Kapitel 30
„Ich verstehe, also eine Art Platte, die einen Sprung hat und sich ständig wiederholt?", fragte Akira sie nachdenklich. Natürlich war das nicht böse gemeint, aber nur so konnte er sich einen Vergleich vorstellen.
„Das ist ein treffender Vergleich ja. Und Haru hat auch alles richtig gemacht, als er versucht hat mich daraus hervorzuholen. Normalerweise endet das nämlich darin, dass ich zuerst Nasenbluten bekomme und mein Körper dann dem Druck nicht mehr standhält und ich zusammenklappe", erklärte sie und drückte Haru einmal fest, da ihr durchaus auffiel, dass dieser verärgert war. „Das danach gleich eine andere Art von Anfall kam, ist mir bisher noch nie passiert und ich glaube, dass es dieses Mal nicht so gut ausgegangen wäre, wenn ich alleine gewesen wäre", flüsterte sie leise und klang sogar fast ängstlich.
„Was meinst du, hätte dir passieren können?", fragte Akira sie mit einem musternden Blick. „Hast du dich jemals von einem Arzt gründlich untersuchen lassen?", wollte er dann wissen.
„Ich hatte genügend Ärzte in meinem Leben und die Magier nutzen zu allem Magie. Das bringt meinen Körper erst recht dazu, sich abzuschalten", murmelte Sezuna und schmiegte sich an Haru. „Im Grunde nutze ich fast meine komplette Magie dafür, um mein Gehirn zu schützen. So viele Informationen wie da drin sind, würde kein anderer verkraften ohne wahnsinnig zu werden", flüsterte sie, aber so, dass es Akira noch hören konnte. „Wenn meine Magie aber nicht reicht zum schützen oder mein Körper, durch Fremdeinwirkung zu schwach ist, dann passiert genau das", seufzte sie. „Im schlimmsten Fall kann es mein Gehirn schädigen. Wobei ich nicht weiß, ob meine Magie das wieder reparieren kann oder nicht."
„Du meinst also, dass es nicht behandelbar ist? Und du reagierst also eher allergisch auf die Magie von anderen, wenn sie dich heilen wollen? Das ist einzigartig, muss ich sagen. Du bist du erste, der ich begegne, die sowas hat", sagte Akira zu ihr und sah, wie Haru mit den Zähnen knirschte und er fragte sich, was los ist.
„Tatsächlich reagiert jeder Magier auf Behandlungen von anderen Magiern so. Nur spüren sie es nicht, weil ihre Magie stark genug ist. Menschen haben gar keine Magie und sind daher nicht betroffen", erklärte Sezuna langsam und nachdenklich. „Lässt man sich als Magier zu oft von anderen Magiern mit Magie behandeln, kann das zu starken Änderungen des eigenen Magieflusses führen", erklärte sie. „Daher sind alte Magier auch oft sehr von anderen abhängig, die sie ständig heilen, weil ihre Körper selbst nicht mehr richtig funktionieren. Und ich habe keine Ahnung, ob man das irgendwie heilen oder vorbeugen kann", gestand sie leise. Sie spürte Haru unter sich und auch, dass er alles andere, als begeistert war. Aber leider war es eine Tatsache, die sie nicht verheimlichen wollte.
Akira sah sie erstaunt an. „So habe ich das noch nie betrachtet", gestand er und rieb sich verlegen den Kopf. Es wurde den Nichtmagiern ja auch nicht erzählt, was sich in den Magierkreisen so abspielte. Akira legte eine Hand auf Harus Schulter, sodass er stehen blieb.
„Haru, ich weiß, dass du es gut gemeint hast und du solltest dir keine Vorwürfe machen, dass es passiert ist", sagte er zu ihm beruhigend, doch Haru presste die Lippen aufeinander. Was wusste der Prinz überhaupt schon?
