Kapitel 14


„Das kann ich noch nicht sagen, da ich keine Ahnung habe, wie weit das nächste Dorf entfernt ist", meinte Akira ein wenig ratlos. „Als ich hierher kam, kam ich über einen anderen Weg. Dieser hier ist mir neu", erklärte er und hoffte, dass es ihm gelang, irgendwie zurück zur königlichen Hauptstadt zu gelangen.

„Yuna, wie weit war es nochmal bis in das Dorf, wo wir hinwollten? Und vor allem wie weit bis zum Meer?", wandte er sich an das Mädchen auf seinem Rücken. „Ihr müsst wissen, dass sie ungefähr weiß, wie lange wir brauchen werden."

Sezuna runzelte ein wenig die Stirn. „Wenn wir unser normales Tempo laufen könnten, würden wir heute abend am Dorf ankommen", meinte sie nachdenklich. „Aber da Akira verletzt ist und ich auch, würde ich mehrere Pausen einplanen, so dass wir eine Nacht draußen schlafen und am nächsten Tag etwa gegen Mittag im Dorf ankommen sollten. Bis zum Meer an sich sind es noch etwa vier Stationen und ungefähr 6 Tage."

„Da habt Ihr es gehört. Meine Schwester ist ein sehr kluges Mädchen, ohne sie wäre ich hoffnungslos verloren und ich hätte mich verlaufen", lächelte Haru und drückte Sezunas Beine ein wenig um ihr zu zeigen, dass es wirklich wahr war. „Ich denke auch, dass wir mehrere Pausen machen werden, damit Ihr Euch ausruhen könnt, Akira. Hoffentlich findet Ihr ein paar Reisende im Dorf."

„Auch für Euch sollten wir Pausen einlegen. Es ist sicherlich nicht so einfach, die ganze Zeit Eure Schwester zu tragen, auch wenn sie mir nicht den Anschein erweckt, sehr viel zu wiegen", meinte er höflich und nicht, als wolle er Sezuna mit dieser Aussage kränken. Viel mehr, als wäre er über Harus Kraft überrascht.

Hätte Haru eine Hand frei gehabt, hätte er abgewunken. „Ich bin es gewohnt. Yuna verletzt sich manchmal und ich habe sie schon als Kind oft und lange getragen", gab er zurück und ein weiteres Mal an diesem Vormittag verließen sie ihren Lagerplatz. „Sie ist leicht wie eine Feder, macht Euch keine Sorgen um mich."

Die Sonne schien und es war schön zulaufen, dennoch wollte er nicht unbedingt wieder an dem Platz vorbei. Da es aber keine andere Möglichkeit gab, blieb ihnen nichts anderes übrig. „Hast du es bequem, Yuna?", fragte er dann Sezuna.

„Ja", murmelte sie und hatte die Augen geschlossen, um nicht noch einmal die Grabstellen sehen zu müssen.

„Ich möchte euch trotzdem nicht zur Last fallen", gab Akira zurück. „Daher wäre es mit lieber, wenn wir Pausen machen, wenn es Euch beliebt."

„Wie gesagt, macht Euch keine Sorgen, ich bin nicht verletzt, Ihr seid es schon. Und Yuna. Zögert nicht, zu sagen, wenn Ihr Euch nicht gut fühlt", sagte Haru und auch er vermied nun den Blick auf die vergrabenen Menschen und Pferde. Er hoffte, dass es das letzte Mal war, so etwas gesehen zu haben. Auch wenn Haru sich äußerlich kalt und abweisend gab, so tat es ihm in der Seele weh, wenn Menschen starben.

Als sie schließlich an der Stelle vorbei waren, wurde der Weg wieder angenehmer. Allerdings wurde es nicht, wie erwartet kälter, sondern wärmer, was keinen wirklichen Sinn ergab. Auch die Landschaft veränderte sich ein wenig und aus dem saftigen Grün wurden bald Wiesen, die aussahen, als wären sie durch die Sonne verdorrt.

