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Unruhig drehe ich mich immer wieder im Schlaf, mein Herz schlägt die ganze Nacht über viel zu schnell. Ich habe das Gefühl jeden Moment zu sterben...es ist schrecklich. Irgendwann schrecke ich auf, verschwitzt und noch geschockt von meinem Alptraum, in dem mich meine Vergangenheit einholt. Meine Mutter. Immer wieder hab ich in meinem Traum zugesehen, wie sie erschossen wurde. Ich habe mich selber gesehen, wie ich gelächelt habe.
Wieso habe ich gelächelt? Das war meine Mutter, die da getötet wurde! Meine Mutter!
Aber das ist nicht die einzige schlimme Tat in meinem Leben. Verdammt nochmal, ich verdiene es! Ich verdiene es, in dieser Arena zu sein und zu sterben!
Niemand hier verdient es. Niemand außer President Snow...
Wut erfüllt mich mal wieder, als ich an das schlangenartige, tückische Gesicht von ihm denke. Er ist schuld!
Ich richte mich leise auf und trinke einen Schluck. Es scheint noch Nacht zu sein, denn der weiße Glanz des Mondes spiegelt sich an den Metallwänden. Ich habe Angst. Viel mehr Angst als im Wald. Viel mehr Angst als zuvor. Es ist schlimm hier zu sein. Ich bin hier gefangen in einer Sackgasse und ein einfaches Opfer für die anderen Tribute. Aber es wird schon niemand dort draußen sein, wieso auch? Ich meine, niemand wird nachts hier zum Füllhorn gegen oder?
Zu hundert Prozent bin ich mir nicht sicher und die Angst prickelt immernoch in meinen Adern, aber ich versuche mich zu beruhigen.
Ganz ruhig, Fuchs!
Doch diese Gedanken treiben mir Tränen in die Augen. Fuchs. So hat mich Marvel immer genannt. In meinem Kopf erscheint ein Bild von ihm. Von dem blutrünstigen Karriero, der so anders war, als die anderen. Von dem Menschen, in den ich mich verliebt habe. Und verloren habe. Verdammt, er ist tot! Tot! Für immer!
Ich möchte diese Worte am liebsten nach draußen schreiben, voller Wut und Hass. Dennoch hält mich mein Überlebenswille davon ab.
Ich lehne mich an die kalte Metallwand und blicke in Richtung Ausgang. Lichtstrahl für Lichtstrahl gelangt in das Füllhorn und ich kann die Veränderung schon sehen. Die vorher weißen Strahlen des Mondes, welche die Wand des Füllhorns beschienen haben, verfärben sich nun und werden wärmer, röter.
Fasziniert beobachte ich die breite Farbpalette des Sonnenaufgangs und die Transformation der einzelnen Farben, die sich in dem ganzen Füllhorn widerspiegeln. Mein Herz pocht in meiner Brust fast schon so aufgeregt wie ein kleines Kind an Weihnachten.
Während ich dieses wunderschöne Naturspektakel beobachte, ertönt plötzlich ein Geräusch. Meine verträumten Augen werden plötzlich klar und aufmerksam. Vorsichtig stehe ich auf, den Rucksack auf meiner Schulter. Ich halte den Atem an, aus Angst jemand könnte nun kommen um mich zu töten. Ich bin überraschenderweise ruhig und fange nicht an zu heulen, was mich ehrlich gesagt ziemlich verwundert.
Ich weiß, dass falls ein Tribut nun hier ist, meine einzige Chance ist, diesen zu überraschen. Deshalb schleiche ich mich Richtung Ausgang, stets im Schatten der Wände, sodass ich von außen praktisch wie unsichtbar bin. Vorsichtig luge ich heraus und mustere die Lichtung, die in rotes Licht getaucht ist. Fast verliere ich mich in dem See, dessen Wasser in der aufgehenden Sonne schimmert, doch schließlich reiße ich mich wieder zusammen und halte nach jemandem Ausschau.
Hier ist niemand...
Verwirrt blicke ich mich um. Irgendwo muss doch jemand sein, denn ich habe klar und deutlich ein Geräusch gehört.
