Kapitel 15
Als sie aufwachte musste sie erst einmal feststellen, wo sie sich befand. Sie kannte das Zimmer nicht. Dann erinnerte sich Shirley ziemlich schnell an alles und schon wieder hätte sie weinen können. Sie fühlte sich so schlecht, so elend und dumm. Wie hatte sie sich nur so anstellen können?
Andere Menschen waren viel schlimmer dran, als sie. Wenn sie an die armen Soldaten dachte, die im Krieg ganze Gliedmaßen verloren hatten oder schlimmer entstellt waren, bekam Shirley ein solch schlechtes Gewissen, dass es kaum zu ertragen war. Deshalb hatte sie sich zurück ziehen müssen, nicht weil Leon sie berührt hatte.
Er war so warm und verstand sie vollkommen. Wie hatte sie jemals an ihm zweifeln können? Er hatte ihr mit seiner Berührung so viel gegeben, dass allein das schon die Tränen in Shirleys Augen getrieben hatte.
Nun lag sie hier auf einem Bett und hatte sich in den Schlaf geweint. Sie wusste nicht einmal wessen Zimmer das war noch wie lange sie geschlafen hatte. Da sie keine Musik mehr hörte, war die Party wohl vorbei. Als sie sich aufrichtete erschrak sie halb zu Tode. An der Wand stand ein dunkler Sessel, in dem Leon saß. Er stützte sich mit den Armen auf den Beinen ab und sah zu ihr, als sie ihn ansprach.
„Leon, wie... wie kommst du hier rein?"
„Mit Sams Dietrich", erklärte er nüchtern und hielt genau diesen Dietrich hoch.
„Das ist mein Zimmer. Ich dachte, ich hätte wohl nichts dagegen, wenn ich hier einbreche."
„Wie lange sitzt du da schon?"
„Eine Weile."
„Und warum hast du nichts gesagt?"
„Ich habe deinen Namen gerufen, aber du hast nicht geantwortet. Und anfassen wollte ich dich nicht ohne dein Wissen."
Nach der Erklärung tat er ihr leid. Sie war vor ihren eigenen Schuldgefühlen davongelaufen. Shirley setzte sich auf die Bettkante, um ihm ein bisschen näher zu sein. Erst dann stellte sie fest, wie blass er war. Er war leicht verschwitzt und seltsame Schatten lagen unter seinen Augen. Hatte ihn ihre Reaktion so fertig gemacht? „Leon, es tut mir so leid!"
Für eine Sekunde sah er sie entsetzt an.
„Was tut dir leid? Du hast doch gar keinen Grund dich zu entschuldigen. Ich müsste mich bei dir entschuldigen. Ich habe geschworen dich nie zu etwas zu zwingen. Heute habe ich mein Versprechen gebrochen. Dafür könnte ich mir sonst was antun."
Er raufte sich verzweifelt die Haare. Shirley stand auf und nahm ihn in den Arm.
„Es ist alles gut. Du hast nichts getan, was ich nicht wirklich wollte."
„Doch und damit habe ich dich verletzt."
„Hast du nicht. Ich habe mich selbst immer verletzt. Das habe ich nun verstanden."
Sie kniete sich vor ihn und gab ihm behutsam einen Kuss.
„Ich dachte... ich dachte du würdest mich nun hassen", sagte er gequält.
„Wie könnte ich das? Du warst der erste Mensch, der sich nicht von mir abgewandt hat, der mich berührt hat und der mich versteht. Ich werde einen Teufel tun und dich weg schicken."
Erleichtert schenkte ihr Leon ein Lächeln, was ihm wieder ein wenig Farbe ins Gesicht brachte. Doch selbst nach dieser Aussprache wirkte er nicht so, als ginge es ihm besser. „Sag, Leon, geht es dir gut?"
Er schüttelte den Kopf.
„Was ist los? Du siehst aus, als..."
Sie suchte noch nach Worten, als er auf einmal sagte: „Als sei ich krank?"
Shirley nickte und ahnte schlimmes. Da nahm er ihre Hand und legte sie auf seine Brust, genau an der Stelle seines Herzens.
„Es schlägt nun für dich, nicht mehr für mich."
Eigentlich waren diese Worte eine wunderschöne Liebeserklärung. Warum lösten sie in ihr eher Panik aus?
