Kapitel 8
Noch immer in Gedanken bei dem Spiel ging Shirley die Straße entlang. Sie war so abgelenkt, dass sie nicht den Bus genommen hatte. Stattdessen lief sie langsam den Gehweg entlang und kickte eine leere Dose vor sich her.
Da rief plötzlich jemand ihren Namen. Sie drehte sich um und erkannte Will, der ein paar Meter entfernt zu ihr winkte und sich beeilte sie einzuholen. Erfreut ihn zu sehen, wartete sie auf ihn. Natürlich hatte sie Joannas Worte von zuvor nicht vergessen. Sie weigerte sich zu viel in die Freundschaft mit Will hinein zu interpretieren. Keuchend blieb er vor ihr stehen und stützte sich kurz auf den Knien ab. Wie weit war er denn gerannt?
„Ich hatte gehofft...dich noch...zu sehen", keuchte er. Er war definitiv kein Sportler. Sie kicherte. „Vielleicht solltest du auch nen Sportkurs belegen."
„Sicher, aber nicht an diesem College. Da mache ich mich ja lächerlich. Wenn ich damit anfange, dann nur da, wo mich keiner kennt."
„Ach das bildest du dir ein."
„Im ernst, Shirley."
Er richtete sich wieder auf. „Ich hab so schon kaum eine Chance gegen die Rox. Also will ich sie nicht noch mehr bestärken, indem ich mich vor ihnen blamiere."
„Wenn du meinst."
Irgendwie verstand Shirley ihn. Ihr war es eine Zeit lang nicht anders gegangen. Damals hatte sie nur mit schlanken, wunderschönen Tänzerinnen konkurriert.
„Aber warum wolltest du mich denn so dringend noch erreichen?"
„Ich wollte dich was fragen."
„Und das konnte nicht bis morgen warten?", fragte sie grinsend. Will schüttelte den Kopf.
„Okay, dann frag."
„Naja das ist jetzt sehr direkt, aber ich wollte wissen, ob du einen Freund hast."
Shirley blieb die Spucke weg. Also hatte sich Joanna nicht geirrt.
„Ähm, nein. Zur Zeit gerade nicht. Das soll auch erst einmal so bleiben."
„Oh, verstehe."
„Warum?"
Sie musste das jetzt einfach fragen.
„Ich hätte dich gerne mal zum Essen eingeladen, oder so."
Will blickte verlegen zu Boden. Er war schon süß auf eine seltsame Weise. Er tat ihr so leid. „Nagut."
„Was du sagst ja?"
Strahlend blickte er sie an. Zwar hatte sie keinerlei romantische Gefühle für Will, aber sie vertraute ihm. Er würde sie gut behandeln. Vielleicht würden sich mit der Zeit ja noch Gefühle entwickeln und sie könnte ihm das Geheimnis ihrer Narbe anvertrauen. Irgendwann vielleicht. Er war auf jeden Fall nett. Außerdem wollte sie sich selbst beweisen, dass sie kein bisschen an Leon dachte. Nicht im geringsten!
~
„Du siehst müde aus."
Tina legte ihrem Bruder den Arm um die Schulter und hielt ihm einen Energydrink vor die Nase. Da Leon kein Kaffeemensch war, musste das ungesunde Zeug herhalten. Er trank jeden Morgen eine Dose von dem ekelhaften Zeug. Aber es half. Da zog seine Schwester doch den Kaffee vor. Sie setzte sich neben ihn an den Tisch und legte den Arm auf die Lehne.
„Hab nicht viel geschlafen."
„So?"
Sie wandte sich ab.
„Sag jetzt nicht, dass dir Blondie den Schlaf geraubt hat. Dann krieg ich zu viel."
Leon lachte. „Schon gut, ich hab nicht wegen Shirley schlecht geschlafen. Obwohl ich lieber von ihr geträumt hätte letzte Nacht."
„Dir ist nicht mehr zu helfen, Brüderchen."
„Warum?"
„Hoffnungsloser Fall", warf Alex ein, der ebenfalls mit einer Kaffeetasse bewaffnet, vor dem Tisch stand.
„Inwiefern?", fragte Leon, doch er ahnte was kam.
„Na hoffnungslos verliebt bist du."
„So ein Unsinn."
„Jedes Mal wenn du es abstreitest, bestätigst du uns in unserer Annahme", sagte Tina.
„Ist ja nicht schlimm. Wo die Liebe hinfällt. Ist nur bedauerlich, dass da niemals etwas draus wird."
„Und was macht dich da so sicher, Alex?", fragte Leon und lehnte sich zurück.
