Kapitel 82

Sie zog die Hand zurück, als hätte er sie geschlagen. Diese abweisende Geste traf sie hart und trieb ihr die Tränen in die Augen.

„Tut mir leid ... ich ... kann nur gerade nicht anders ...", entschuldigte er sich leise. Es lag nicht an Sezuna, sondern daran, dass er alle und vor allem sich selbst enttäuscht hatte. Haru konnte nicht damit umgehen und er wollte nicht für etwas belohnt werden, was er nicht getan hatte. Und Sezunas Berührungen fühlten sich immer für ihn so an.

"Haru", flüsterte sie leise. "Ohne deine Magie, wäre das unmöglich gewesen", erklärte sie. Sie wusste, dass er es anders sah. Allerdings würde sie so lange auf ihn einreden, bis er es verstand.

„Deinem Kind geht es gut und deine Verletzungen habe ich geheilt", sagte er plötzlich und wechselte das Thema. Gedankenverloren starrte er geradeaus, als er das sagte. Er fügte noch hinzu, dass sie sagen sollte, wenn sich etwas anders anfühlen sollte. „Es tut mir leid, an dir Magie angewendet zu haben."

"Das war das einzige, was du tun konntest", flüsterte sie, da sie gespürt hatte, wie sehr es ihr geschadet hatte. Sie wäre elendig zu Grunde gegangen, wenn er nichts getan hätte. "Es tut mir leid, dass ich dich dazu gezwungen habe."

„Es blieb nichts anderes übrig", murmelte Haru unglücklich. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn das gar ich erst passiert wäre.

"Ich weiß. Deswegen tut es mir leid, dass ich dich dazu gezwungen habe, etwas zu tun, was du nicht wolltest", flüsterte sie. Dabei ging es ihr mehr darum ihre Stimme zu schonen, als leise zu sein.

Er drückte sie als Antwort, schwieg jedoch und starrte geradeaus. Noch immer lag Sezuna wie ein Kind in seinen Armen, so weit es ging weg von den anderen, die sich leise unterhielten. Harus Lippe begann, durch das ständige Kauen blaue Flecken zu bekommen, doch das interessierte ihn nicht. Das Blut, welches immer wieder austrat, saugte er auf. Der Junge mit den grauen Augen war nervös, wütend und traurig zugleich.

Erneut hob sie mühsam die Hand. "Tu dir bitte nicht selbst weh", bat sie mit einer Stimme, die deutlich machte, wie sehr es sie schmerzte, ihn so zu sehen.

„Was?", fragte er erstaunt und warf ihr einen fragenden Blick zu. Nie bemerkte er, wenn er das tat und jetzt erst recht nicht. Haru spürte nicht einmal Schmerzen oder schmeckte das Blut.

"Deine Lippen", erklärte sie leise und als würde ihr der Anblick wirklich zusetzen.

Verwirrt sah er auf und hob seine Hand an die Lippe. Als er das Blut sah, schien es, als würde er nachdenken, ließ sie dann jedoch wieder sinken. Im Moment war ihm alles egal, solange Sezuna lebte. Haru empfand es als Genugtuung, wenn er verletzt war, auch wenn es niemanden mehr zurückbrachte. Die seelischen Narben von den Kriegern würde bleiben. Dabei wusste er, dass Krieger immer eine Wahrscheinlichkeit hatte, im Kampf für das Königreich zu sterben. Und doch wollte er es nicht wahrhaben.

Erneut fuhren Sezunas Finger über seine Lippe und er spürte den sanften Zauber, der sich darauf legte.

„Schone deine Kräfte. Du bist noch lange nicht wieder gesund", mahnte er sie leise. Und das würde wohl noch lange Zeit so sein. So viel Magie, wie er bei ihr eingesetzt hatte.

"Ich mag es nicht, wenn du verletzt bist", brachte sie wie ein bockiges Kind hervor.

Er wollte schon protestieren, schwieg dann jedoch lieber. Es brachte nichts, sich jetzt wegen solchen Dingen zu streiten. Sie waren in solchen Dingen immer verschieden.

Haruto, der mitbekommen hatte, dass Sezuna aufgewacht war, kam behutsam herüber, setzte sich aber jedoch ein Stück weiter entfernt von ihnen weg.

Er hatte beobachtet, wie Belynia nicht zu nahe gekommen ist, vermutlich weil Haru es nicht erlaubt hatte. „Wie geht es dir Sezuna?", fragte der Arzt sie leise.

"Es ist in Ordnung", murmelte sie, wobei sie allerdings nicht ganz die Wahrheit sagte. Haru gegenüber würde sie ehrlich sein, aber nicht Haruto. Auch wenn er ein Heiler war, so war es ihr unangenehm zuzugeben, dass sie sich selbst so sehr verletzt hatte, dass ihr selbst das Atmen schwerfiel.

„Danke, dass du uns gerettet hast. Auch wenn du beinahe dein Leben dafür verloren hast", flüsterte der Heiler ihr zu. Ihr war anzusehen, dass es ihr nicht gut ging. Aber er ging davon aus, dass es an den Nachwirkungen der Heilung und Verletzungen lag. Nur die Zeit würde helfen, dass sie wieder komplett in Ordnung war. Genau wie bei Aino.

"Wie geht es den anderen?", wollte sie leise wissen. "Ich habe euch gehört", fügte sie dann hinzu.

„Hast du? Alles?", fragte Dais Leibarzt erstaunt. Trotzdem sagte er, dass es den anderen den Umständen entsprechend gut gingen. Nur Aino schlief noch und sie würde zurückgetragen werden müssen.