Die Lichtung ist leer, keine Menschenseele befindet sich auf ihr. Und doch weiß ich, dass die anderen Tribute hier irgendwo sind. Sie lauern irgendwo im Wald oder auf dem Feld und warten auf das Festmahl. Ich zucke plötzlich zusammen, als ich mich wieder an das Festmahl erinnere. Es müsste jede Sekunde beginnen!
Nur ein paar Minuten später höre ich erneut das laute Geräusch von vorhin. Einige Meter vor mir öffnet sich der Boden, laut und knarrend.
Vor Schock springe ich nach hinten, sodass ich beinahe gegen die Metallwand stolpere. Mein Herz bleibt beinahe stehen, während ich das Geschehen atemlos beobachte.
Beginnt jetzt das Festmahl?
Neugierig stehe ich da, meine Augen beachten jedes kleinste Detail. Ein Tisch kommt aus dem Boden hervorgeschossen. Knarrend kommt er zum stehen und ich erkenne, nach weiterem Hinsehen, die einzelnen Rucksäcke, die sich auf ihm befinden. Es sind genau vier Rucksäcke, auf welchen ich jeweils die Nummer des Distrikts lesen kann, für welches sie bestimmt sind. Ein wenig Enttäuschung macht sich in mir breit, als ich bemerke, dass die Rucksäcke für Distrikt 2 und 11 viel größer sind, als der mit der Zahl 5.
Ich könnte doch theoretisch einen Rucksack von ihnen mitnehmen...ich bin schließlich die erste, die einen kriegt.
Doch nach weiterem Überlegen entscheide ich mich doch dagegen, da es nicht sicher für mich wäre. Denn so nutze ich meinen Vorsprung, um so schnell wie möglich wegzukommen, denn niemand wird mir hinterherlaufen ohne seinen eigenen Rucksack. Wenn ich aber einen fremden Rucksack zusätzlich mitnehme, werde ich hundertprozentig einen Verfolger haben, denn der Besitzer des Rucksacks wird natürlich alles dafür tun, um ihn zurück zu bekommen.
Ich blicke mich um. Der Tisch mit den Rucksäcken steht nun vollständig da, und doch ist weit und breit noch niemand zu sehen.
Alle haben Angst den ersten Schritt zu machen...
Ich muss es machen! Ich muss die erste sein, denn wenn nicht, dann werde ich von den anderen gesehen. Und dann bin ich tot...
Ok. Ich muss jetzt loslaufen.
Dennoch zögere ich. Was, wenn da irgendein Haken an der Sache ist? Was, wenn der erste Tribut, der versucht zu seinem Rucksack tu gelangen, in die Luft gesprengt wird? Was, wenn...
Ich MUSS es riskieren...ich habe schließlich nichts zu verlieren.
Ich habe noch nicht einmal zu Ende gedacht, doch meine Beine laufen bereits los. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich beschleunige meine Geschwindigkeit, und schon habe ich das Füllhorn verlassen. Das grelle Licht der aufgehenden Sonne blendet mich, aber ich renne unbeirrt weiter. Ich bin mir sicher, dass die anderen Tribute geschockt sind und sich fragen, wieso sie nicht auf diese Idee gekommen sind. Zufrieden mit mir grinse ich, während ich nach meinem Rucksack greife. Ohne meine Geschwindigkeit zu verringern, bin ich schon auf dem Weg zurück in den Wald. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass ich keinem der Tribute direkt in die Arme laufe...
Doch anscheinend meint es das Schicksal ausnahmsweise mal gut mit mir, denn ich treffe auf niemanden. Weit hinter mir höre ich Schreie, die ich so gut es geht versuche auszublenden.
Völlig außer Atem stolpere ich über Zweige und Wurzeln, blicke mich hektisch um und zucke bei dem kleinsten Geräusch neben mir zusammen. Den Rucksack drücke ich fest an mich, als würde mein Leben davon abhängen. ... Tut es ja auch irgendwie... .