„Hab ich dich so aufgeregt?"
„Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass es wegen dir ist."
Sie stutzte. „Was ist passiert?"
Leon wich ihr aus, indem er aufstand. „Ach nichts."
„Leon, rede mit mir!"
Nach einem Moment des Schweigens sagte er: „Es war ein kleiner, völlig unbedeutender und nicht wieder vorkommender Schwächeanfall. Nichts worüber man sich Sorgen machen sollte."
Oh und wie sie sich sorgte.
„Das ist doch nicht normal. Du solltest zum Arzt gehen. Das meine ich ganz ernst, Leon."
„Wenn du das sagst."
Sie nickte.
„Mache ich am Montag. Für heute solltest du nach Hause gehen."
Nach Hause! Jack! Verdammt wie spät war es denn? „Ähm ich habe keine Ahnung wie lange ich geschlafen habe."
„Lange. Es ist drei Uhr vorbei."
„Nein, Jack bringt mich um."
„Dann schreib ihm eine Nachricht und bleibe hier. Er kann dich auch morgen umbringen."
Das schien ihr auch die bessere Lösung zu sein. Mit der Nachricht würde er sich wenigstens keine Sorgen machen. Und die Standpauke bekam sie besser, wenn sie ausgeschlafen und vorbereitet war.
Nur da blieb noch eine Frage offen: Wo sollte sie schlafen?
Als hätte er es an ihrem Gesicht abgelesen, fing Leon an zu grinsen. „Du hast vorher auch in meinem Bett geschlafen. Du kannst dort bleiben."
„Ähhh."
„Nun zier dich nicht so. Ich werde heute garantiert meine Finger von dir lassen. Oder möchtest du unbedingt bei den anderen unten schlafen, die laut schnarchen, sich Geschichten im Schlaf erzählen und dir unbewusst auf die Pelle rücken?"
So sehr sie ihm den Schalk ausgetrieben hätte, er hatte einen Punkt.
So lag sie eine Weile später ungeschminkt und mit einem seiner Jogginganzüge bekleidet neben Leon, der sich nicht mal die Mühe machte wo anders hin zu sehen. Er hatte sich noch schnell geduscht, ebenfalls etwas bequemes angezogen und lag nun mit noch feuchten Haaren neben ihr auf der Seite und bekam sein Dauergrinsen gar nicht mehr herunter geschraubt.
Er genoss ihre Nervosität. Diesmal war beiden klar, dass sie nicht wegen ihrer Narbe nervös war. Eher weil er so aussah wie ein junger Gott und die pure Versuchung verkörperte. Sie hingegen fühlte sich in dem zwei Nummern zu großen Jogginganzug mächtig unattraktiv. Leon sah das irgendwie anders. Immerhin sah er nicht mehr so blass aus. Es schien ihm besser zu gehen. Sonst hätte Shirley auch kein Auge zu getan. Nun machte sie trotzdem kein Auge zu, weil Leon sie unbeirrt anstarrte.
„Wie soll ich denn dabei schlafen?"
„Gewöhn dich besser daran."
„Daran werde ich mich nie gewöhnen."
„Ich weiß nicht, ob ich mich darüber wirklich beschweren sollte."
Sie rollte mit den Augen.
„Willst du mich also die ganze Nacht anstarren, ohne mich anzufassen oder sonst was zu unternehmen?", fragte sie etwas wehklagend.
„Ich werde dich heute besser nicht mehr anfassen. Zu viel ist nicht gut für dich. Gewöhn dich lieber langsam daran."
„Aber gegen küssen spricht doch nichts, oder?"
Er lachte.
„Du gibst nicht auf, oder?!"
Dann beugte er sich zu ihr und küsste sie sachte. Shirley schmiegte sich an ihn und schlang den Arm um seine Mitte. Auch wenn er sie nicht mehr anfasste, niemand hatte gesagt, dass sie das nicht durfte. Sie gab sich ganz dem sinnlichen Kuss hin. Leider zog er sich viel zu schnell von ihr zurück. „Provozier mich nicht, Shirley."
Sie grinste ihn unschuldig an.
„Ich mach doch gar nichts."
„Du hast ja keine Ahnung."