„Erstens: Ihr Vater ist ein Cop. Ein Cop, der dich nicht sonderlich leiden kann. Zweitens: Sie kann dich auch nicht besonders gut leiden, wie wir alle unschwer gemerkt haben. Und drittens steht sie auf diesen Will. Er hat sie zu einem Date gefragt und sie hat zugesagt."
Leon hatte gerade einen Zug aus der Dose genommen und verschluckte sich bei dieser Neuigkeit so sehr daran, dass er laut husten musste. Tina klopfte ihm beruhigend, aber schmunzelnd auf den Rücken.
„Du machst Witze, Alex."
Doch sein Freund schüttelte den Kopf und stützte sich auf der Stuhllehne vor ihm ab.
„Ich hab's von den Jungs gehört, die das zufällig mitbekommen haben. Du weist die zwei haben ihre Ohren überall."
„Was will sie denn von diesem Langweiler?"
Tina lachte erneut. „Vielleicht steht sie nicht auf coole Typen, wie du es bist. Vielleicht ist langweilig genau ihr Ding."
„Was soll das heißen? Ich soll nun die Lederjacke ablegen, mit dem Bus fahren und zum Streber mutieren?"
„Sicher nicht. An deiner Stelle würde ich es aufgeben. Du solltest dich für niemanden verändern."
„Alex, hat Recht", pflichtete Tina ihm bei. „Wenn sie dich nicht so mag, wie du wirklich bist, dann kannst du es ganz vergessen."
„Hmm."
Leon verbrachte den Morgen grübelnder Weise. Natürlich hatte seine Schwester Recht. Aber so leicht aufgeben war nicht sein Stil. Er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, um Shirley zu kämpfen. Also würde er das auch tun.
Es folgte ein normaler Tag am College. Diese tagelange Ruhe war ungewöhnlich. Er traute dem Frieden nicht. Die Ratten heckten doch schon wieder was aus. Das spürte er. Doch darum würde sich Leon später kümmern.
Nun hieß es, sich Shirley zu widmen. Er musste mit ihr reden. Nur würde sie ihm auch zuhören? Er hoffte es. Beim Sport hatte sie sich auch etwas offener gezeigt. Natürlich wollte er sie nicht im College darauf ansprechen. Doch als er Joanna später am Tag ohne sie antraf, wagte Leon tatsächlich sie anzusprechen. Wenn jemand wusste, wo Shirley war, dann Joanna.
Mit ihr zu reden war gar nicht so einfach. Jedes Mal wenn er in ihrer Nähe war, fing sie an zu stottern oder verlor ganz ihre Sprache. Das nervte. Das Gute an Shirleys Abneigung war, dass sie normal mit ihm reden konnte, ohne Schweißausbrüche zu bekommen, oder zu stottern.
Sehr angenehm. Letztendlich erfuhr Leon, dass Shirley keine Kurse mehr hatte und schon weg war. Außerdem hatte sie einen Job in Joannas Restaurant bekommen. Leon wusste wo das war. Nur konnte er sie unmöglich auf der Arbeit stören. Nein, er würde auf sie warten. Er musste unbedingt mit ihr reden.
~
Markus war total im Stress. Der Laden war brechend voll und Shirley musste noch die Schicht einer Kollegin übernehmen und Joanna hatte den Tag frei. Gegen Zehn machte endlich die Küche zu und sie musste nur noch die Gäste bedienen, die noch da waren. Bis halb zwölf blieb der letzte Gast auf seinem Platz sitzen. Dann endlich konnte Shirley aufräumen und Markus die Kasse prüfen.
„Danke für deine Hilfe, Shirley. Du hast gut mitgearbeitet. Dachte schon, uns fällt die Decke auf den Kopf heute."
„Schon gut, Markus. Es hat ja Spaß gemacht."
„Das freut mich." Er legte seine Schürze ab und hing sie in der Küche auf. Als er zurück kam lächelte er. „Geh nach Hause, den Rest mache ich morgen früh. Den Feierabend hast du dir verdient."
„Danke, Markus. Bis morgen dann."
„Ciao."
Shirley zog sich schnell um und wusch sich das Gesicht. Im Laden musste sie immer geschminkt sein, was sie gar nicht leiden konnte. Nun war sie froh, sich wieder selbst im Spiegel zu erkennen. Nachdem sie ihre Tasche aus dem Schrank geholt hatte, begab sie sich nach draußen und atmete die frische Luft ein. Es war dunkel, aber nicht kalt. Es waren ein paar Meter bis zum Bus. Sie war kaum zehn Schritte gegangen, da klingelte ihr Handy. Eine unbekannte Nummer stand im Display.
