Kapitel 108
"Oh, na gut", meinte sie, als wäre es nicht so schlimm und musterte Haru. "Darf ich dich massieren?"
„Brauchst du nicht. Ich mache dir erst einmal den Trank und besorge dir dann etwas zum Essen, solange du ihn trinkst", bot er ihr müde lächelnd an.
Sezuna lächelte. "Danke", murmelte sie und hoffte wirklich, dass der Wagen vor der Tür stand. Sie wollte nicht, dass Haru herausfand, was draußen los war.
Schweigsam bereitete er ihr den Trank zu. Das dauerte nicht wirklich lange, sodass Sezuna schon bald das warme Gebräu in den Händen hielt.
Er gab ihr einen kurzen Kuss und verließ dann das Zimmer. Da er nicht sofort zurückkam, schien kein Wagen draußen gestanden zu haben.
Sezuna setzte sich samt Trank auf das Bett und roch daran. Sie wusste nicht, ob sie vielleicht noch ein wenig Honig hineinmachen sollte oder nicht.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Haru wieder mitsamt Wagen auftauchte. Sein Gesicht sprach Bände, als er diesen in das Zimmer schob. „Frühstück", sagte er mit seltsamen Ton.
Sezuna wusste sofort, dass es irgendwie von dem mitbekommen hatte, was draußen los war. "Haru?", fragte sie leise.
„Hm? Die Köchin hat dir den extra Tee gemacht, falls dir übel wird", meinte er abweisend und stellte es neben ihr ab, bevor er sich wieder dem Modell, das noch immer kaputt auf dem Tisch lag, wieder zuwandte. Besser ablenken, war seine Devise.
Sezuna schloss kurz die Augen, bevor sie den Stärkungstrank von Haru nahm und dann das Essen so zu ihm schob, dass sie sich zu ihm setzen konnte. Dazu nahm sie sich einen Stuhl und schob ihn so, dass sie Haru sehen konnte.
An seinem Gesicht konnte sie ablesen, dass er gewaltsam versuchte, sich auf andere Gedanken zu bringen. Haru begann, das Modell wieder aufzubauen, doch irgendwie schien seine Konzentration weg zu sein und er begann zu fluchen, als es ein weiteres Mal in sich zusammenfiel, bevor es überhaupt halb fertig war.
Sezuna ließ das Essen liegen und setzte sich kurzerhand auf seinen Schoß, um ihn in einen stürmischen und verlangenden Kuss zu ziehen.
Er erwiderte den Kuss, wobei er trotzdem murrte. Hätte er nicht vergessen, einen Zauber aufzuerlegen, damit es nicht zusammenbricht, wäre das gar nicht erst passiert.
Sezuna löste den Kuss und legte ihre Stirn an seine. "Danke, dass du da bist", sagte sie leise, weil sie erneut einen Albtraum gehabt hatte, auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnern konnte.
„Mhm", erwiderte Haru und blickte beinahe zornig auf das kaputte Modell. Mit einer wütenden Handbewegung wischte er es vom Tisch, sodass sich alle Teile auf dem Teppichboden verteilten. Auch einige Skizzen gesellten sich zu dem Chaos.
Sezuna zuckte ein wenig zusammen und wusste nicht genau, was sie machen sollte.
„Du solltest essen, damit du Energie bekommst", sagte Haru leise und versuchte sich zu beherrschen. Er wollte ihr keine Angst machen.
"Halt mich", bat sie und klang fast schon verzweifelt, auch wenn sie es versuchte zurückzuhalten.
Haru schlang seine Arme um sie und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust. Dort konnte sie schon nach kurzer Zeit Tränen spüren, die ihr Oberteil durchnässten.
Sie begann ihn sanft zu streicheln und wusste noch immer nicht, was sie tun sollte.
Die Zeit schien stehen zu bleiben, während sie so dasaßen. Stumm weinte der Blonde und hielt Sezuna einfach fest. Irgendwann wurden die Tränen weniger, doch noch immer konnte er nicht zu ihr aufblicken.
Sezuna blieb bei ihm und streichelte ihn, ohne dass sie etwas sagte oder ihn zu irgendwas drängte.