Sezuna betrachtete das Bild und wirkte nachdenklich. „In der Nähe ist eine Wüste", murmelte sie leise. „Aber wir sollten eigentlich gar nicht in die Nähe dieser Wüste kommen, weil wir dazu in die falsche Richtung laufen", erklärte sie und wirkte durchaus verwirrt.

„Wie meinst du das? Haben wir uns etwa verlaufen?", fragte Haru sie entsetzt. Oder war die Karte auf dem Markt falsch gewesen? Haru warf ihr einen fragenden Blick zu. In dem Moment wünschte er sich wieder einmal mehr, besser im Unterricht gewesen zu sein.

„Nein, wir haben uns mit ziemlicher Sicherheit nicht verlaufen", meinte sie und runzelte nachdenklich die Stirn. „Aber Wüsten können wandern. Nur dachte ich nicht, dass sie sich schon bis hierher ausgebreitet hat. Im nächsten Dorf würde ich gern die Leute danach fragen."

Nun nickte er, jedoch sah er verwirrt aus. Es war erstaunlich, wie schnell Sezuna Zusammenhänge erkannte.

Akira neben ihnen war schweigsam, deshalb fragte Haru ihn, ob alles in Ordnung war.

Dieser nickte. „Es gibt Gerüchte, dass es in den Wüstengebieten des Kontinents Probleme gibt und der Sand sich immer weiter ausbreitet und ganze Dörfer verschlingt", erklärte er langsam und schien in Gedanken versunken.

„Also breiten sich die Wüsten mehr und mehr aus und vertreibt die einheimische Flora und Fauna komplett?", fragte Haru, wobei die Frage an beide gerichtet war. Wenn das wirklich wahr war, dann würde es eines Tages hier wohl keine Wälder und Seen mehr geben. Diese Tatsache stimmte ihn traurig.

„Ja. Man kann sagen, dass sie sich verlagert. Je nachdem, ob die Umgebung das hergibt oder nicht. Aber in dieser Schnelligkeit sollte es eigentlich nicht passieren", antwortete Sezuna, bevor Akira zu Wort kam. Dieser schloss den Mund wieder und lauschte dem Mädchen.

„Wenn da nur nicht ein Magier dahintersteckt", murmelte Haru so leise, dass nur Sezuna das hören konnte. „Seid ihr zwei auf diesem Kontinent aufgewachsen und wisst ein wenig mehr darüber?", wandte sich Akira nun an das Mädchen.

„Ja, wir kommen von diesem Kontinent, aber ein wenig weiter weg. Ich interessiere mich nur sehr für Geschichte und Geografie, weshalb ich in solchen Dingen recht bewandert bin", erklärte Sezuna mit einem Lächeln, als wäre es das Normalste der Welt.

„Bei uns gibt es auch Wüsten, aber die sind relativ klein. Unser Kontinent besteht aus sehr viel Wald und Wiesen, aber auch Gebirge gibt es", erzählte Akira. „Da es hier keine Gebirge gibt, wäre das sicher sehr interessant für dich, nicht wahr?"

„Wir haben auch Gebirge", meinte Sezuna stirnrunzelnd. „Na ja, sie sind weiter weg und mehr Klippen als Gebirge. Aber ja, es wäre auf alle Fälle sehr interessant", stimmte sie Akira zu. „Woher kommst du denn?"

„Ich meinte mit Gebirgen richtige, imposante, die das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt sind", sagte Akira zu ihr und hielt einen Augenblick inne. „Von dem Kontinent, wo auch die königliche Hauptstadt liegt. Ich habe bereits zwei andere Kontinente erreicht, die sehr interessant waren."

„Ich persönlich würde mich ja auch für richtige Wüsten und Eiswüsten interessieren. Aber ich interessiere mich generell für alles", lachte Sezuna gut gelaunt und rieb ihre Wange ein wenig an Harus Haaren, als Akira nicht hinsah.