Sie kannte alle Nummern von Bekannten und das waren weiß Gott nicht viele. Mit einem komischen Gefühl im Bauch nahm sie den Anruf trotzdem an.
„Hallo?"
Keine Antwort.
„Hallo?", fragte sie erneut und wieder blieb die Antwort aus.
Sie blickte auf den Bildschirm. Die Verbindung stand noch. Als sich nach dem dritten „Hallo" immer noch keiner meldete, legte sie auf und steckte ihr Handy in die Hosentasche. Es war unheimlich um diese Uhrzeit noch so einen Anruf zu bekommen. Es war dunkel und einsam. Die beste Möglichkeit ein Mädchen auf der Straße zu überfallen. Trotz ihres Selbstverteidigungskurses fühlte sich Shirley nicht hundert prozentig wohl. Wie sehr konnte sie sich schon darauf verlassen?
Sie sah sich um. Keiner zu sehen. Mit eiligen Schritten ging sie zur Bushaltestelle. Diese war wenigstens beleuchtet. Einen Moment überlegte sie, zurück zu Markus zu gehen und ihn zu bitten, sie nach Hause zu bringen. Dann kam sie sich aber albern vor und verwarf den Gedanken.
So ängstlich war sie doch nicht. Oder doch? Sie erinnerte sich an den Abend, an dem Justin ihr aufgelauert und sie verletzt hatte. Na typisch. In solchen Momenten kamen nie die positiven Erinnerungen hoch. Immer nur das negative. Shirley zwang sich zur Ruhe und sah auf den Fahrplan. Fuhr um die Zeit überhaupt noch ein Bus? Ja, nur kam der nächste Wagen in einer Stunde. Der letzte war wohl gerade weg.
Sie beschloss zu Fuß zu gehen. War zwar ein ziemlicher Marsch bis nach Hause, doch besser als eine Stunde im Nichts zu stehen und auf etwas Böses zu warten. Also ging sie zügig den schon bekannten Weg nach Hause.
Es war komisch und Shirley zweifelte langsam an ihrem Verstand. Sie wurde das Gefühl nicht los, nicht allein zu sein. Doch wann immer sie sich umsah, war niemand zu sehen.
Erst Richtung Stadtzentrum wurden die Straßen lebendiger und man sah hin und wieder Leute unterwegs. Sicherer fühlte sich Shirley dadurch auch nicht.
Herrgott, jetzt Reiß dich zusammen! Ermahnte sie sich innerlich selbst. Was bist du nur für ein Freak geworden?
Wäre da vorher nicht dieser unheimliche Anruf gewesen, würde sie vermutlich nicht so am Rad drehen. Sie blieb stehen und setzte sich auf eine niedrige Mauer. Ihr Magen rebellierte. Sie hasste diese Situationen. Nicht jetzt! Bitte nicht jetzt - flehte sie.
Sie griff nach ihrem Handy. Ihr Vater musste sie abholen. In dieser Verfassung würde sie es nicht viel weiter schaffen. In Gefahrensituationen hielt sie sich doch immer so tapfer, warum drehte sie also durch, wo doch niemand zu sehen war, der ihr Schaden könnte?
Plötzlich hörte sie ein Motorrad herankommen. Ein dunkel gekleideter Fahrer lenkte die Maschine die Straße entlang, genau in ihre Richtung. Unruhig kaute sie auf ihrer Lippe. Noch nervöser wurde sie, als der Biker plötzlich bremste und die Maschine genau auf ihrer Höhe anhielt.
Zu ihrer Überraschung nahm er den Helm ab und ein vertrautes Gesicht kam zu Vorschein. Wenn sie auch nicht ganz begriff, wie er hier sein konnte, war sie doch unendlich froh ihn zu sehen. Er war aus dem Nichts gekommen. Als hätte er es gewusst, dass sie schon wieder in Schwierigkeiten steckte.
Leon schwang sich vom Bike und kam zu ihr. Sein Blick war ernst aber auch überraschend warm. Was zum Teufel machte er hier?
„Du bist doch dumm. Mit Mut hat das ganze hier nichts mehr zu tun."
„Na vielen Dank auch", gab Shirley patzig zurück und stand auf.
„Bist du nur her gekommen, um mich anzumeckern?"
„Nein, ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen."
„Einfach so, ja? Wo kommst du überhaupt her?"
„Ich habe auf dich gewartet. Eigentlich wollte ich mit dir reden, habe aber eingesehen, dass es zu spät war, als du aus dem Laden kamst. Also bin ich umgedreht. Als ich dich aber nicht an der Haltestelle gesehen habe, habe ich nach dir gesucht. Du ziehst das Unglück quasi an. Da dachte ich mir, es wäre besser nach dir zu sehen."
