Kapitel 62
"Lebt er noch?", fragte Haru und beugte sich zu ihr hinab. Er war stolz auf die Rothaarige, denn sie hatte bewiesen, dass Kraft alleine nicht ausreichte. Das war für den Magier ein großer Nachteil, da er nicht über so viel Wissen wie sie verfügte.
"I-Ich weiß nicht", stammelte sie und die Vorstellung, dass sie vielleicht jemanden getötet hatte, sorgte dafür, dass ihr schlecht wurde und ihre Glieder sich plötzlich bleischwer anfühlten. Das Adrenalin, das sie auf den Beinen gehalten hatte, ließ nach.
"Spürst du ihn noch?", fragte er drängend, denn er ging davon aus, wenn er noch am Leben war, konnte der Kampf noch nicht vorbei sein. Seine Hand fuhr dabei beruhigend über ihren Kopf. Jemanden zu töten war nie ein angenehmes Gefühl, das wusste Haru nur zu gut. Dennoch war es gerade jetzt wichtig zu wissen, ob der Feind noch da war oder nicht.
Sezuna streckte ihre Sinne aus und versuchte unter den Puppen etwas Lebendes zu entdecken. Doch da war nichts, also schüttelte sie vorsichtig den Kopf. Die Explosion konnte er auch kaum überlebt haben. Zumindest nicht, wenn der Schmetterling ihn direkt getroffen hatte.
Erst dann ließ sich Haru auf den Boden gleiten und lehnte sich an sie. "Erinnere mich daran, keine Puppen in das Haus zu lassen, falls wir ein Mädchen bekommen", versuchte er zu scherzen. Sonst würde das Kind womöglich damit auch noch anfangen und auf eine Wiederholung hatte es Haru definitiv nicht abgesehen.
Sezuna lachte leise, aber kraftlos. "Es wäre eine gute Möglichkeit sie dazu zu bringen, sich selbst zu verteidigen", meinte Sezuna, die das gar nicht schlimm fände.
"Lass das. Keine Puppen im Haus. Sie kann mit Regenwürmern spielen", beharrte Haru erschöpft. Erst jetzt fühlte er, dass die Steinhände ihn leicht verletzt hatten. Dennoch machte er keine Anzeichen, da er Sezuna nicht verärgern wollte. Aber auch, dass sie sich keine Sorgen machte.
Diese atmete tief durch und wandte sich dann Haru zu. "Bist du verletzt?", fragte sie vorsichtig und sanft, weil sie Angst hatte, dass er sich bei ihrer Verteidigung vielleicht verletzt haben konnte.
Manchmal kam es ihm so vor, als konnte sie Gedanken lesen. Das ärgerte Haru, da er nichts vor ihr geheim halten konnte. "Nur leicht. Nichts schlimmes", gab er deshalb widerwillig zu. Dass sein Brustkorb brannte, verriet er nicht. Es fiel ihm schwer, richtig tief zu atmen. Um sie nicht zu sorgen, schloss er seine Augen und begann, sich von innen heraus zu heilen. Allerdings wurde er missmutig, denn das zeigte ihm, dass er sein Training viel zu lange vernachlässigt hatte.
Sezuna streichelte seinen Arm und schien beruhigt, da er begann sich zu heilen. "Was machen wir jetzt?", fragte sie, weil sie zu erschöpft war, um gleich weiter zu gehen.
"Wir müssen weiter", bestimmte er nach ein paar Minuten. Tief atmete Haru ein und aus, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung war. "Du kannst aber auf meinen Rücken. Vielleicht ist das sogar besser", schlug er ihr vor, während er das Chaos um sie herum betrachtete. Der gesamte Raum war mit den Marionetten übersät.
"Nur ... wohin gehen wir?", fragte der Blonde sie. Bestimmt hatten sich die Wände wieder verschoben. Jetzt, nachdem sie diesen Kampf überstanden hatten, wurde seine Sorge um Akira wieder präsenter und drückte sich in den Vordergrund. Das hier war nicht alles gewesen, das wusste er.
Sezuna nah sich um, während sie versuchte wieder zu Atem zu kommen. "Dort hinten sind Türen. Lass uns da nachsehen", sagte sie und versuchte sich mühsam zu erheben.
Haru war schneller als sie und kniete sich vor Sezuna hin, damit sie auf seinen Rücken krabbeln konnte. So hatte sie wenigstens Zeit, sich zu erholen. Es war klar, dass der Kampf an ihr gezehrt hatte. Hoffentlich ging es auch dem Kind gut.
Ohne etwas dazu zu sagen, kletterte sie auf seinen Rücken und hielt sich an ihm fest. Am liebsten würde sie die Augen schließen und schlafen, so erschöpft fühlte sie sich. Doch sie wusste, dass sie das jetzt nicht konnte.
"Zeigst du mir den Weg?", bat der Magier sie und stand auf. Auf wie viele Magier sie wohl noch treffen würden? Ob die anderen mit ihnen genauso zu tun hatten? Sie würden sich wohl nicht wehren können.
Mühsam deutete Sezuna auf eine Wand, an der es Türen gab. "Dort", murmelte sie erschöpft.
"Und welche?", fragte er sie, da es mehrere gab. Vielleicht steckten in einigen unangenehme Überraschungen. Mittlerweile traute Haru den Magiern alles zu. Sie waren stets für solche Dinge gut.
Er spürte ihr Schulterzucken auf seinem Rücken. "Keine Ahnung, wir müssen wohl nachsehen", murmelte sie. Allwissend war sie immerhin nicht.
