Tag 1613 - Halt mich

Ich schrecke aus dem Traum hoch und fasse mir an mein wild schlagenes Herz. Es pocht so sehr, als hätte es einen Weg hinaus aus diesem Alptraum gesucht. Hinaus aus diesem Grauen. Ich ringe um Atem und fasse mir an mein klitschnass verschwitzes Shirt.
Ein Traum.... nur ein Traum...
Ein verdammter Alptraum!
Nichts davon ist passiert...
Nichts davon ist wahr...
All das ist nur meiner schrecklichen Phantasie entsprungen...
Der Angst, sie für immer zu verlieren...
Doch es war nur ein Traum...
Ein furchtbar schrecklicher Traum...
Ich vernahm ein Räuspern und wusste ohne aufzusehen, dass es sich um Ken-chin handelte.
Doch als ich die Augen öffne, fielen sie nicht auf den schwarz haarigen, welcher immer noch die gleiche Frisur wie damals trug.
Nein, sie fielen auf meine Hände, die immer noch das weiße Shirt umklammerten. Ein Shirt welches Flecken aufwies, die ich eindeutig identifizieren konnte, ohne einen zweiten Blick auf diese zu werfen. Doch nicht nur das Shirt war von dieser rostroten Farbe überzogen.
Auch auf meinen Händen hafteten diese schrecklichen Flecken, welche so aussahen, als hätte ich jemanden umgebracht. Selbst unter meinen Fingernägeln, schimmerte die Farbe durch. Doch hatte ich niemanden umgebracht.
Oder doch?
Nein, hatte ich nicht...
Versuchte ich mir einzureden, während eine andere Stimme in mir sprach - doch das hast du!
Du hast jemanden getötet!
Jemanden der dir mehr bedeutet als alles auf der Welt...
Vielleicht nicht mit den eigenen Händen, doch hast du die Pfeile gespitzt, die sie in den tot trieben!
Du bist Schuld!
Du bist Schuld!
Du bist Schuld!
Du ganz allein!
Es ist deine Schuld!

Meine Atmung wurde immer hektischer, während mir das Rostrot entgegenschrie, dass es sich nicht um einen furchtbar schrecklichen Alptraum gehandelt hatte. Und auch wenn ich nicht zuhören wollte - meine blutverkrusteten Hände auf meine Ohren presste, um diese kreischende Stimme auszusperren, so krochen die Worte dennoch in mein Herz, um es zu zerbersten. Um jene Scherben zu pulversieren, die von meinem Herzen noch übrig waren. Löschten jedes noch so kleine Molekül aus, bis nichts mehr hinter meinen Rippen existerierte, als gähnende Leere und Dunkelheit.
Bis ich glaubte das dieses klaffende Loch in meiner Brust, alles was mich ausmachte in sich aufsog, wie ein schwarzes Loch.
Bis nichts mehr von mir existerierte. Doch gerade als auch das letzte bisschen von mir verschwinden wollte und ich dankbar für die Erlösung aus dieser Qual, der Finsternis hingab, spürte ich ein rütteln an mir, bevor mir meine Hände gewaltsam von den Ohren gezogen wurden.
Ken-chin sprach zu mir, doch schien ich schon zu weit entfernt, um zu verstehen, was er sagte.
Doch ein Wort drang dabei deutlich an meine Ohren.
Ein Wort, dass mich aus der Dunkelheit zog.
Ein Wort, dass die feinen Moleküle meines gebrochenen Herzen wieder zusammen setzte.
Ein Wort, dass die reinste Erlösung für mich war.
Dieses eine Wort, dass jeden Schatten Vertrieb, der auf mich zukroch.

Lebt.

Lebt.

Lebt.

Lebt.

Lebt.

