9. Türchen: Passlack x Pulisic
Passlack/Pulisic
Für borussiacrew
Ich konnte mich gar nicht an das exakte Geschehen erinnern. Es war einfach passiert. Schleichend. So langsam, dass ich gar keine Zeit gehabt hatte, mir darüber überhaupt ernsthafte Gedanken zu machen. Und genau diese Tatsache war ganz schön hinterhältig. Genauso wie Gras, das so langsam wuchs, dass man es gar nicht mitbekam, weil man sich jeden Tag aufs Neue an die fremde Größe gewöhnte. Und irgendwann waren diese Gefühle für Chris einfach dagewesen.
Und das schlimmste an der ganzen Tatsache war einfach – dass das gesamte Internet anscheinend schon Jahre zuvor davon Bescheid gewusst hatte. Oder es zumindest immer gehofft hatte. Und ich wusste aus zahlreichen „Fanfictions", auf die ich so manches Mal ausversehen und peinlich berührt gestoßen war, welche Fantasien diese Mädels alle über uns hatten. Und wer wusste schon, was ich noch nicht gelesen hatte, beziehungsweise was noch nicht verfasst worden war. Im Großen und Ganzen konnte ich allerdings – nicht gerade stolz – behaupten, dass jede einzelne Fantasie von ihm Tatsache war.
Dass ich mir manchmal wünschte, dass er in mein Zimmer stolperte, während ich gewisse Sachen tat und dass es dann einfach passierte. Dass ich mir wünschte, dass wir beide zu betrunken wären, um noch klardenken zu können, und uns einfach küssten. Ich wünschte, dass ich ihm in Lustrage kleine Blutergüsse zufügen könnte, seinen Rücken zerkratzen durfte, ich liebte den Anblick von harmlosen Verletzungen. Ja, und manchmal wollte ich einfach nur, dass er mich in den Armen hielt.
Und jeden Tag wiederrum saß ich ein paar stille Minuten auf meinem Bett, bevor ich mich traute, in den Flur zu treten. Durchdachte noch einmal alles, stellte mir Fragen, suchte Antworten. Bläute mir schlicht und ergreifend ein, ja nichts Falsches zu machen oder zu sagen. Ich war bisexuell. Ja, das wusste ich schon seit langem. Und ja, Chris wusste das auch. Aber ich wäre nicht einmal auch nur annähernd auf die Idee gekommen, ihm meine ... ja, nennen wir es „Verliebtheit" zu gestehen. Denn die klitzekleine Chance bestand noch, dass er damit doch nicht klar kam. Was dann? Wir lebten zusammen, schon seit über einem Jahr. Wir waren beste Freunde. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Wenn er ausziehen würde ... oder noch schlimmer: wenn das unsere Freundschaft zerstören würde! So leicht wie es sich unsere Fans immer vorstellten ... war es doch schlussendlich gar nicht.
Langsam aber sicher wurden wir richtige, dicke, beste Freunde. Und ja, irgendwann hatten wir uns dazu entschlossen, gemeinsam in eine Wohnung zu ziehen. Und mein Leben war tatsächlich noch nie so lustig, schön und erfüllend gewesen. Es war so ... als hätte ich meine andere Hälfte gefunden. Als wäre er mein Bruder und mein Seelenverwandter in einem.
Doch natürlich konnte mein Herz diese ganze „Bruder-Geschichte" nicht ruhen lassen.
„Lix, stehst du auf?", klopfte eben Genannter an meine Bettzimmertüre. „Ich hab Frühstück gemacht!"
Vorsichtig spitzte ich die Ohren und wartete ab, ob er im Begriff war, hereinzukommen oder nicht. Aber als auch nach fünf weiteren Sekunden nichts folgte, schmiss ich – beabsichtigt müde klingend – eine Zustimmung durch die Türe. Schon einmal zwei Dinge, die ich an diesem heutigen Tag beängstigend merkwürdig fand. Chris hatte nie irgendwelche Probleme gehabt, in den unpassendsten Zeitpunkten in mein Zimmer zu schneien – aber zumindest nicht in denen, in denen ich von ihm fantasierte. Und ... hatte er jemals so selbstverständlich Frühstück gemacht, ohne es vorher breitspurig anzukündigen?
Verwirrt klaubte ich mir meine Jogginghose und ein Shirt zusammen, was ich mir fahrig überstreifte und mich dann auf in die Küche machte. Schon auf dem Flur roch es verführerisch nach Pancakes. Und für eine Sekunde konnte ich ob diesem wundervollen Geruch auch fast vergessen, weswegen ich gerade noch grübelnd in Shorts mitten auf meinem Bett gesessen hatte.
„Chris, seit wann machst du morgens Pancakes?", strahlte ich begeistert und lief – höchstwahrscheinlich mit glitzernden Sternchen, die aus meinen Augen schossen – freudenstrahlend auf meinen besten Freund zu, der gerade im Begriff war, sämtliche Pfannkuchen auf einen Teller zu stapeln. Wirklich, war es überhaupt möglich, sich nicht in ihn zu verlieben?
Bevor er den Herd ausstellte und sich den Teller schnappte, um schon zu dem gedeckten Tisch zu verschwinden, schenkte er mir ein zufriedenes Lächeln. „Ich dachte, dass wir heute einfach mal nichts machen, außer ... essen, DVD's gucken, Fifa spielen, uns Pizza bestellen und rumgammeln."
Beflügelt von dieser Idee und voller Vorfreude hüpfte ich ihm hinterher und ließ mich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. Ich hatte „hört sich perfekt an" sagen wollen, stattdessen kam jedoch nur ein amüsiertes „machen wir das nicht jeden freien Tag?" aus meinem Mund heraus.
Nichts Falsches sagen, keine Fehler begehen. So gerne ich sie manches Mal auch tun würde. Ich hatte mir diese Regeln beinahe so penetrant und unaufhörlich in meinen Kopf gehämmert, dass ich gar nicht mehr bemerkte, wenn ich ihn anlog.
„Hast du Lust auf etwas anderes?", fragte er wie beiläufig, nachdem er sich welche der Pfannkuchen auf seinen Teller gezogen hatte – genauso wie ich. Ich hatte mal wieder gar keine Zeit, mir Gedanken über diese Situation zu machen. Viel zu sehr lenkte mich dieser wundervolle Geruch ab. Also nahm ich endlich einen Bissen und bemerkte erst dann, dass ich ihm ja noch eine Antwort schuldig war.
Zuckte deshalb mit den Schultern und schüttelte fahrig den Kopf. „Nein, das hört sich ... gut an!"
„Nicht mit vollem Mund, Lix!", versuchte er, mich belustigt zu belehren. Und das tat er immer mal wieder zwischendurch ohne jeglichen Grund. Und ja, diese simple Charaktereigenschaft war auch eine, die ich an ihn lieben gelernt hatte. Und ich liebte es, wenn er zwar ernst bleiben wollte, es aber um Teufel-komm-raus nicht schaffte und dann einfach anfing, breit zu grinsen.
Das war dann auch mal wieder der Grund, weswegen auch ich ein hirnloses Lächeln vom Zaun brach. „Dann werden wir aber den gesamten Morgen nicht reden können, weil ich nämlich vorhabe, alle Pancakes dieses Universums zu essen!" – mit vollem Mund. „Die sind wirklich lecker, Chis!"
Und als ich aufschaute, lächelte auch er. Dafür aber mit bereits leerem Mund.
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