Damit gab sie sich geschlagen. Es freute sie, ihn so zu erregen, trotz des blöden Outfits. Zufrieden schmiegte sie sich an ihn und schloss die Augen. Sofort spürte sie, wie müde sie eigentlich war.
„Ich liebe dich, Leon!" gestand sie, bevor sie einschlief.
~
Es war wie ein süßer Traum. Es musste einer sein. So schön konnte die Realität nicht sein. Denn wäre dies kein Traum, würde Shirley absolut durchdrehen. Niemand fasste sie an. Niemand außer Leon durfte sie anfassen - und küssen.
Ja das waren seine Küsse. Er brachte sie jedes Mal um den Verstand mit seinen Küssen. So auch in ihrem Traum. Halt! War dies wirklich ein Traum? Shirley öffnete die Augen.
Leon hatte sie wirklich geküsst. Nun beugte er sich zu ihrem Hals, um diesen ebenfalls mit Küssen zu bedecken. Ihre Haut fing an zu prickeln. Automatisch hob sie das Kinn. Ließ ihn gewähren. Dann spürte sie seine Hand an ihrer Taille. Vorsichtig fuhr er unter ihr Oberteil und und streichelte ihren Bauch. Es kitzelte, was sie dazu brachte sich zu verkrampfen.
Doch Leon ignorierte es und bewegte seine Hand weiter, bis sie eine ihrer Brüste erreichte. Leons Hand strich darunter entlang, genau an der Linie, wo die Wölbung begann. Das war ein sehr schönes Gefühl. Behutsam wanderten seine warmen Finger über die Wölbung bis zu ihrer Knospe.
Behutsam spielten sie mit ihr.
Er brachte ihre Atmung durcheinander, was ihn dazu bewegte ihren Mund wieder mit seinem zu verschmelzen. Seine Zunge tanzte mit ihrer, eroberte ihren Mund und löste ein angenehmes Ziehen in ihrem Schoß aus.
Dann war Schluss mit Vorsicht. Leon zog ihr das Oberteil aus und drückte sie mit weiteren Küssen zurück ins Kissen, beugte sich über sie, verwöhnte ihren Hals und ihr Dekolleté mit feuchten Küssen. Dann liebkosten seine Lippen ihre Brüste und Shirley wollte diese Berührungen nie wieder missen.
Sie hatte befürchtet es wäre zu früh, aber ihr Gefühlsausbruch hatte alles verändert. Leon die Narbe zu zeigen hatte alles verändert und die Tatsache, dass er sie trotzdem noch so sehr wollte. Er zog sein Shirt aus und sie berührte seinen starken Rücken, seine trainierten Arme und seine Brust. Leider war es zu dunkel im Zimmer, weshalb sie ihn nur unscharf wahrnahm. Das machte nichts. Sie wurde so sehr von seinen Händen abgelenkt, dass sie sowieso alles andere vergaß.
Er berührte sie, wie noch keiner zuvor, mit unglaublicher Hingabe. Seine Hände und sein Mund liebkosten sie erfahren.
Langsam fuhr er mit der Hand unter den Bund ihrer Hose, fuhr selbst in ihr Höschen und berührte ihre schon sehnsüchtig wartende Mitte. Er massierte sie, drang rhythmisch mit den Fingern in sie und wieder hinaus.
Das war Wahnsinn. Nach einem weiteren Stöhnen von ihr zog er sie komplett aus. Nur um ihren Schoß anschließend mit dem Mund zu verwöhnen. Shirley bewegte sich ihm entgegen und genoss das erregende Spiel seiner Lippen. Sie griff erregt in seine Haare und schloss die Augen. So schön konnte kein Traum sein.
Sie keuchte und er ließ ab von ihr, zog sich die Hose aus und war sofort wieder bei ihr. Es folgte ein Schwindel erregender Zungenkuss. Sie fühlte seine starken Arme und erkundete seinen Körper bis über die Schenkel zu seinem wohlgeformten Hintern.
Ihre Hände schienen ihm dort zu gefallen. Mutig festigte sie den Griff und drückte ihn an sich. Als sich seine Erektion an ihren Bauch drückte, begann sie diese mit einer Hand zu verwöhnen, was zur Abwechslung Leon ein zufriedenes Stöhnen entlockte.