Dieses Wort drang in mich ein und brachte mein Herz wieder zum schlagen.
Es fühlte mein Lunge mit Sauerstoff und brachte die Wärme zurück in meinen Körper.
Es entzündete einen Funken, der die Dunkelheit vertrieb und mich aus der Finsternis befreite.
Mit großen Augen sah ich zu Ken-chin, der mir bestätigend zunickte.
Ein weiterer vorsichtiger Atemzug fühlte meine Lunge, während dieses eine Wort weiter in meinen Geist sickerte und mich mit einem puren Glücksgefühl durchflutete.
"Sie lebt" ,wiederholte ich mit einer Stimme, die nicht mir zu gehören schien. Sie klang rau und gebrochen. Doch wenn ich genau darüber nachdachte, passte sie sogar besser zu mir, als meine gewohnte Stimme. Sie spiegelte mein Innerstes wieder. Alles was mich zur Zeit ausmachte.

Mein bester Freund nickte nochmal zu Bestätigung und wandte sich dann an einen Schatten, der in der hintersten Ecke meines Zimmers lauerte.
"Sie können jetzt gehen, ich habe es im Griff" ,wies er die Silhouette an, die ich wage als Mann identifizierte. Er tauchte ab und einige klickende Geräusche waren zu vernehmen, bevor er sich wieder aufrichtete und meinem Vizen zunickte, ehe er aus den Schatten stieg und ich ihn als einen unserer Ärzte erkannte.
Mit einem weitern klicken, verschwand er durch meine Zimmertür und eine schneidene Stille breitete sich in meinem Zimmer aus.
Ich richtete mich auf, wurde dabei jedoch kritisch von Ken-chin beäugt.
"Mach langsam" ,forderte er mich auf, als ich Anstalten machte mich aufzurichten, wobei er eine Hand um mein Handgelenk legte.
"Wo ist sie?"
Der dunkelhaarige sah mich mit einer Mischung aus Tadel und Mitleid an, doch wollte ich weder sein Mitleid, noch hatte ich Lust mich von ihm belehren zu lassen, weshalb ich meine Frage mit Nachdruck widerholte noch bevor er eine Silbe über die Lippen brachte.
"Unten" ,kam es dann knapp von ihm, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte. Strinrunzelnd sah ich ihn an.

"Der Schnitt den sie sich zugefügt hatte, war tief, doch hatte er nicht die Hauptschlagader getroffen" ,berichtete er mir, wobei auch er sich erhob, jedoch mein Handgelenk immer noch umfasst hielt. Entweder tat er dies, um mir halt zu geben oder um mich aufzuhalten. Da mir das jedoch genauso wenig zusagte, schüttelte ich seine Hand ab.
"Wie geht's..." ,begann ich, doch verschluckte ich die nachkommenden Worte, als ich selbst bemerkte, wie lächerlich diese Frage war. Mein Vize antwortete mir dennoch.
"Den Umständen entsprechend, würde ich sagen. Sie ist sehr still und teilnahmslos. Wirkt als wäre sie zwar hier, doch nur wie eine unbeteiligte Beobachterin" ,mit ernster Miene sah er mich an, "der innerer Kreis Tenjiku's ist bei ihr. Sanzu hatte sie sofort informiert und sie sind wohl gleich darauf los."
Ich nickte verstehend. Auch wenn ich nicht gerade begeistert darüber war, sie hier zu haben, so war ich doch froh darüber, dass auch sie der Umstand nicht kalt zu lassen schien.

Ich Schritt an Ken-chin vorbei, worauf er mich nochmal am Arm aufhielt.
"Sie haben es sich alle samt in deinem Wohnzimmer bequem gemacht. Wollte dich nur schonmal vorwarnen" ,meinte er dann zu mir bevor er mich wieder los ließ. Daraufhin runzelte ich dir Stirn. Doch nicht, weil mich die Tatsache das sie mein Wohnzimmer belagerten so verwunderte, sondern da mir eine ungereimtheit auffiel.
"Wie lange habe ich..." , geschlafen war das falsche Wort, weshalb ich mich abermals selbst unterbrach, "wie lange war ich nicht bei Bewusstsein?"
"Zwei Tage" ,kam es schlicht von meinem Vizen.
Zwei Tage ?
Als hätte ich die Frage laut ausgesprochen, antwortete er mir.
"Jedes Mal wenn du wach wurdest, hattest du eine Panikattacke, weshalb dir Dr. Mijagi etwas gespritzt hat, wodurch du wieder eingeschlafen bist. Dieses Mal warst du nicht so..." ,Ken-chin atmete tief durch, "...dieses Mal war deine Panikattacke humaner, weshalb ich zu dir durchdringen konnte, bevor der Arzt eingreifen musste."