„Es tut so weh ...", sagte er plötzlich, ohne aufzublicken. Die Erinnerungen waren mit voller Wucht zurückgekehrt und er konnte diese nicht zurückhalten.
"Ich weiß", flüsterte sie leise und fuhr ihn durch die Haare, bevor sie ihn dort küsste.
„Lass uns hingehen. Sie verdienen den Respekt, da sie ihr Leben gelassen haben ...", flüsterte Haru. Allerdings wollte er nicht gesehen werden. Der Blonde wollte so weit wie möglich Abstand halten.
"Wenn du das möchtest", sagte sie leise. Es war seine Entscheidung, auch wenn sie Angst hatte, dass er wieder in die Dunkelheit glitt und sie ihn nicht aufhalten konnte.
Langsam nickte Haru und bedeutete Sezuna, aufzustehen. Er wollte sich anziehen, damit sie gehen konnten. Vorausgesetzt sie kam mit ihn mit.
Nur widerwillig löste sie sich von ihm, bevor sie ein Stück zurücktrat und selbst damit begann, sich Kleidung herauszusuchen.
Es dauerte nicht lange, bis beide angezogen waren und Haru über die Bruchstücke des Modells stieg, um Stiefel und Mantel zu holen.
Sezuna fand, dass der Tag nicht gut begann, aber zumindest stellte sich Haru seinen Ängsten. Vielleicht war das gut.
Schweigend half er der Rothaarigen in den Mantel und zog ihr die Stiefel an, bevor er ihr bedeutete, auf seinen Rücken zu klettern. Auch wenn er nicht wollte, so gehörte es sich doch, ihnen den Respekt zu zeigen, dass sie nicht umsonst ihr Leben gelassen hatte.
Zuerst wollte sie sagen, dass sie gerne laufen wollte, doch das war im Moment sicher nicht die beste Idee. Außerdem konnte sie so bei Haru sein und ihm zeigen, dass sie da war.
Auch im Schloss herrschte Trauerstimmung. Die Dienstmädchen trugen ebenfalls schwarz und waren darauf bedacht, sehr leise zu sein. Von draußen war Musik zu hören, die wohl dafür gedacht war, den Toten Respekt zu zeigen.
Haru ging die Stufen vom Schloss hinab und war froh, dass niemand sie ansprach. Schwarze Fahnen hingen an den Laternenpfählen, die leicht im Wind wehten. Jeder, selbst die Kleinsten, trugen schwarz. Die Leute hatten sich am Straßenrand aufgestellt und Haru bemerkte, dass eine Kutsche, die von schwarzen Pferden gezogen wurde, durch die Straßen rollte. Da sie die Toten nicht mehr geborgen hatten, nahm er an, dass in der Kutsche Aino und Nicu, sowie die Angehörigen saßen.
Sezuna betrachtete das Ganze und versuchte stark zu sein. Jetzt, wo es Haru bereits so schlecht ging, wollte sie ihn nicht auch noch mit ihren Gefühlen Schmerzen bereiten. Dennoch legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und blinzelte die Tränen weg.
Der Blonde war auf den Stufen stehen geblieben, um genügend Abstand zu den anderen zu haben. Seine Augen verfolgten die Kutsche, welche sich langsam näherten. Dabei konnte Sezuna in leise Worte Murmeln hören, die sie nicht verstehen konnte. Dass Haru sich nicht gut fühlte, wusste sie und konnte es spüren. Sein Kopf hatte er leicht gesenkt und Tränen rollten seinen Wangen hinab.
Die Menschen am Straßenrand trauerten wohl genauso. Dabei ging es nicht darum, ob sie die Krieger gekannt hatten oder nicht. Sie waren im Kampf für die Thronfolger gestorben.
Die Kutsche hielt vor den Stufen zum Schloss an. Langsam stiegen die Menschen, die darin gesessen hatten, aus. Haru hatte gar nicht bemerkt, dass Akira und seine Frau auf der obersten Stufe standen und auf sie warteten.