Sezuna schmiegte sich noch mehr an ihn. „Ich habe ihn darum gebeten meine Verletzungen zu heilen", meinte sie leise. „Es erschien mir sinnvoller und normalerweise passiert auch nicht so viel. Aber ich bin ständig neuen Dingen ausgesetzt, seitdem wir auf der Reise sind. Die ganzen Dinge sind auch noch nicht richtig ... archiviert und spuken mir dauernd im Kopf herum."
„Weißt du jetzt, warum es besser gewesen wäre, wenn du an der Schule geblieben wärst?", fragte Haru sie mit seltsamer Stimme. Sie klang vorwurfsvoll und tonlos zugleich. Warum verstand sie denn nicht, dass es für sie einfach am besten gewesen wäre, ihm nicht zu folgen? Sicher, sie waren sich näher gekommen, aber sie hatten auch gefährliche Dinge überstanden. Sezuna würde wohl nie verstehen, dass er sich um ihr Wohl sorgte und er der Meinung war, dass das in der Schule vielleicht nicht so oft passieren würde wie hier mit ihm.
Sezuna schnaubte. „Ja natürlich. Weil es die Lehrer ja auch interessiert hat, woher die plötzlichen Nasenbluten-Anfälle kommen oder warum ich manchmal zu müde zum Unterricht war. Überarbeitung, mehr nicht. Kein Grund zur Sorge", zitierte sie einen der Lehrer und schnaubte erneut. „Und wenn ich Leila nicht ständig wieder gesagt hätte, dass mir ihre Behandlung nicht gut tut, würde sie mich noch immer regelmäßig mit Magie massieren und dafür sorgen, dass ich vor dem Schlafen gehen eine halbe Stunde über dem Klo hänge, weil mir kotzübel ist. Auf der Schule wird nichts geduldet, was anders und nicht normal ist. Das weißt du doch besser als ich", knurrte sie am Ende fast.
Haru und seine Reise war das Beste, was ihr passiert war. Hier fühlte sie sich das erste Mal akzeptiert und als wäre sie ein Teil von etwas, wo man sich für den anderen interessierte und auch um ihn sorgte.
Auch Haru knurrte sie an, wobei die Worte nicht verständlich waren, sondern eher dem Knurren eines Wildtiers gleichsten. Seine Laune war am Tiefstand angelangt und er konnte nicht anders, als es herauszulassen. Akira musterte die beiden und nickte schließlich. „Das habe ich bereits gehört, dass viele Schulen so sind. Alles, was nicht in den Rahmen passt, versucht man zurechtzubiegen, egal ob es funktioniert oder nicht."
„Natürlich, weil die Lehrer keine Kompetenz dazu haben, mit anderen Dingen umzugehen und niemand würde sich diese Inkompetenz eingestehen. Dazu sind Magier zu stur", seufzte sie und begann sanfte Küsse auf Harus Nacken zu verteilen. Überall dort, wo sie hinkam.
„Da gebe ich dir Recht. Auch bei uns ist das manchmal der Fall. Gerade deswegen überarbeiten wir das System zurzeit und hoffen, dass es erfolgreich sein wird", sagte Akira zu ihr. Harus Blick hatte sich verfinsters, als sie ihn anfing, am Nacken zu küssen. Ihm war nicht gerade danach zumute, auch nicht, dass er gekitzelt wurde, denn es kitzelte ziemlich.
Sezuna hielt recht schnell in ihrer Tätigkeit inne, da es nicht den gewünschten Effekt erzielte und drückte Haru stattdessen fest an sich. „Es ist nicht deine Schuld", versicherte sie ihm flüsternd. „Im Gegenteil. Du hast mich vor schlimmerem bewahrt."
Noch immer grummelte Haru vor sich hin, aber er beruhigte sich langsam. Er nickte ihr zwar zu, sprach aber immer noch nichts. Es war schwer zu verstehen, wie er sich dabei fühlte. Er wusste es ja selbst nicht immer ganz genau. Das Einzige, was er fühlte war, dass er sauer auf sich selbst war. Wäre er besser darin, Menschen und vor allem Sezuna zu verstehen und auch die Anzeichen richtig deuten zu können, wäre er viel besser darin, sie vor etwas schlimmen zu bewahren.