"Alles nach der Heilung", bestätigte sie wenig erfreut. "Ich konnte mich nur nicht bewegen", murmelte sie und klang verärgert. In dem Moment hatte sie sich so hilflos gefühlt.

„Gut, ich denke es ist das beste, wenn du alles weißt." Das war Harutos Meinung, denn dabei konnten keine Tatsachen mehr verdreht werden. Allerdings konnte er verstehen, dass es nicht einfach für sie gewesen war, nichts tun zu können. „Deine Kette hat dich beschützt", bemerkte er noch. Es war ein Glück gewesen, dass diese noch schlimmeres verhindert hatte.

Sezuna drehte sich ein wenig zu Haru, auch wenn es nur ihr Kopf war. "Sie hat angeboten uns zurückzufliegen, da wir ihr Territorium befreit haben", murmelte sie leise und hoffte, dass Haru verstand, was sie meinte.

„Wer?", fragte der Blonde gedankenverloren, als hätte er nicht zugehört. Erst langsam wurde ihm bewusst, dass sie wohl den Drachen meinte. Er schüttelte den Kopf. „Ich werde mit den anderen gehen. Gerade wegen Aino. Sie muss so schnell wie möglich zurück", entgegnete er ihr. Es war nicht möglich, dass sie alle auf dem Drachen reiten konnten. Vor allem weil der Drache die anderen nicht kannte.

"Es bezog sich auf uns alle", erklärte Sezuna noch einmal. "Oder eben nur die Verletzen."

„Dann du und Aino." Das war alles, was er sagte. Die zwei waren die am meisten verletzten Personen gewesen. „Und Belynia und Haruto", fügte er noch hinzu. Dann gab es wenigstens einen Heiler.

"Akira und du?", fragte sie leise.

„Akira kann noch mit", meinte er. Dann wären die wichtigsten Personen wieder zuhause und in Sicherheit.

"Was ist mir dir?", fragte Sezuna erneut. Ohne Haru würde sie sich nicht vom Fleck bewegen.

„Ich gehe mit den anderen", beharrte er. Der Blonde vertraute Haruto genug, ihn mit Sezuna alleine zu lassen. Aber die anderen Krieger brauchten jemanden, der sie begleitete. Wobei auch noch Myron dabei war. Ihm ging es von allem am besten, obwohl er gekämpft hatte.

"Ich bleibe bei dir", beharrte sie. Sie würde sich nicht von ihm trennen lassen.

„Du musst zurück, damit du dich erholen kannst", gab Haru trotzig zurück.

„Würde euer Drache denn auch zweimal fliegen? Dann müsste keiner zurücklaufen ...", schlug der Arzt vorsichtig vor, der ihnen zugehört hatte. Er hatte den Drachen nicht gesehen und wusste nicht, wie groß und stark dieser war. Ob er alle auf einmal transportieren konnte oder nicht.

"Das habe ich mir auch schon überlegt", murmelte sie. "Aber Haru und ich müssten wohl mitfliegen."

„Ich bin mir sicher, dass es für alle das beste wäre. Der Weg ist beschwerlich und wir sollten keine Zeit verschwenden, die Verletzten und auch dich wieder zurückzubringen", meinte Haruto nachdenklich.

"Dann müssen wir sie fragen", murmelte Sezuna leise und legte eine Hand an Harus Brust. Sie selbst war nicht in der Lage sich zu bewegen.

Haru stand auf, als wäre das ein Befehl gewesen und ging an den anderen wortlos vorbei, auch wenn Akira fragte, wohin sie gingen. Der Arzt würde es bestimmt erklären.

Er vermied den Blick von den anderen, vor allem den des Prinzen, den er enttäuscht hatte. Auf dem Weg zu der Drachendame verließ er den Wald, um außen herum zu laufen.

Diese schien bereits gewartet zu haben und hockte auf einem Felsen. Erneut war sie so mit dem Hintergrund verschmolzen, dass man sie nicht erkannte, wenn man nicht wusste, dass sie dort war.

Sobald sie dort angekommen waren, brachte er Sezuna nah genug an sie heran, sodass sie diese berühren konnte. Die ganze Zeit über hatte Haru geschwiegen und geradeaus gestarrt. Dabei war er trittsicher gewesen und nichts war passiert.

Er erhielt als Begrüßung eine Ladung Rauch, die ihn kurz einhüllte, Sezuna aber verschonte.

Diese hob mühsam die Hand und legte sie an die Nüstern des Drachens, während diese Haru mit ihren großen Augen fast totstarrte.

Das fiel ihm nicht einmal auf. Gedankenverloren starrte er vor sich hin, vermied jeden Kontakt mit dem Drachen, da er einfach keine wollte. Nicht nur der Drache war wahrscheinlich mehr als enttäuscht. Es wäre eine Belohnung, wenn er zurückfliegen würde. Für was? Für sein Versagen?

Er bemerkte nur am Rande, dass sich Sezuna und der Drache wohl unterhielten.

Es dauerte eine Weile, bis sich Sezuna von ihr trennte. "Sie würde uns zurückbringen", sagte sie leise. "Sie fliegt mehrmals so nah ans Schloss heran, wie es geht. Aber sie will, dass du dabei bist, damit auch niemand runterfällt."

„Ich werde nicht fliegen!", fauchte Haru zornig und starrte den Drachen sogar feindselig an. Haru kam damit nicht klar, dass ihm jemand gutes tun wollte. Für was? Sein Versagen? Seine Ungeduld und Wut? Wenn es jemand verdiente, dann war es Sezuna mit ihrem Wissen.

"Du hast es gehört. Er möchte lieber, dass deine Passagieren herunterfallen", meinte Sezuna nüchtern, aber laut genug, dass Haru es hören konnte.

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