Die Angehörigen kamen die Stufen hoch und Sezuna konnte fühlen, wie Haru sich versteifte und fliehen wollte. Doch er blieb stehen, hielt den Kopf sehr weit unten und drehte sich in die Richtung, aus der sie kamen.
Sezuna streichelte ihn sanft und hoffte so, wenigstens ein bisschen für ihn da zu sein. Sie konnte nichts anderes tun, da auch sie den Blick gesenkt hatte und so ihre Trauer symbolisierte.
Aino blieb sogar kurz bei ihnen stehen und sah sie an, sagte jedoch nichts, da Akira sie gebeten hatte, nichts zu tun. Auch die Angehörigen blieben stehen, als wollten sie etwas sagen. Dennoch gingen sie weiter auf Akira und seine Frau zu, die auf sie warteten.
Plötzlich spürte Haru die Präsenz des Arztes im Rücken. Haruto war hinter sie getreten, sagte aber nichts, sondern folgte den anderen mit einem Blick.
Anscheinend würden sie mit den Thronfolgern den Leichenschmaus vollführen. Auch Belynia und Akira waren in schwarz gekleidet, das konnte Haru aus den Augenwinkeln erkennen. Sobald die Menschen im Schloss verschwunden waren, gingen die Leute, welche an der Straße gestanden hatten, ebenfalls dazu über, sich zurückzuziehen. Wahrscheinlich würde es an diesem Tag keine Verkäufe geben und die Zeit wurde in Trauer verbracht.
Sezuna streichelte Haru noch immer unauffällig und vergrub ihren Kopf in seinem Nacken. "Was möchtest du tun?", fragte sie leise. Da sie nicht damit gerechnet hatte, dass Haru hier sein würde, hatte sie sich nicht kundig gemacht, wie diese Sachen hier abliefen. Das ärgerte sie jetzt, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollten.
„Das Haus wieder bauen", nuschelte Haru undeutlich und ging langsam die Stufen wieder nach oben. Der Arzt folgte ihnen im einigen Abstand, doch als sie die große Flügeltür erreichten, fragte er leise, ob sie etwas brauchten. Wahrscheinlich würde er sowieso nicht bei den anderen sein wollen.
Sezuna wusste nicht genau, was sie darauf sagen sollte und blickte ihn nur mit einem entschuldigenden Gesicht an. Sie wirkte niedergeschlagen und erschöpft.
Da der Blonde ihn ignorierte, steckte Haruto Sezuna einige Kräuter mit einer Beschreibung zu, bevor er den anderen zum Speisesaal folgte. Auch wenn sie nicht damit rechneten, dass Haru und die Rothaarige kommen würden, so war auch für sie gedeckt worden. Es stand ihnen frei, ob sie wollten oder nicht.
Haru jedoch schlug den Weg zu ihrem Schlafzimmer wieder ein.
Vielleicht war das auch besser. Er wollte allein trauern und das verstand die Rothaarige sehr gut.
Im Zimmer angekommen seufzte Haru leise und wischte sich trotzig die Tränen vom Gesicht, nachdem er Sezuna heruntergelassen hatte.
Diese blieb an seiner Seite und beobachtete ihn unauffällig. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. "Erklärst du mir das Model?", fragte sie leise und hoffte ihn so auf andere Gedanken zu bringen.
„Hm", kam es nur von ihm. Viel war nicht zu erklären, da es nicht einmal mehr annähernd wie ein Haus aussah. Dennoch nahm Haru die anderen Skizzen vom Tisch und setzte sich auf den Boden.
Sein Gesicht war genauso dunkel wie zuvor und schon wieder nagte er an der Unterlippe. Sezuna konnte beobachten, wie er zitterte, als er versuchte, das Grundgerüst wieder herzustellen.
"Lass mich dir helfen", bat sie leise und setzte sich an seine Seite, um mit ihm zusammen an den Haus zu bauen. Vielleicht half das.
Haru sprach nicht wirklich, sondern ließ sie machen. Irgendwann bat er sie jedoch, ihm die Skizzen zu reichen. Vorsorglich benutzte er nun den Zauber, damit es nicht gleich wieder in sich zusammenfiel.
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