Hatte sie gerade etwa wieder ihre Stimmungsschwankungen? Sonst versuchte sie doch auch ständig, alles herauszufinden. Da sie aber vermutlich wirklich erschöpft war, wollte er ihr eine Pause gönnen und nahm es einfach so hin. Entschlossen stapfte er auf die erste Tür zu, die er jedoch in einigem Abstand öffnete.
Sezuna hatte Mühe ihre Augen offen zu halten und obwohl sie neugierig war, fiel es ihr schwer, sich auf irgendwas zu konzentrieren. Zu viel Magie hatte sie durch ihren Körper geleitet und auch ihre Arme fühlten sich schwer und matt an.
Ein dunkler Flur lag vor ihnen, wobei man nicht sehen konnte, ob es ein Ende hatte, oder ob es ein kleiner Raum war. Deshalb ließ Haru eine Lichtkugel dorthin schweben, um zu sehen, was es wirklich war.
Mühsam versuchte Sezuna ihre Augen offen zu halte, doch es war, als würde ihr Körper herunterfahren. Sie schaffte es einfach nicht mehr. "Haru, ich glaub ich schlaf ein", murmelte sie, weil sie sich nicht dagegen wehren konnte.
"In einer guten oder schlechten Weise?", fragte er leicht panisch. Haru warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Verdammt, er war alleine. Wenn sie wirklich schlafen würde, konnten sie nicht weitergehen, um den anderen zu helfen. Was alles noch verschlimmerte, denn er war sich sicher, dass der Prinz und die Krieger Hilfe brauchten.
Kalte Panik breitete sich in seinem Körper aus. Brauchte sie vielleicht Magie von ihm? Bestimmt hatte sie diese, welche in den Steinen gespeichert gewesen war, verbraucht.
"Mein Körper fühlt sich einfach so erschöpft an", gestand sie. "Und mein Geist auch", murmelte sie und gähnte.
"Dann schlaf ein wenig. Ich lade dir trotzdem deine Steine auf. Kannst du sie an meine Wange halten?", bat er sie leise. Wenigstens war sie dann für den nächsten Kampf ein wenig gewappnet.
Sezunas Bewegungen waren träge und langsam, während sie die Steine aus ihrem Oberteil holte und sie Haru an die Wange hielt. Nachdem sie die Steinhexe wieder getroffen hatten, war auch ihr Erbstück zurück an seinem Platz und half ihr nun, sich zu schützen.
Der Magier lehnte sich ein wenig gegen die kühlen Steine und ließ Magie in sie fließen. Er war sich unschlüssig, ob er weitergehen oder warten sollte, bis Sezuna wieder aufwachte. Allerdings rannte ihnen auch die Zeit weg. Das Problem für ihn war, dass er nicht wusste, wohin er gehen musste.
Und wahrscheinlich würden sie sich verlaufen, sobald Sezuna den Faden verlor, weil sie Ruhe brauchte. "Kennst du einen Zauber, der mich wach halten würde?", fragte sie leise, weil sie schon selbst versuchte sich mit Magie zu stärken, doch es wirkte nicht. Dabei konnte sie es sich nicht leisten, zu schlafen.
"Ja, aber du weißt doch, wie ungern ich Magie bei dir einsetze!", jammerte er leise. Der Junge wusste nicht, was er tun sollte. Sezuna reagierte immer sehr empfindlich auf Magie, sodass er keine bei ihr einsetzen wollte, wenn es nicht sein musste. Das würde sie nur noch fertiger machen.
"Dann bring ihn mir bei, so dass ich ihn selbst einsetzen kann", murmelte sie. "Oder gib mir einen Trank oder irgendwas", brachte sie undeutlich hervor, aber Angst schwang in ihrer Stimme mit. Sie hatten nicht die Zeit zu warten, bis sie wach wurde und weiter gehen konnte er auch nicht, ohne dass sie sich verlaufen würden.
"Spreche die Worte: Asitun maranga und lasse sie durch deinen Körper fließen", leitete er sie an. Der Zauber war nicht schwer und sollte ihr helfen, noch ein wenig durchzuhalten. Einen Trank hatten sie nicht dabei, denn diese Begegnungen waren etwas gewesen, was sie nicht hatten planen können.
Sezuna runzelte ein wenig die Stirn. "Worte allein haben überhaupt keine Wirkung", murmelte sie. "Du musst mir schon dazu sagen, was meine Magie tun soll", flüsterte sie und fragte sich, ob das der Grund war, warum Haru so schlecht in Theorie war. Weil er wirklich nur die reinen Worte sprechen musste, damit die Zauber das taten, was er wollte. Dabei war Magie gar nicht so einfach.
"Ich glaube, es ist einfacher und schneller, dir einen Trank zu machen", seufzte der Blonde. Wie sollte er ihr das erklären? Für ihn war es einfach, die Worte auch in Taten umzusetzen, aber wie es genau funktionierte, konnte Haru nicht sagen. Es war ein Gefühl, dem er folgte.
Der Blonde ließ Sezuna wieder auf den Boden ab und begann, Kräuter aus dem Rucksack zu suchen. Vakandi, ein graues Kraut, das eher an die Borsten eines Besenstiels erinnerten, war seine erste Wahl. Dazu kamen Dorma, kleine grüne Blütenblätter, die den bitteren Geschmack abmildern sollte.
Haru setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, den er mit einer Handbewegung von den Marionetten befreite und erschuf eine winzige Wolke, damit er Wasser bekam. Dieses fing er geschickt in einer Tasse auf, die er mit Magie erhitzte und legte die Kräuter hinein.
Sezuna lehnte an der Wand des Raumes und atmete langsam und leise. Ein deutliches Zeichen, dass sie bereits eingeschlafen war.
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