Fasziniert von seiner Grösse schmunzelte sie.
Doch sich anzufassen reichte beiden nach kurzer Zeit nicht mehr.
„Warte!"
Leon holte eilig ein Kondom aus dem Nachttisch. Geübt zog er es über und beugte sich anschließend wieder über Shirley. Seine Lippen liebkosten ihren Hals aufs Neue, während er sich zwischen ihre Beine schob. Er strich erneut mit der Hand über ihre empfindliche Mitte. Sie war bereit ihn zu empfangen und doch fuhr sie erschrocken zusammen, als er endlich in sie eindrang. Er war noch grösser, als sie es zuvor erahnt hatte.
Sie schrie erregt auf, als er sich mit seinen Hände neben ihrem Oberkörper abstützte, sich wieder hinaus zog und wenige Sekunden später erneut in sie drückte.
Ein tiefer Stoß, füllte sie komplett aus. Ihn in sich zu spüren überwältigte sie.
Er hielt ihren Blick gefangen, erfasste jede Regung von ihr, während er sich langsam in ihr bewegte. Seine Zunge fand erneut den Weg in ihren Mund und trieb sie in den Wahnsinn.
Er nahm sie leidenschaftlich und voller Liebe. Sie gab sich ihm komplett hin, ohne weiter darüber nachdenken zu können.
Erst recht als seine Stöße fordernder und härter wurden. Sie bäumte sich ihm voll Wonne entgegen und erlebte schon bald einen heftigen Orgasmus.
Nachdem Leon sie so gierig genommen hatte, lächelte er glücklich und sagte: „Du bist mein. Dich geb ich nie wieder her."
Dann gab er ihr einen Kuss, der diese Worte unterstreichen sollte und nahm Shirley erneut. Er hob sie hoch, sodass sie halb auf seinem Schoß saß und drückte sein Becken erneut an ihres. Shirley hatte den ersten Höhepunkt noch nicht verdaut, da kamen schon erneute Wellen der Lust in ihr auf.
Er berührte alles an ihr. Selbst ihren Rücken. Zuerst hatte sie sich noch verkrampft. Aber Leon löste diesen Krampf sehr schnell mit seiner Art und Weise sie zu lieben.
Er hielt sie fest und zeigte ihr, dass ihm ihre Narbe absolut gar nichts ausmachte, indem er sie mit leidenschaftlichen Sex in absolute Ekstase brachte.
~
Die Sonne schien durch das schmale Fenster in Leons Zimmer. Tatsächlich, es war sein Zimmer. Obwohl Leon ihr zuvor versichert hatte sie nicht mehr ohne ihre Zustimmung anzufassen, hatte Leon sie verführt.
Und wie er das hatte. Ausführlich und lange. Es gab keine Stelle mehr an ihrem Körper, die Leon nicht berührt hatte. Sie spürte die Röte ihr ins Gesicht steigen und drehte sich zu ihm. Er schlief noch. Also würde sie ihn nicht wecken. Leise stand sie auf und suchte sich ihre Kleider zusammen.
Nachdem sie sich angekleidet hatte, trat sie vorsichtig aus dem Zimmer. Keiner da. Schliefen die etwa noch alle? Wo war ihr Handy? Sie musste wissen, wie spät es war. Das Handy hatte sie in Leons Zimmer gelassen. Na da würde sie vorerst nicht wieder rein gehen. Sie hatte Hunger. Einen Bärenhunger. Also ging Shirley, um die Küche aufzusuchen.
Im unteren Bereich stellte sie fest, dass Tina schon auf war und angefangen hatte aufzuräumen. Dafür bewunderte Shirley sie.
„Hey, Tina."
„Oh, hi. Ich hatte eigentlich noch nicht mit dir gerechnet. Sag wie geht es dir? Alex sagte, du hast gestern zu viel Leon abbekommen."
Shirley verschluckte sich. So konnte man das auch nennen.
„Ähm... ja. Aber es war nicht so schlimm."
„Wirklich? Mein Bruder wollte dich ganz bestimmt nicht verletzen. Er mag dich einfach nur so gerne."
„Tina, es geht mir gut. Ehrlich, Leon hat nichts getan, was ich nicht wollte." Tina schien ihr immer noch nicht zu glauben. Doch bevor sie zu weiteren Ausführungen ausholen konnte hörte sie ein verschlafenes „Guten Morgen" hinter sich.