Haru lächelte leicht und drückte ihre Beine sanft, damit sie verstand, dass er es gespürt hatte. „Die gab es auf einem Kontinent ganz oben im Norden. Es war wirklich kalt, aber auch interessant zu sehen, wie die Menschen dort lebten. Viele waren es nicht, aber sie waren gut dafür ausgerüstet", erzählte Akira weiter.

„Davon habe ich gelesen", gab Sezuna fast schon stolz von sich. „Ich bin so gespannt, was wir alles noch sehen werden. Ich freue mich schon auf die Schiffsreise."

„Ihr zwei habt tatsächlich vor, die Schiffsreise anzutreten? Ich kann euch sagen, dass die manchmal nicht lustig ist, vor allem, wenn es stürmisch ist", gab Akira zurück und er wurde ein wenig blass. Es schien, als hätte er damit genügend Erfahrungen gemacht, die wahrscheinlich alles andere als gut gewesen waren.

Haru grinste nur, denn er würde sich wohl heilen können, wenn es ihm schlecht ging. Wobei er sich nicht sicher war, wie Sezuna auf eine Schiffsreise reagierte.

„Es gibt gute Kräutermischungen, die einem bei Übelkeit helfen können", meinte diese abwinkend.

„Wie ich bereits sagte, wärst du eine Bereicherung gewesen mit deinen Kenntnissen. So gut wie jeder war krank auf hoher See", erklärte der schwarzhaarige Mann ihr. „Aber es ist im allgemeinen gefährlich, wenn es sehr stürmisch ist. Man kann vom Schiff fallen, sich verletzen und so weiter", fuhr er fort und sah Haru dabei an, als wollte er wissen, was er davon hielt.

„Kann alles sein. Da wir jedoch noch nie auf einem Schiff waren, werden wir es wohl herausfinden, wie wir darauf reagieren, nicht wahr Schwesterherz?", sagte Haru dann.

„Ja, wobei ich davon ausgehe, dass es mir schlechter gehen wird als dir", lachte sie und tätschelte Harus Kopf. „Ich bin ja nicht ansatzweise so stark wie du."

„Mit dir als Schwester muss man stark sein", grinste er zweideutig und fuhr fort, dass es nichts mit Stärke zu tun hatte, ob man Seekrank wurde oder nicht.

„Ich meine damit auch eher, dass du dich wahrscheinlich durch den Wellengang nicht durch die Gegend schleudern lassen wirst", meinte sie nüchtern. „Ich werde mir wohl den ein oder anderen blauen Fleck holen, wenn starker Wellengang ist."

„Vergiss es, solange ich dich halte, wird das nicht passieren", versicherte er ihr und ignorierte Akiras neugierigen und fragenden Blick.

Sezuna lachte leise und hätte Haru am liebsten geküsst, doch Akira starrte sie an.

„Seid ihr zwei wirklich Geschwister? Ihr seht so ... vertraut miteinander aus. Wie ein junges Liebespaar", stellte er fest, als er die beiden so Lächeln sah.

Sezuna hob den Kopf und lächelte Akira an. „Du hast keine Geschwister oder?", fragte sie und wirkte so, als wäre es normal.

Der schwarzhaarige Mann schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht mehr. Meine Schwester ist vor einiger Zeit bei einem Unfall ums Leben gekommen", sagte er leise mit Trauer in der Stimme.

„Das tut mir leid", meinte Sezuna mitfühlend, fühlte sich gleichzeitig aber auch unwohl, weil er scheinbar erraten hatte, dass sie keine Geschwister waren.

Haru hingegen sagte nichts, denn er wollte nichts preisgeben, solange er nicht wusste, was mit dem Mann nicht stimmte. „Wenn ihr keine Geschwister seid, ist es doch nicht schlimm zu sagen. Wovor habt ihr Angst, wenn ihr euch verstellen müsst?", fragte Akira die beiden. Zwar hatten sie es noch nicht zugegeben, aber Akira hatte die beiden genau beobachtet, wie sie miteinander umgingen.

„Nun, ich schätze aus dem selben Grund, warum du uns nichts genaueres über dich sagst", konterte Sezuna mit einem sanften Lächeln.

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