Shirley starrte ihn ungläubig an. Hatte er sich tatsächlich Sorgen gemacht? Auch wenn es unheimlich war, dass er die ganze Zeit auf sie gewartet hatte, andererseits war er ziemlich aufmerksam und fürsorglich. Das hatte sie von einem Typen wie ihm nicht erwartet.
„Worüber wolltest du reden?", fragte sie jetzt nicht mehr bissig.
„Vergiss es, nicht so wichtig. Das kann warten. Steig auf, ich fahre dich nach Hause."
Er ging zu seinem Motorrad und holte einen zweiten Helm aus dem Kasten. „Leon, das musst du wirklich nicht."
„Ich weiß."
Mehr kam von ihm nicht. Er hielt ihr einfach den Helm hin und wartete, darauf, dass sie ihn annahm. Anscheinend war diskutieren zwecklos. Also setzte sich Shirley den Helm auf und nahm kurz darauf hinter Leon auf dem Bike Platz.
„Festhalten!", befahl Leon und startete den Motor.
„Wo denn?", fragte Shirley.
„Ich bin nicht aus Zucker, Shirley. Ich verschwinde auch nicht plötzlich, wenn du mich anfasst."
Sie hätte schwören können ein Lachen unter dem Helm heraus zu hören.
„Schon klar."
Zögernd faste sie an seine Jacke und hielt sich mit beiden Händen daran fest. Aber Leon griff von vorne nach ihren Handgelenken, zog sie nach vorne und legte ihre Arme um seine Taille. Automatisch faltete sie die Hände vor seinem Bauch. Dann drückte er das Gaspedal und fuhr los.
Verkrampft und total nervös hielt sich Shirley an ihm fest und wagte nicht sich zu bewegen. Sie konnte je nach Straßenlage und Leons Fahrstil nicht verhindern, dass ihr Oberkörper ab und zu seinen Rücken berührte. Letztendlich gab sie es auf ihn so wenig wie möglich berühren zu wollen. Sie entspannte sich und lehnte ihr Gesicht an seine Lederjacke. Wo auch immer er her gekommen war, er hatte ihr schon wieder geholfen. Wenn er so weiter machte, würde sie sich noch daran gewöhnen.
Leon stellte sein Motorrad einen Block vor Jacks Haus ab und nahm ihr vorsichtig den Helm ab.
„Es ist besser, dein Vater hört die Kiste nicht Meilen voraus, sonst kommt er mir noch mit der Flinte."
Shirley schmunzelte.
„Er ist doch kein Monster."
„Nein, aber ein Cop. Nicht dass mich das in irgend einer Weise beunruhigen würde, aber ein Vater ist niemals zu unterschätzen, wenn es um seine Tochter geht. Erst Recht, wenn er eine Uniform und eine Marke trägt."
Wieder lachte sie.
„Aber den Rest bringe ich dich zu Fuß."
„Schon gut."
„Nichts da. Ich begleite dich. Weiß eh schon wo du wohnst."
„Ich kann nicht sagen, ob mich diese Tatsache beruhigt oder verstört."
„Ich bitte dich, wenn ich dir etwas antun wollte, dann wäre ja wohl jetzt die beste Gelegenheit."
„Ach ja?"
„Natürlich. Ruhige Gegend, wenig Beleuchtung und nur wir beide unterwegs."
Leon grinste sie frech an.
„Du spinnst", sagte Shirley und spazierte an ihm vorbei.
„Du traust mir wohl immer noch nicht", rief Leon und folgte ihr.
„Was erwartest du denn, wenn du solche Reden schwingst?"
„Guter Einwand, Miss Montez. Ich werde meine Wortwahl in Zukunft überdenken."
Lachend ging er weiter, doch Shirley blieb stehen. Wieso redete er so? Sie hatte alles erwartet, nur nicht das.
„Was ist?", fragte er und blieb auch stehen.
„So wie du eben geredet hast..."
„Oh das, ich hab das aus einem Buch."
„Aha."
„Komm schon, oder willst du hier Wurzeln schlagen?"
Sie setzte sich wieder in Bewegung. Ein paar Minuten schwiegen sie beide. Dann ertrug sie die Stille nicht mehr. „Also wenn du sowieso noch bis zur Haustür mitkommst, kannst du mir auch sagen, worüber du vorhin mit mir reden wolltest."
„Nun, ich wollte mich für das Spiel bedanken."
War das sein Ernst oder suchte er gerade nach einer Ausrede?