Warum sah Leon eigentlich selbst direkt nach dem Aufstehen noch sexy aus? Shirley hatte ihre Mähne noch nicht einmal kämmen können und definitiv zu wenig geschlafen. In dem geliehenem Jogginganzug fühlte sie sich erneut unattraktiv und ihr Kleid hatte sie nicht wieder anziehen wollen. Das war nicht fair.
Selbst sein knittriges T-Shirt war sexy. Einfach alles an ihm. Shirley zwang sich ihn nicht anzusehen, sondern den Boden. Unter einem gemusterten alten Teppich lugten die Reste der Parkstreifen hervor. Irgendwie war das cool. Doch auf Dauer war der Boden uninteressant. Deshalb schaute Shirley wieder auf. Sie zuckte zusammen, weil Leon direkt neben ihr stand und ebenfalls den Boden bewunderte.
„Hast du was verloren?"
Schnell verneinte sie und huschte in die Küche. Seinen Reizen ausgesetzt zu sein, war gefährlich. Sie hatte die letzte Nacht noch nicht verdaut.
„Wie geht's dir?", hörte Shirley Tina durch die offenen Tür fragen.
„Gut", gab Leon knapp zurück.
„Das war gestern nur ein harmloser Anfall. Nichts worüber du dir deinen Kopf zerbrechen musst."
Durchs Fenster, sah Shirley, wie Leon seiner Schwester an den Kopf tippte.
„Leon, ich will dich nicht nochmal im Krankenhaus besuchen. Sei bitte vorsichtig."
„Jetzt mach dir nicht ins Hemd. Ich war einfach gestern ein wenig angespannt."
„Und jetzt bist du es nicht mehr?"
„Nein."
Tina verdrehte die Augen.
„Sag mir bitte, wenn das nochmal vorkommt."
„Okay", versicherte Leon halbherzig und schlenderte zu Shirley in die Küche. Auch sie machte sich Sorgen um seine Gesundheit. Eine Herzkrankheit war nicht leichtfertig zu behandeln.
„Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Ihr tut ja beide so, als wäre ich fast tot."
„Das vielleicht nicht, aber es ist ernst."
Leon stöhnte genervt und gab ihr einen Kuss. Damit war jeglicher Widerspruch aufgehoben. Sobald seine Lippen die ihren berührten, schaltete sich automatisch ihr Verstand ab. Er legte die Arme um sie und zog sie an sich ran. Hatte ihr das jemals etwas ausgemacht?
„Na hoppla, stör' ich?", fragte Ian grinsend an den Türrahmen gelehnt und knabberte an ein paar Chipsresten.
„Nein", sagte Leon. Shirley sah ihm an, dass er nicht gestört werden wollte.
„Wie ich sehe naschen wir beide gerne nach dem Aufstehen."
Leon sah sich kurz um, griff reflexartig nach einem Topflappen und warf ihn Ian an den Kopf.
„Verzieh dich!"
„Ey, das ist nicht dein alleiniges Revier, Leon. Die Küche ist für alle da."
„Jetzt nicht."
Ian lachte und ging zu Tina. Zu gerne hätte Shirley gehört, was er zu ihr sagte. Nachdem er sie und Leon so nah beieinander gesehen hatte – und vor allem seine Hände auf ihrem Rücken – musste für ihn doch alles klar sein. Vielleicht wusste er dadurch auch, dass sie miteinander geschlafen hatten?
„Alles in Ordnung?", fragte Leon sanft.
„Ja", versicherte sie lächelnd.
„Das hoffe ich doch. Ich habe nämlich die Absicht dich bald wieder zu vernaschen", flüsterte er in ihr Ohr und trieb ihr schon wieder die Röte ins Gesicht.
„Also wirklich!", schimpfte Shirley und schubste ihn von sich. Sie ließ ihn sich von hinten umarmen, während sie nach etwas essbaren suchte. Es war absolut okay für sie ihm ihre schwache Seite anzuvertrauen. Noch vor Stunden hätte keiner so hinter ihr stehen können. Doch bei Leon machte es ihr nichts aus.
„Gibt es irgend etwas bei euch, dass ich nicht essen soll?"