"Cato! Cato!", ertönt eine Stimme von weit hinten und in mir zieht sich alles zusammen. Clove.
Ich bleibe stehen, der Hilfeschrei geht mir bis ins Mark. Cloves Stimme ist voller Angst und Verzweiflung...wer hat es geschafft Clove so ängstlich zu machen??
Ich stehe immernoch da und lausche den Schreien mit weit aufgerissenen Augen.
...soll ich irgendwas tun? Ich meine, Clove war ja fast so etwas wie eine Freundin für mich, sollte ich ihr da nicht helfen?
...sie war meine Freundin bis sie mich fast umgebracht hat. Hier in der Arena gibt es keine Freundschaften. Jeder kämpft für sich selber. Ich kann froh sein, wenn Clove jetzt stirbt, sie ist immerhin eine meiner größten Konkurrenten.
Ich starre auf den Boden, voller Angst, was als nächstes kommen könnte, als sich plötzlich die Blätter vor mir teilen.
Cato.
Ich weiche einen Schritt zurück, denn plötzlich packt mich erneute Angst. Diesmal keine Angst um Clove, sondern um mich. Ich erwarte einen Todesblick von Cato, der mir signalisieren soll, dass ich so gut wie tot bin, aber er starrt mich an. Voller Angst.
"Clovie!", schreit er, so laut er kann.
Er will sie retten. Mein Bauch zieht sich zusammen und Tränen bilden sich in meinen Augen. Er möchte sie retten.
Cloves Schrei ertönt nocheinmal. Diesmal noch verzweifelter und panischer als davor und ich blicke in Catos Augen, fassungslos. Er schaut mich ebenfalls an, seine blauen Augen widerspiegeln puren Schmerz.
Wir schweigen. Zwischen uns liegen unausgesprochene Worte. Und die Erkenntnis, dass es zu spät ist. Wir wissen es beide.
Er kann sie nicht mehr retten. Es ist zu spät.
Ich höre noch, wie Clove zu einem weiteren Schrei ansetzt, als ein gewaltiger Schlag erklingt und ihre Stimme bricht.
Stille.
Catos Augen weiten sich und er beginnt erneut zu rennen. Er kann sie nicht mehr retten, sie ist zu weit weg von ihm...
Ich stehe einfach nur da, blicke in die Leere. Mein Gesicht ist ausdruckslos, abwesend, während ich daran denke, wie es hätte sein können, wenn ich nicht in die Arena gekommen wäre.
Ich hätte Marvel und Kalia nie kennengelernt. Ich hätte nie gesehen, dass auch Karrieros menschlich sein können.
...aber ich wäre auch nicht gebrochen worden. Ich hätte noch einen Vater. Ich hätte noch ein Leben gehabt. Ich wäre noch ich.
Und so stehe ich da, ohne einen Antrieb weiterzugehen. Ich blicke in den Himmel. Cloves Kanone ertönt, vermischt mit Catos Flehen und Schluchzen.
Das Festmahl ist vorbei. Begonnen hat es mit einer Chance für die Tribute, geendet hat es mit einem verlorenen Leben.
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Hi <3
Es kam lange kein Kapitel mehr, aber jetzt habe ich auch endlich Sommerferien und hab also viel Zeit zu schreiben ^^
Ich danke euch für 1,1 k Reads und über 200 Votes, es bedeutet mir so viel ❤️
Die Geschichte neigt sich ja bald dem Ende zu und mich würde eure ehrliche Meinung zu der Geschichte interessieren. Gibt es irgendwelche Verbesserungsvorschläge? Schreibt sie mir sehr gerne, ich bin offen für jede Art von konstruktiver Kritik :)
Außerdem würde es mich freuen, wenn ihr mal bei meinem Wattpadcamp vorbeischaut, wo ich Kurzgeschichten und Gedichte schreibe. Dieses Wattpadcamp ist von luisepoo, die mir mit diesem Wattpadcamp sehr viele Ideen und Inspirationen für Kurzgeschichten gegeben hat. Danke <3
Schöne Woche noch <3
-Melody-
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