Eine halbe Ewigkeit stand ich nur da und versuchte zu begreifen, wie das möglich war. Ich hatte keine Erinnerung daran. Meine letzte Erinnerung war, wie Yuzuha und Kisaki über mein Lämmchen standen, welche in eine immer größer werdende Blutlache am Boden ihres Badezimmers lag.
"Mikey" ,zog mich Ken-chin dann aus meinen Überlegungen, weshalb ich einmal tief durchatmete und die Türklinke in die Hand nahm.
"Ähm... Du solltest dich besser erst waschen und dich neu einkleiden, bevor du runter gehst" ,machte er mich auf meinen Zustand aufmerksam, bevor ich die Tür öffnen konnte. Ich sah wieder auf meine Hand, welche die Klinke noch hielt und ließ diese wiederwillig los. Auch wenn ich nichts lieber wollte, als mich zu vergewissern das sie am Leben war, so musste ich meinen besten Freund Recht geben, weshalb ich mich ohne ein weiteres Wort in mein Badezimmer verzog.

Als ich sauber und mit frischen Klamotten in mein Schlafzimmer trat, lief ich ohne auf meinen Vize zu warten, an ihm vorbei, aus meinem Zimmer. Gelächter schwoll zu mir herüber, ebenso wie verärgertes Grollen.
Ich betrat den überfüllten Wohnbereich und würde sogleich in eine feste Umarmung gezogen.
Blinzelnd sah ich an mir herunter und entdeckte meine Schwester, die an mir klebte, als hinge ihr Leben davon ab.
"Alles gut, Emma" ,hauchte ich und strich ihr übers Haar. Sie sah zu mir auf und als ich das gefährliche glitzern in ihren Augen sah, überkamen mich Schuldgefühle. Gnadenlos und heftig. Ich schlag meine Arme um sie und nuschelte so etwas wie eine Entschuldigung.
"Es wird alles wieder gut. Ich kümmer mich darum."

Jemand klopfte mir auf die Schulter. Als ich den Kopf drehte, blickte ich Takashi direkt ins Gesicht. Er lächelte mir leicht zu und verschwand dann wieder in der Küche. Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte Izana der an meinen Tisch saß und desinteressiert zu mir schaute. Meine Familie hatte sich in meiner Küche versammelt und hatte ihren Blick missmutig in Richtung meiner Couch gerichtet. Dort saß der Rest des inneren Kreises Tenjiku's. Alle versammelt um mein Lämmchen. Sie sahen sich einen Film an und lachten über irgendeine Szene. Alle, bis auf ihre Königin. Sie schien teilnahmslos das geschehen am Bildschirm zu verfolgen, während der ältere Haitani sich aus einer Schüssel in ihrem Schoß, Popcorn klaute. Die Szenerie war bizar. Zumindest für meine Augen und so wie es schien, auch für den Rest meiner Familie. Rindou saß am Boden und hatte seinen Kopf gegen die Beine seiner Königin gelehnt. Ebenso Sanzu, welcher nur einen Platz weiter saß. Am Fußende meines Lämmchens saß Hanma, welcher jedoch mehr in sein Handy vertieft zu sein schien. Dennoch strich er mit seiner Hand - welche er um ihr Bein geschlungen hatte, immer wieder über ihren Knöchel. Alle hielten zu ihrer Königin Körperkontakt oder saßen in ihrer unmittelbaren Nähe, sodass nur die eine Seite meiner riesigen Couch belagert wurde. Neben Hanma saß Takeomi, Kakucho neben Ran, Kokonoi wiederum neben Rindou am Boden. Auch Wakasa, Benkai, Shion, Mucho und Kanji hatten es sich auf dem Boden gemütlich gemacht und hierfür meinen Couchtisch irgendwo hinverfrachtet, wo ich ihn nicht sehen konnte.

