Kapitel 87
"In Ordnung", murmelte sie. Wenn er sich nicht zu ihr legte, würde sie sich eben auch nicht hinlegen, weil sie seine Nähe haben wollte. Ohne fühlte sie sich so verloren und einsam.
"Ich werde das Essen warm halten, damit du später wieder essen kannst, wenn du Hunger verspürst", meinte der Magier und ließ sie los, um aufzustehen.
Sezuna gab einen quengelnden Laut von sich, hielt ihn aber nicht davon ab.
Der Junge mit den grauen Augen nahm ihr das Tablett ab und stellte es zurück auf den Wagen, bevor er einen Warmhaltezauber aussprach. Erst dann schob er ihn dicht neben das Bett, damit sich Sezuna Essen nehmen konnte, wenn es ihr danach beliebte.
Haru stellte sich mit verschränkten Armen an das Fenster und starrte in die Dunkelheit, die von den Lichtern der Stadt erträglich gemacht wurde. Dort ging alles seinen gewohnten Gang. Ob sie bereits wussten, was geschehen war? Schließlich hatten sie den Drachen nicht gesehen und da der Park auf der anderen Seite des Schlosses umringt von hohen Mauern lag, war es unwahrscheinlich, dass sie die Ankunft des Prinzen und seiner Frau mitbekommen hatten.
Es dauerte nicht einmal wenige Sekunden, bis der Magier wieder komplett in seinen düsteren Gedanken verloren war. Sein Gesicht wurde hart und kalt wie Stein, der warme Ausdruck in seinen Augen war verschwunden.
"Haru. Komm zu mir. Bitte", erklang eine fast achon klägliche Stimme aua der Richtung des Bettes. Sezuna konnte nicht beschreiben wie sehr es si achmerzte, ihn so zu sehen.
Es dauerte einen Moment, bis der Junge überhaupt reagierte. Sein Spiegelbild reflektierte sein Gesicht, sodass Haru zuerst versuchte, anders auszusehen. Nicht, dass sie wieder Angst bekam. Der Blonde hatte gespürt, dass sie sich nicht wohl fühlte und er wollte nicht, dass sie dachte, er würde sie nicht mehr wollen.
Erst dann drehte er sich langsam zu ihr um und sah Sezuna, die im Bett saß und ihn flehend ansah, für einen Moment an. Mit verschränkten Armen stand er noch da und kämpfte noch mit sich, sein Gesicht zu glätten, damit es ihr keine Angst mehr machte.
Sie hob die Hand. "Du musst dich nicht zwingen. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht", sagte sie und schien nach ihn greifen zu wollen, bevor sie die Hand jedoch senkte.
Er sah es als eine Aufforderung, zu ihr zu kommen. Mit langsamen Schritten kam der Blonde auf sie zu und setzte sich auf die Bettkante, allerdings mit dem Rücken zu Sezuna. Langsam ließ er seinen Kopf in seine Hände sinken und starrte auf den Teppichboden.
"Du solltest schlafen", sagte er leise zu ihr, ohne sie anzusehen. Nach all dem, was passiert war, brauchte sie Erholung. Vor allem nach seiner Heilung, denn sie war noch immer blass und geschwächt. Der Stärkungstrank würde zwar teilweise helfen, aber nur Schlaf und Ruhe würden das Übrige tun.
Ihre Hand fuhr über seinen Rücken und streichelte ihn. "Nicht ohne dich."
"Ich ...", begann der Blonde, beendete seinen Satz jedoch nicht. Es brachte nichts, ihr zu sagen, dass er weder schlafen wollte, noch konnte. Sie sollte ihn gut genug kennen, dass es nicht half, wenn er sich dazu zwang.
Außerdem hatte er Angst. Angst davor, in dem Alptraum gefangen zu sein, der ihn gerade in die Tiefe zog.
Sezuna erhob sich ein Stück, um seinen Rücken zu küssen. "Rede mit mir", bat sie. "Ich werde auch nicht diskutieren. Ich möchte nur wissen, was dich bedrückt."
"Versprichst du es mir? Auch, dass du nicht versuchst, mir etwas einzureden, was nicht wahr ist? ", fragte er sie. Es lag nicht in ihrer Art, nicht zu diskutieren, deshalb konnte er es auch nicht ganz glauben.
"Ja. Ich verspreche es", sagte sie. Sie würde nichts sagen. Nicht jetzt. Später würde sie eine Möglichkeit finden ihn aus seiner Dunkelheit zu holen, bevor er sie mitnehmen konnte. Sonst würden sie beide darin ertrinken.
Ob er wusste, wie kurz davor er im Bad gewesen war, sie ihr inneres Gleichgewicht verlieren zu lassen? Wahrscheinlich nicht.
Es dauerte einen Moment, bis Haru begann, zu sprechen. Er erzählte ihr davon, was für ein Versager er war, der nicht einmal Menschen beschützen konnte. Selbst wenn die Krieger ihm nicht so sehr am Herzen gelegen hatten, sie waren dafür da gewesen, den Prinzen und seine Frau zu schützen. Und dadurch, dass sie gestorben waren, war die Gefahr größer gewesen, dass ihnen etwas passiert.
Haru war dafür verantwortlich gewesen, die Anhänger so auszustatten, damit niemand sterben würde. Sie vor allem beschützen zu können, da sie sich nicht gegen Magier wehren konnten. Auch wenn Akira das nie verlangt hatte, aber er selbst hatte sich das auferlegt, damit alle gesund nach Hause kommen und mit ihren Familien vereint sein konnten.
