15. Kapitel
Der Sonntag verlief friedlich.
Wir saßen entweder in Shaes, Lys oder meinem Zimmer herum, redeten, lasen oder guckten Filme und Serien.
Kate oder gar Cilian begegnete ich kein einziges Mal.
Am Montag Morgen weckte Shae mich mit einer Flasche Wasser, welche sie über meinem Kopf entleerte.
Um genauer zu sein, war das die Sprudelflasche, die ich mir, nach meiner schmerzhaften Begegnung mit dem Waschbecken, auf meine Beule gepresst und wohl oder übel vergessen hatte wegzuräumen.
"Um neun beginnt der Unterricht", teilte Shae mir knapp mit und reichte mir ein Handtuch.
"Und dafür weckst du mich zwei Stunden früher?", gähnte ich, kletterte nach einem kurzen Blick auf den Wecker aus dem Bett und trocknete mein Gesicht ab.
"Jap", Shae nickte.
Sie trug eine alte Jeansjacke ohne Ärmel, unter der ich ein Michael-Jordan-Shirt erkennen konnte.
"Wieso genau, wenn ich fragen darf?"
"Ich möchte dieses Jahr nicht schon wieder direkt vor dem Lehrerpult sitzen und das wird passieren, wenn wir zu spät in die Klasse kommen", meine Freundin wippte ungeduldig auf ihren Fußspitzen herum.
"Das Grauen aller Schüler", ich grinste, ging in Richtung Badezimmer und schloss die Tür hinter mir ab.
Dann duschte ich und zog mich an.
Kaum, dass ich wieder zurück ins Zimmer kam, drückte Shae mir eine kleine Samtschatulle in die Hände.
"Was ist das?", fragte ich und klappte neugierig den Deckel auf.
"Keine Angst, das ist kein Heiratsantrag", Shae grinste schief, als sie bemerkte, wie ich überrascht die Augenbrauen in die Höhe zog, "Hier gibt es bloß keine richtige Schuluniform und diese Ringe zeigen stattdessen an, dass wir zu diesem Haus der Hekate gehören."
Ich nickte langsam und nahm den Ring aus der Schatulle.
Er bestand aus einem dünnen Silberreif, geziert mit einem Saphir.
"Die bilden sich echt einiges drauf ein, dass deine Mutter genau hier ausgebildet worden ist", Shae schnaubte und wedelte dann mit einer Hand vor meinem Gesicht herum, an der ebenfalls ein Saphirring steckte.
"Das alles wegen meiner Mutter?", ich seufzte laut und schüttelte den Kopf.
Entweder war das von Shae etwas weit hergeholt und der Stein bedeutete etwas anderes, oder es war mehr als übertrieben.
"Was ist übrigens dort drinnen?", fragte meine Freundin und deutete auf das Schmuckkästchen meiner Mutter, das neben dem Bild von Lou und mir auf meinem Nachttisch stand.
"Das ist von meiner Mum", ich betrachtete den Ring in dem schmalen Streifen Sonnenlicht, welcher durch einen Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen in mein Zimmer sickerte.
"Darf ich?", frage Shae.
"Nur zu", ich steckte den Silberreif an den Ringfinger meiner linke Hand und sah ihr dann dabei zu, wie sie vorsichtig das Kästchen öffnete.
"Wow!", stieß Shae hervor und starrte den Anhänger wie hypnotisiert an.
Der Anhänger, den ich irgendwann einmal vor dem Tod meiner Mum von ihr bekommen hatte, stellte eine mit Gold verzierte Schlange aus Onyx dar.
Ich liebte den Anhänger, nahm ihn jedoch nur selten aus seiner Schatulle.
"Wieso trägst du ihn nicht?", fragte Shae im selben Moment.
Ich zuckte mit den Schultern: "Ich bin nicht so der Typ für Schmuck. Ich trage ihn nur zu besonderen Anlässen."
Also eigentlich nie.
In meinem bisherigen Leben hatte ich nie einen passenden Moment gefunden, das Schmuckstück zu tragen und wenn ich ehrlich war, störte es mich auch nicht sonderlich.
Ich hatte viel zu viel Angst davor, dass eine der fein gearbeiteten Schuppen absplittern oder die Goldzierde beschädigt werden könnte.
Es war das Einzige, was ich noch von Sapphire Fury besaß und ich hütete es wie meinen Augapfel.
"Oh", Shae schien etwas enttäuscht, "Schade. Er passt sicherlich gut zu dir."
"Ansichtssache", ich fuhr mir durch die weißen Haare und meine Freundin klappte das Kästchen wieder zu und stellte es zurück auf meinen Nachttisch.