Alle waren hier.
Für mein Lämmchen.
Für ihre Königin.
Doch wusste ich nicht so Recht, ob mir das gefiel.
Einerseits war ich froh, dass sie für sie da waren.
Das auch sie soetwas wie eine Familie waren.
Es verblüffte mich.
Ich hätte niemals gedacht, dass diese Gang überhaupt soetwas wie Moral und Anstand hatte. Dachte immer das sie sich - wenn sie könnten, sogar gegenseitig verraten würden, doch schien dies nicht der Fall zu sein.
Wie sie jedoch damit umgingen, gefiel mir weniger.
Sie lachten und taten so, als wäre nie etwas geschehen. Sahen sich einen Film an, als wäre nichts von Bedeutung passiert.
Und einige von ihnen, hatten ihre Finger auf meinem Mädchen. Strichen über ihre Haut. Kuschelten sich an sie. Waren ihr so nah, wie ich ihr schon ewig nicht mehr war.
Ich atmete tief durch und sagte mir, dass jetzt kein Platz für eifersucht war. Das es jetzt wichtigeres gab, als Ran seinen Blick über die Schulter zu mir schweifen ließ.

Etwas verschlagenes blitzte in seinen Augen auf, bevor er seinen Kopf drehte und sich so weit zu meinem Lämmchen lehnte, dass er ihr etwas ins Ohr flüstern konnte. Ich sah wie ihre Schultern sich verspannten und sie ganz steif wurde, doch rührte sie sich nicht. Sah nicht zu mir, wie der hinterhältigste der Haitani Brüder, es gerade wieder tat.
"Hey Mikey" ,ein breites Grinsen machte sich auf Ran's Gesicht breit, "wolltest du dich auch vergewissern, wie blöd sich unsere Königin wieder einmal angestellt hat?"
Während der ältere Haitani mich ansprach, blickten nach und nach auch die anderen des inneren Kreises zu mir, nur meine Kleine sah weiterhin starr auf den Bildschirm.
Hinter murrte Pah auf, doch was er genau von sich gab, verstand ich nicht.
"Selbst zu blöd, um sich die Halsschlagader zu durchtrennen" ,lachte Hanma, worauf auch die anderen Mitglieder Tenjiku's anfingen zu lachen.
Mein Atem stockte. Ich glaubte das selbst mein Herz nicht mehr schlug. Alles in mir kam zum erliegen.
Das hatte er nicht gesagt...

Er hätte sein Todesurteil unterschrieben, wenn nicht in genau jeden Moment, in dem seine Worte völlig in meinem Bewusstsein abgetaucht waren, Izana mich nicht aufgehalten hätte. Ich hatte nicht Mal bemerkt, dass mein Adoptivbruder auf mich zu getreten war, so sehr war meine Aufmerksamkeit auf jenen gerichtet, denn man den Sensenmann nannte. Hanma war mir schon immer ein Dorn im Auge gewesen, doch mit dieser Aussage, hatte er einen Hass in mir geschürt, der unerbitterlicher nicht mehr sein konnte. Ran war schon zu weit gegangen, doch der Riese spang noch mehrere Meter über diese Grenze hinweg.
Izana drückte meine Schulter und beugte sich zu mir ans Ohr.
"Das ist ihre Art damit fertig zu werden. Sue braucht das. Genau so. Sie braucht kein Mitleid. Sie braucht Normalität, um sich aus ihrem Loch zu ziehen. Hanma und Ran sagen das nur, um sie da raus zu holen, nicht weil sie es lächerlich finden. Wenn dem so wäre, wären sie nicht hier. Sie sorgen sich um Sue, genau wie alle anderen und das ist ihre Art von Hilfe. Ob du das nun moralisch verwerflich findest oder nicht, interessiert jetzt keinen und genau das habe ich deinen Leuten auch schon eingetrichtert."

