Und über uns die Sterne

Ich bin die einzige, die die Bahn nach oben auf den Berg nimmt. Ich weiß nicht, ob es an der Uhrzeit liegt, oder daran, dass sowieso fast nie jemand herkommt, außer wir beide. Wahrscheinlich ist es darum unser Berg. Wenn ich ehrlich bin kann ich es den Leuten nicht verübeln, dass sie diesen Ort meiden, denn er bietet so gar nichts spektakuläres und das ist es doch, was die Leute heutzutage suchen oder nicht? Und ich nehme es den Leuten die sich hinauf trauen auch nicht übel, dass sie bei ihrem frustrierten Weg hinab die Bergbahn verschandeln um ihren Frust darüber, einen wertvollen Tag verschwendet zu haben, abzubauen. Zeit ist das wertvollste Gut heutzutage, und ich wünschte uns beiden würde wie allen anderen Besuchern die Zeit bleiben uns über den tristen Ort aufzuregen, zu dem ich gerade auf dem Weg bin. Aber die Zeit haben wir nun mal nicht. Aber es bringt nichts dem nachzutrauern, was man ohnehin nicht haben kann hat mein Opa immer gesagt. Das ist der Grund warum ich jetzt auf dem Weg nach oben bin. Mein Opa war immer der einzige außer dir, der die Begeisterung für den Berg mit mir geteilt hat. Vom Rest der Familie bekomme ich nur ein paar komische Blicke, wenn ich mich allabendlich wieder auf den Weg mache. Es sei unvernünftig, sagen sie, dass ich in meinem Zustand den ganzen Weg alleine antrete. Aber ich habe mich noch nie großartig um die Meinung anderer geschert, warum sonst wäre ich jetzt hier. Die gelben Schlaufen zum festhalten wackeln hin und her, als die Bahn ruckelnd und schaukelnd anhält. Ich halte mir die Ohren zu, um das ohrenbetäubende Quitschen, dass in dem Moment als die Bahn zum stehen kommt ertönt, nicht zu hören. Die Türen öffnen sich und ich springe hinaus in die frische Abendluft.
Es wird bereits dunkel und ich bin dankbar für die rostigen Laternen, die den Bahnhof erhellen und einen Pfad dämmrig bis hin zu unserem Platz erleuchten. Ich warte durch das kühle Gras und die Wildblumen, die hier wachsen und sauge den Duft der Natur in mich auf. Hier oben ist die Luft soviel besser als die stickige Luft unten in der Stadt, die von Abgasen verpestet ist. Wie jeden Abend laufe ich an der alten Wasserpumpe und der rostigen Parkbank vorbei, bevor ich an der alten Esche ankomme.
Als ich um den Baum herumgegangen bin, sitzt du bereits im Gras und hast eine Laterne mitgebracht, die du hinter dir am Baum abgestellt hast. Ich komme zu dir und umarme dich, bevor wir uns beide ins frische Gras legen. Ich verschränke meine Hand in deiner und spüre deinen warmen Körper an meinem. Im Schatten der alten Esche liegen wir hier oben, unter uns die funkelnden Neonlichter der Stadt, die langsam weniger werden, und über uns die Sterne, die immer heller leuchten. Das leise Piepsen meines Beatmungsgeräts nehmen wir kaum wahr, dass einzige was wir bemerken sind die funkelnden Sterne über uns. Sie bieten uns Zuflucht, Hoffnung und Trost. Ich weiß, dass es jederzeit das letzte Mal sein kann, dass ich diesen Sternenhimmel mit dir bestaune, doch der Moment ist viel zu schön um darüber nachzudenken. Nach einer Weile fragst du wie es mir geht und wir unterhalten uns ein wenig über unsere todbringende Krankheit, die wir neben so vielen anderen Dingen auch miteinander teilen.
Mittlerweile ist es Nacht um uns herum geworden, die Lichter der Stadt sind fast komplett erloschen und uns ist klar, dass es bald Zeit wird zu gehen. Doch wir beide wollen diesen Moment festhalten, klammern uns an ihn und die Sterne über uns. Sternschnuppen gleiten über unsere Köpfe hinweg und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass dieser Moment nie zu Ende geht.

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