So hatte er das Gefühl, dass er keine Chance hatte, sie überhaupt zu bewahren. Dabei war es das, was er wollte. Er wollte sie schützen und wenn es sein musste, vor sich selbst.
Akira hingegen sah die beiden musternd an, wobei er nachdenklich sein Kinn rieb. „Ihr zwei seid wirklich speziell. Jeder auf seine Weise. Und ein kompletter Gegensatz. Ich bin mir sicher, dass mein Vater euch gerne kennenlernen würde", meinte er. „Eure Fähigkeiten sind einzigartig und ich muss sagen, ich bin von euch wirklich fasziniert. Schon die Art, wie ihr miteinander umgeht und trotzdem so stark verbunden seid."
„Ich muss gestehen, ich habe ein wenig Angst davor", gestand Sezuna leise. „Ich halte mich sonst eher von Adligen fern", seufzte sie und drückte sich ein wenig weiter an Haru. Seine Nähe beruhigte sie ein wenig.
„Mein Vater ist wirklich harmlos, das verspreche ich euch. Er ist wirklich sehr nett und normal im Gegensatz zu anderen Adeligen", versicherte Akira ihnen. „Man merkt ihm gar nicht an, dass er adelig ist, außer wenn er eine offizielle Veranstaltung hat", grinste er und Haru schien sich ein wenig zu entspannen. Er mochte diese hochnäsigen Adeligen nicht, aber wenn Akira sagte, dass sein Vater eher normal war, konnte er vielleicht seinen Vater treffen. Aber er würde es garantiert nicht machen, wenn es offiziell wäre, denn Haru hatte wirklich etwas gegen sowas. Warum konnten Menschen nicht einfach normal sein?
Sezuna auf seinen Rücken wirkte dennoch noch immer nicht so ganz überzeugt. „Ich möchte dich nicht verärgern, aber ich bin nicht so der Freund davon vorgeführt zu werden. Egal vor wem", murmelte sie, weil sie sich dann immer fühlte wie ein Tier in einem Zoo.
„Ihr müsst nicht wenn ihr nicht wollt, keine Frage. Aber ich bin mir sicher, er würde sehr gerne die Leute kennenlernen, die seinen Sohn auf der Rückreise begleitet und beschützt haben. Und damit meine ich euch zwei. So wie es aussieht, würde man euch nicht einzeln vorstellen können, sondern nur im Doppelpack", vermutete der Prinz und Haru nickte. Niemals würde er alleine zum König gehen, weil er genau wie Sezuna war. Er mochte es nicht, vorgeführt zu werden, gerade weil er anders als die anderen waren. Und das stellte er nicht gerne zur Schau.
„Ich würde alleine in Ohnmacht fallen", gestand sie und erinnerte sich daran, wie panisch sie bei der Versteigerung gewesen war. Sie hätte sich dabei fast in die Hose gemacht.
„Davor würde ich dich bewahren, aber ich würde wahrscheinlich explodieren", knurrte Haru wenig erfreut. Wieso bestand der Prinz nur so sehr darauf, sie seinem Vater vorzustellen? Er hatte ein ungutes Gefühl, wobei er ziemlich sicher wusste, dass Sezuna das nicht mit ihm teilen würde.
„Mein Vater legt Wert darauf, das jeder das, was er gut kann und was ihm Spaß macht, auch machen kann", erklärte Akira plötzlich und wirkte fast schon ein wenig peinlich berührt. „Es ist nicht so, dass er Leute, die anders sind als andere ... sammelt ... aber es gibt viele Leute am Hof, die anders und speziell sind und sonst nirgendwo geduldet werden."
„Ihr meint, es gibt noch mehr spezielle Leute, die am Hof leben? Warum würde Euer Vater diese Leute dort leben lassen? Nur weil sie anders sind? Für mich sieht es so wie eine Sammlung aus", grummelte Haru nur. Er war noch immer schlechter Laune und es schien auch nicht besser zu werden.
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