Ich ballte meine Fäuste, bei Izana's Rede. Die Wut brodelte immer noch in mir, ganz gleich was er auch sagte, doch ein Blick in die Richtung meines Lämmchens reichte, um diese zu ersticken. Ein schwaches Lächeln war auf ihren Lippen erschienen, während sie zu Hanma blickte. Ich schluckte schwer und atmete tief durch. Daraufhin ließ Izana meine Schulter los und trat zurück. Ich hörte wie ein Stuhl verschoben wurde, doch lag mein Blick weiterhin auf ihr. Sie trug einen Verband um den Hals und hatte bis auf die leichte Kopfbewegung nichts an ihrer Haltung verändert, doch konnte ich geradezu spüren, dass es ihr ein wenig besser ging.
Als hätte sich die Atmosphäre ein wenig erhellt.
Als hätte dieser verabscheuungswürdige Spruch, ein wenig Licht in ihre Dunkelheit gebracht.
Als würde sie ein wenig aus ihrer Depression erwachen und das Leben wieder willkommen heißen.
Ich sah wieder zu Hanma, der mir einen Blick schenkte der selbstgerechter nicht sein konnte.
Dieser Bastard würde dafür noch bezahlen, ob er damit meinem Lämmchen half oder nicht, doch nicht heute. Heute würde ich ertragen, was auch immer sie an Abartigkeiten auch von sich geben würden. Doch sollte das hier vorbei sein und mein Lämmchen wieder wohlauf, werden sie alle einen guten Chirurgen brauchen.

Ein wenig unbeholfen stand ich da und hörte wie einer nach den anderen einen dummen Witz riss. Bisher jedoch keinen mehr, über ihren Suizidversuch. Sie schlugen sich spielerisch und ab und zu, auch mein Lämmchen. Jedes Mal war es nur ein leichter Schlag gegen ihren Oberarm oder ihr Bein, doch ließ dies mich immer wieder zusammenzucken. Von ihr kam jedoch nie eine Reaktion. Auch kein leichtes Lächeln war mehr auf ihren Zügen erschienen. Gelegentlich sah sie einen von ihnen an, bevor sie wieder auf dem Bildschirm sah, auf dem jetzt ein schlechter Horrorfilm lief. Auch wieder eine Wahl, die ich nicht getroffen hätte - um mein Mädchen aufzuheitern, zumal sehr viel Blut floss.
Ich ging zu meiner Familie in die Küche, wo ich mit bedruckten Mienen empfangen wurde.
"Mir gefällt das auch nicht, wie sie sich benehmen" ,meinte Yuzuha, als ich bei ihnen war. Ich sah sie nur an, worauf Ken-chin mir etwas zu essen in die Hand drückte.
"Wenn es ihr wirklich hilft" ,kam es skeptisch von Nahoya, welcher sein Augenmerk weiter auf die Gruppe im Wohnzimmer geheftet hielt.

Einer nach dem anderen tat seine Meinung dazu kund, doch niemand von ihnen schien sonderlich begeistert. Ich legte das was Ken-chin mir gereicht hatte, beiseite und nährte mich wieder dem Wohnzimmer. Izana richtete sich alarmiert auf, doch schenkte ich ihm keine Beachtung. Ruhig ließ ich die Szenerie auf mich wirken. Auch ich war mir unsicher, in wie weit schlechte Filme und Witze ihr dabei helfen sollten, sich aus ihrer Dunkelheit zu befreien. Doch sie hatten alle viel mehr Erfahrung damit.

