ich Sarah fremdgehen. Wenn ich versuche zu gehen, ist Sezuna diejenige, die mich immer wieder daran hindert und auffängt ..." Je mehr er sprach, desto leiser wurden die Worte. Auch seine Stimmte drohte bei den Erinnerungen zu versagen.
„Sie ist also diejenige, die dich fängt", sagte Akira sanft, da es ihn an seine Frau erinnerte. Sie war ebenfalls diejenige, die Akira immer fing, wenn er drohte zu fallen. „Vertraust du ihr?", wollte er wissen und beobachtete Haru sehr genau.
Haru antwortete nicht sofort, denn er versuchte die Antwort tief in seinem Inneren zu finden. „Ja, ich vertraue ihr. Auch wenn es mir oft schwerfällt und ich ihren Optimismus nicht teilen kann", sagte er schließlich leise.
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