"Keine falsche Bescheidenheit. Das tut deinem Ego nicht so gut", meinte sie dann, hakte sich bei mir unter und zog mich hinaus auf den Flur.
~~~
Obwohl ich das frühe Wecken von Shae als etwas stark übertrieben empfand, behielt sie Recht.
Als wir gegen acht den Klassenraum, in dem wir Mathematik und die restlichen "Menschenfächer" haben würden, betraten, war dieser schon halb gefüllt.
Der Raum war doppelt oder sogar dreifach so groß wie der an meiner alten Schule und hatte blassblau gestrichene Wände.
Von Shae hatte ich erfahren, dass ein Jahrgang meistens aus drei Klassen mit jeweils vierzig Schülern bestand.
Da die Wächter ebenfalls eine "Menschenausbildung" machen konnten, waren zwanzig Wächter und zwanzig Domitor in einer Klasse.
Für die Tatsache, dass dieser Unterricht freiwillig war, besuchten ihn nach Shaes Angaben die meisten Schüler im Haus der Hekate.
Schließlich hatte man damit später die Wahl zwischen einem Leben in der Menschen-, sowie in der Domitorenwelt und große Chancen auf eine gute Zukunft.
Shae zog mich in die letzte Reihe des Domitorenblocks,- ich verstand nicht, weshalb Domitoren und Wächter irgendwie immer getrennt voneinander sein mussten- ließ sich neben einen sehr dunkelgebräunten Jungen mit kurzen Rasterlocken und spitzem Kinn fallen und begrüßte ihn mit einem: "Na, Phil? Schöne Ferien gehabt?"
Der Junge nickte und streckte den Daumen in die Höhe.
"Übrigens Danke, dass du uns die Plätze freigehalten hast", fuhr Shae weiter fort und der Junge erwiderte ein: "Keine Ursache."
Seine Stimme klang angenehm warm. Beim näheren Hingucken viel mir auf, dass Shae und Phil eine ähnliche Hautfarbe hatten, bloß war die des Jungen einen Stich heller.
Vielleicht waren die beiden Geschwister?
"Carol?", Shae stupste mich an, "Das ist Phil. Wir kennen uns schon, seit wir acht Jahre alt sind."
"Hey", ich nickte Phil zu und dieser lächelte einen Moment lang.
Er hatte ein schönes Lächeln.
Warm und weich, mit Grübchen.
"Du bist also Shaes neue Verbündete?", er sah mich neugierig an.
"Freundin", verbesserte Shae ihn und legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Auch gut", Phil zupfte an einer seiner Rasterlocken, dann sah er wieder nach vorne.
Ly war leider eine Klasse unter uns, aber sie hatte mir gesagt, sie fände dies nicht sonderlich schlimm, da sie dadurch nicht mit Kate in einer Stufe sei.
Sie schien das Schleimmonster echt über alles zu hassen. Sogar mehr als Haselnüsse, von denen sie -nach ihrer eigenen Aussage zufolge- immer Atemnot bekam.
Aber ich musste zugeben, dass es mir ebenfalls nicht gefiel, mit Haifischi in einer Stufe zu sein.
Zum Glück war sie bei den Keine-Pflicht-Fächern nicht in unserer Klasse.
Das sah bei dem anderen Unterricht jedoch leider ganz anders aus.
Ich beobachtete, wie sich Stück für Stück die Bankreihen vor uns füllten, die Seite der Wächter jedoch ganz und gar leer waren.
Diese kamen erst kurz vor neun und als Zane sich ebenfalls in der hintersten Bankreihe des Wächterblocks nieder ließ, hörte ich Shae leise nach Luft schnappen, als habe sie die ganze Zeit, bevor er gekommen war, nicht gewagt zu atmen.
Ich schmunzelte, wollte mich gerade in meinem Stuhl zurücklehnen, um meiner Freundin eine bessere Aussicht zu ermöglichen, als ein Seufzen von den Mädchen vor mir meinen Blick in Richtung Tür lenkte.
Und dann hätte ich am liebsten meinen Kopf gegen die Tischkante gehauen.
Nein, nein und nochmals nein!
Da stand Cilian.
Idioten-Cilian.
Er ließ seine ozeanfarbenen Augen über den Wächterblock gleiten, entdeckte Zane und kam durch den Mittelgang auf ihn zugeschlendert.
Gekonnt warf er seine Tasche auf den Platz neben seinen Freund und setzte sich unter den Augen zahlreicher, schmachtender Mädchen an den Platz zum Gang hin.
Und saß damit quasi direkt neben mir.
Na großartig!
A/N:
Ein richtig fettes DANKE an fuchs_03 für den unglaublich tollen Cover, den sie mir gemacht hat! ^^
Er ist einfach nur wunderschön! ❤
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