Ich hingegen, hatte ihr nie dabei helfen können, wieder ein wenig Licht in ihr Leben zu lassen.
Ich wusste nicht, was ich tun musste, um ihr wieder Leben einzuhauchen.
Ich wusste nicht, wie ich die Dunkelheit vertreiben konnte, welche sie gefangen hielt.
Doch ich kannte sie.
Diese Dunkelheit, die einem die Schönheit auf das Leben nahm.
Diese Kälte, die einem bewegungsunfähig machte.
Diese finsteren Gedanken, die jedes Gefühl verdüsterte, ganz gleich wie sehr man auch dagegen ankämpfte.
Ich kannte sie.
Ich wusste wie es sich anfühlte.
Und ich wusste was mich daraus befreien konnte.
Wusste was mich heilen würde.
Die Wunden schloß.

Langsam trat ich auf die Couch zu. Mein Blick unverwand auf mein Lämmchen.
Hinter der Rückenlehne blieb ich stehen.
Ich spürte den Blick des älteren Haitani's, sah jedoch nicht in seine Richtung, als ich ihn ansprach.
"Mach Platz!"
Ein schlichter Befehl, ohne jede Emotion in der Stimme und obwohl ich nicht sein König war, leistete er diesen aprubt folge.
Sein Arm verschwand um ihre Schulter und er rückte einen guten Meter von ihr ab, wobei Kakucho Aufstand und in Richtung der Küche davon ging.
Mein Lämmchen drehte ihren Kopf, als ich über die Lehne stieg. Unser Blick traf sich und so etwas wie Unglaube spiegelte sich in ihren trüben Augen. Einen winzigen Moment weiteten sie sich, doch sobald ich saß, fielen sie wieder in ihre Ausdruckslosigkeit. Sie wand ihren Kopf ab und sah wieder in Richtung des Bildschirm's, doch erkannte ich jetzt das sie nicht wirklich hinsah. Ihre Augen folgten nur der Richtung, jedoch schimmerte in ihnen nur Leere.

Ich spürte die brennenden Blicke der anderen auf mir, als ich meine Hand hob und ihr eine Haarsträhne aus der Stirn strich. Sie waren glatt und ungekammt, so das ihr Haar wirr und an einen Stellen verknotet schien. Reste von ihrem Blut waren darin zu finden und überall an ihr sah man noch Überreste ihres Suizidversuchs. Sie trug ein weites Hemd, dass nicht ihr zu gehören schien und hier und da waren noch ein paar rostrote Flecken zu erkennen. Ihr ganzes Äußeres schrie, wie sie sich innerlich fühlte.
Verletzt.
Gebrochen.
Verloren.

Langsam ließ ich meine Finger hinab gleiten. Ich hörte sie zittrig einatmen, worauf eine einsame Träne ihre Wange hinunter lief. Wenn ich glaubte vorhin bei meiner Schwester von Schuldgefühlen erschlagen worden zu sein, so überschwemmten sie mich jetzt.
Drückten mich mit ihren gewaltigen Wassermaßen nieder.
Raubten mir den Atem.
Drückte gegen meine Brust.
Zogen mich hinab in die Tiefe.
Sie wirbelten mich umher, bis ich nicht mehr wusste wo oben oder unten war.
Nahmen mir alle Sinne und ließen mich kraftlos zurück.
Benommen.
Unfähig.
Machtlos.

Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme um sie und zog sie an meine Brust.
Bettete ihr Gesicht an mein schmerzendes Herz.
Vergrub meines in ihr Haar und murmelte Worte, welche den innersten meiner Seele entsprangen.
Worte die zu einem Mantra unserer Liebe wurden.
Vor langer Zeit.
Einer Zeit, in der noch alles gut war.
Einer Zeit, die ich mir mit aller Macht zurück wünschte.
Und während sie bitterlich in mein Shirt weinte und alles andere um uns herum ins vergessen rutschte, wiederholte ich diese Worte immer zu, als auch mir die Tränen kamen.
"Ich liebe dich, Lämmchen. Immer und für immer."
"Immer und für immer."
"Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich, Lämmchen. Immer und für immer."

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