Und er war auch dafür verantwortlich gewesen, die Gruppe zu beschützen. Alles war außer Kontrolle geraten, er hatte seine Wut nicht im Zaum halten können, was ebenfalls zu den Opfern geführt hatte. Wenn Haru sich kontrolliert hätte und schlau gewesen wäre, würden sie alle wieder hier sein. Durch seine Unüberlegte Art waren Menschen gestorben.
Auch das, dass er Sezuna aus ihrer Konzentration gerissen hatte, als sie alleine gegen den Puppenspieler gekämpft hatten, belastete ihn. Weil Haru einfach nicht warten konnte, sondern immer ständig Leute beschützen musste.
Die Opfer waren unnötig gewesen und es hätte bestimmt einen Weg gegeben, das zu verhindern, wenn er nicht so ungeduldig gewesen wäre. Der Blonde hatte alle enttäuscht, das wusste er. Nicht nur mit den Anhängern, sondern auch sie zu beschützen und für sie zu kämpfen. Man hatte sich auf ihn verlassen, und doch hat er seine Aufgabe nicht erfüllt. Also hatte er auf ganzer Linie versagt.
Aber es war auch Berucas, der ihn dem Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Schon damals hatte er bei ihm ein schlechtes Gefühl gehabt. Aber die Drohung, die er ausgesprochen hatte, belastete ihn sehr. Haru wusste, dass er nur auf die Gelegenheit warten würde, sich für den Tod seines Bruders zu rächen. Der Blonde bedauerte es, dass er nicht alle auf einen Schlag umgebracht hatte.
Und dann die Heilung von Sezuna. Es hatte ihm so weh getan, sie so zu sehen. Ihr Leben für die anderen geopfert zu haben und ihn beinahe alleine gelassen hätte. Vor allem, da sie nicht gut auf magische Heilung reagierte, hatte er sich dazu zwingen müssen, es überhaupt zu tun. Die Panik, die über ihn gekommen war, als sie näher am Tod als am Leben gewesen war.
Die Wut und Enttäuschung über sich selbst, dass er ein Versager war, riss ihn in die Tiefe. So vieles hätte verhindert werden können, wenn er besser gearbeitet hätte. Aber nein, er hatte es nicht getan und somit hatte es unnötige Opfer gegeben, die man leicht hätte verhindern können. Haru war unheimlich wütend auf sich selbst, dass er das Gefühl hatte, er verdiene es nicht, jemanden wie Sezuna zu haben. Er wollte genauso leiden wie die, die gestorben waren, damit er sich besser fühlte. Und selbst das half nicht. Die innere Leere, die er verspürte riss ihn in eine Spirale der Verzweiflung, Hass, Wut und Trauer. Er wollte auch nicht mehr hier bleiben, sondern weit fort. Er konnte Akira nicht einmal mehr in die Augen sehen.
Während er sprach, rannen die Tränen aus seinen grauen Augen und brannten auf der Lippe, die durch das ständige Nagen bluteten. Das bekam er allerdings nur am Rande mit. "Ich will nicht, dass du mir sagst, es wäre nicht meine Schuld. Weil es meine ist!", schluchzte er und vergrub seinen Kopf noch mehr in den Händen.
Sanft zog Sezuna seine Hände weg und drückte ihm trotz des Blutes und der Tränen einen langen, liebevollen Kuss auf die Lippen. "Ich liebe dich trotzdem", flüsterte sie, bevor sie ihn in ihre Arme zog und einfach nur hielt.
„Ich weiß", sagte er heiser, als er in ihren Armen war. Er zweifelte nicht daran, dass sie ihn nicht mehr liebte. Harus Liebe zu ihr war genauso stark. Und trotzdem ... Ein Loch in der Erde hatte sich unter ihm aufgetan, was ihn verschluckte.
"Ich finde auch nicht, das du ein Versager bist", sagte sie leise. "Nicht für mich", konkretisierte sie, damit er wusste, dass es ihre Sicht auf ihn war. "Egal, ob du das für dich entscheidest, oder nicht. Für mich wirst du niemals ein Versager sein. Nicht, wenn du dein Bestes gegeben hast und das hast du in meinen Augen."
Das Gefühl hatte er selbst nicht. Egal, wie viel Arbeit er in die Anhänger gesteckt hatte, es hatte nicht gereicht. Selbst wenn er für sie kein Versager war, er fühlte trotzdem so und das konnte er nicht ändern.
Sezuna hielt ihn und streichelte ihn. "Du bist kein Gott", flüsterte sie leise. "Das sind wir alle nicht. Keiner von uns hat mit so starken Gegnern gerechnet und ich muss gestehen, dass ich zwischenzeitlich nicht mehr damit gerechnet habe, dass wir dort lebend rauskommen."
"Dann wären wir wenigstens alle untergegangen ...", erwiderte Haru frustriert und knurrte deswegen. Es war eine Belastung für ihn, mit der er nicht fertig wurde. Selbst wenn er die beiden Krieger nicht umgebracht hatte, so lag die Schuld einfach bei ihm.
"Ich möchte weg von hier", bat er sie leise.
"Ich weiß nicht, ob ich eine Reise in meinem jetzigen Zustand schaffe", gestand sie leise, doch sie würde mit ihm gehen. "Vielleicht kann uns der Drache abholen", murmelte sie leise. Für sie brauchten sie unbedingt einen Namen.
"Dann warten wir, bis es dir besser geht", beschloss Haru, obwohl er es mehr als eilig hatte, von hier wegzukommen. Der Blonde wollte keinem mehr ins Gesicht sehen müssen und es war besser, wenn er einfach verschwand. "Zuerst musst du dir aber noch dein Kleid aussuchen ...", flüsterte er heiser. Vielleicht war es besser, wenn sie zurück nach Fenua gingen, um mit Eric und seiner Familie Hochzeit zu feiern. Und von dort aus vielleicht irgendwo anders hin.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top