„Du darfst alles essen. Nur nicht dich, da steht nämlich mein Name drauf."
„Sehr witzig. Nicht nur arrogant, jetzt auch noch besitzergreifend."
„Natürlich. Ich teile dich nicht. Alles andere, aber nicht dich."
„Schon klar."
Er war zu süß. Es passte gar nicht zu ihm solche Sachen zu sagen. Es erwärmte ihr Herz und frischte die Erinnerungen an die vergangenen Stunden auf. Es war einfach zu perfekt gewesen. Diese Nacht war einzigartig und Shirley würde noch lange daran zehren.
Nach einem ausgiebigen Frühstück wurden die Partyreste beseitigt. Shirley half selbstverständlich, obwohl es komisch war Spuren einer Party zu beseitigen, von der sie nicht viel mitbekommen hatte. Genauso viel wie vom Nirvana. Das musste sie unbedingt nachholen.
„Ich trinke nie wieder so viel!", klagte Sam, der einen starken Kater hatte.
„Das sagst du jedes Mal und trotzdem betrinkst du dich beim nächsten mal wieder hemmungslos", gab Vince trocken zurück. Er stopfte gerade die letzte Chipstüte in den Müll, als Susan zu ihm kam.
„Jedes mal veranstaltet ihr einen Trinkwettbewerb und jedes Mal liegt einer von euch jammernd in der Ecke. Warum lernt ihr nicht daraus?"
„Was schlägst du vor? Das trinken ganz sein lassen?"
„Zum Beispiel."
Das kam für keinen in Frage.
„Ich glaube ich habe am wenigsten getrunken diesmal. Gibt es dafür auch einen Preis?", kam es von Leon.
„Für dich wäre es am besten nie wieder auch nur an Alkohol zu denken", fauchte Tina.
Jeder von den Rox wusste, was sie meinte. Eine unangenehme Stille überkam alle, bis auf einmal Shirleys Handy klingelte. Leon hatte es ihr zuvor mit runter gebracht. Ohne nachzusehen, wer es war, ging sie ran. Es konnte nur Jack sein, der ihr die Hölle heiß machen würde, weil sie so lange fort blieb. Immerhin war es schon Mittag.
„Hallo?"
„Hallo, Shirley", sagte eine rauchige Stimme, die so gar nicht nach ihrem Vater klang. Diese Stimme ließ ihr einen kalten Schauer den Rücken hinab laufen. Genau entlang der Linie, die sich quer über ihre Haut zog.
Innerhalb einer Sekunde hatte sie aufgelegt und ihr Handy wie ein ekeliges Insekt auf den Boden fallen lassen. Verstört sahen die Rox sie an. Unfähig etwas zu sagen starrte Shirley ihr Handy an. Sie erwartete jeden Augenblick ein weiteres Klingeln. Doch das Handy blieb ruhig.
So erfolgreich Leon es geschafft hatte ihre Ängste auszutreiben und ihr trotz angeschlagener Psyche näher zu kommen, so sehr würde es ihr zusetzen, wenn sie jetzt jemand anfasste. Deshalb verstand keiner, warum sie vor ihm zurück wich, als er besorgt auf sie zukam.
Offenbar hatte Justin eine stärkere Wirkung auf sie, obwohl sie bloß seine Stimme gehört hatte. Er war weder in North Carolina noch hatte er sie berührt. Er hatte zu große Macht über sie. Noch immer. Warum hatte er sich gemeldet? Wie hatte er ihre neue Nummer heraus bekommen? War das ein krankes Spiel von ihm? Oder bitterer Ernst?
Shirley fasste an ihre zitternden Arme und konnte es nicht fassen. Nach Monaten meldete sich der Typ. Was wollte er nur von ihr? Reichte es ihm nicht sie damals geschlagen und verletzt zu haben? In ihrem Kopf ratterte es. Wie sie es drehte und wendete, es kamen immer mehr Fragen auf. Plötzlich fasste Leon an ihre Schulter und riss sie aus ihren Gedanken. Sofort nahm er seine Hand weg. War sie zusammen gezuckt?
„Wer war das, Shirley?"
Eine einfache Frage. Eine ganz einfache Frage, aber eine unmögliche Antwort:
„Das...das war...Justin."
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