„Du hast mich ganz schön vom Hocker gehauen."
Sie lachte spöttisch.
„Von wegen, ich habe haushoch verloren. Darauf kann ich mir nichts einbilden."
„Doch das kannst du. Es hat vorher nämlich noch niemand geschafft im Zweikampf gegen mich einen Korb zu machen."
„Du verarscht mich doch."
Er schüttelte seinen dunklen Schopf und Shirley forschte in seinen Augen nach Schalk oder ähnlichem.
„Willst du mir sagen, es hat noch nie jemand gegen dich gewonnen?"
„Noch keiner. Also zumindest im Zweikampf. Ich habe auch seit drei Jahren keinen Fehlwurf gehabt. Den Rekord halte ich."
„Wow. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich annehmen du wolltest ein bisschen angeben."
„Vielleicht", gab er grinsend zu. „Aber ich lüge nicht. Seit zehn Jahren spiele ich mit den Jungs Basketball und seit zehn Jahren halten wir in der Meisterschaft den ersten Platz. Dieses Jahr wird mein letztes. Nach dem College muss ich wahrscheinlich damit aufhören."
„Warum?"
„Die Rox, sie brauchen mich. Tina braucht mich. Ich muss mir einen richtigen Job suchen. Ich kann nicht nur auf einer Baustelle aushelfen. Das reicht nicht auf Dauer."
„Kann dich niemand unterstützen?"
„Wer denn? Tina und ich haben keine Familie mehr, sind auf uns allein gestellt. Wir leben fast auf der Straße, Shirley. Wer sollte uns da schon unterstützen?"
„Es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten."
Er lächelte freundlich.
„Schon gut. Wir haben doch alle unsere kleinen und größeren Laster. Meines sind die Rox. Sie sind alles, was ich habe und dafür bin ich bereit so einiges zu opfern. Selbst Basketball."
Sie erwiderte sein Lächeln.
„Aber nun zu dir, was hat dich dazu gebracht hier her zu ziehen?"
„Persönliche Gründe."
Zwar wollte Shirley nicht wieder unhöflich sein, wo sich Mister Obercool gerade mal von der netten Seite zeigte, aber auf gar keinen Fall, wollte sie ihm die Wahrheit verraten. Noch nicht. Niemand sollte das erfahren.
„Schon okay, wenn du es nichts sagen willst. Ich verstehe das."
Anscheinend konnte Leon das tatsächlich verstehen, denn er fragte nicht weiter.
Nach einer Weile blieb er wieder stehen und wandte sich ihr komplett zu.
„Also ich finde, das ist ein neuer Rekord."
„Was?"
„Wir haben uns den gesamten Weg normal unterhalten ohne uns anzukeifen oder zu beleidigen. Ich finde, das verdient einen Eintrag in den Kalender."
So verblüffend es auch war, Leon hatte Recht. Es fiel ihr in dem Moment auch auf.
„Ich muss nicht immer ein...wie hast du es beschrieben...Ein arroganter Aufschneider sein."
„Hör mal, das war nicht so gemeint."
„Doch das war so gemeint. Aber soll ich dir noch was sagen?"
Sie nickte zögernd.
„Du hattest Recht. Ich bin ein arrogantes, selbstgefälliges Arschloch, dass sich oft für was besseres hält. Aber ich bin nicht immer so und ich möchte eine Chance dir das zu beweisen."
„Leon..."
„Nein, hör mir bitte zu, Shirley. Ich will nicht, dass du mich hasst. Alles was ich von dir will ist ein Neustart."
„Warum ist es dir so wichtig, was man von dir hält?"
„Was andere von mir denken, interessiert mich nicht. Aber es ist mir wichtig, was du denkst."
„Du kennst mich doch gar nicht."
„Vielleicht möchte ich dich ja kennen lernen. Schon mal auf die Idee gekommen?"
„Machst du dich über mich lustig?"
„Nein, bestimmt nicht."
Er wartete einen Moment ab, bevor er hinzufügte: „Auch wenn du mich im Moment noch nicht leiden kannst, ich will alles versuchen, damit sich das ändert, Shirley, denn ich mag dich. Ich will dich kennen lernen."
Über dieses Geständnis war Shirley so baff, dass sie sprachlos war.
„Ich bitte dich, verurteile mich nicht sofort. Gib mir zwei Monate. In denen darfst du mit mir und den Rox so viel Zeit verbringen, wie du möchtest. Aber gib mir diese zwei Monate. Wenn du danach immer noch gehen willst und sagst, dass du mich nicht leiden kannst, werde ich dich in Ruhe lassen. Darauf gebe ich dir mein Wort."
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