Tag 1586 - Alter Freund
Eintausendfünfhundertsechsundachzig,
noch bevor ich meine Augen aufschlug, Blitze diese Zahl vor meinen geistigen Auge auf und brachte mich dazu, sie nicht öffnen zu wollen. Ein weiterer Tag ohne sie. Ohne mein Lämmchen.
Mein Herz schmerzte und ich rollte mich auf die Seite. Zog das Shirt von ihr, welches immer bei mir im Bett lag, ganz dicht an mein Gesicht und atmete tief ein. Der Geruch nach ihr war schon lange verflogen und ich wusste nicht Mal mehr wie sie roch, dennoch brauchte ich immer etwas von ihr, um in den Schlaf zu finden. Um ein wenig Trost zu finden.
Alles in mir zog sich zusammen. Es kam mir vor als könnte ich nicht atmen und wünschte mir, wie so oft, es wirklich nicht mehr zu können.
Ich wünschte mir das es endlich vorbei war.
Das dieser Schmerz vorbei war.
Wie jeden Tag dachte ich, dass ich es nicht einen weiteren Tag ohne sie aushalten würde, doch wie immer wurde ich eines besseren belehrt.
Ich schaffte es, auch wenn ich selbst nicht wusste wie.
Einen Tag nach dem anderen, überstand ich.
Viele davon am Bett gebunden.
Manche auf dem Sofa kauernd.
Einige heulend am Boden.
Doch ab und zu auch aufrecht gehend.
Und wenn auch selten, ein Paar von ihnen sogar indem ich mich mit meiner Familie unterhielt.
Meine Familie die für mich da war, auch wenn sie mich meist in Ruhe ließen. Welche mir mit ihrer Anwesenheit, versuchten Trost zu spenden.
Eine Familie welche zum Großteil nicht Mal aus Blutsverwandten bestand, jedoch enger verwoben war als jene.
Meine Freunde, welche mehr für mich waren, als einfache Freude.
Sie waren es, die ich Familie nannte.
Die mit mir all den Scheiss durchgemacht hatten.
Die immer für mich da waren.
Die mich aufbauten und mir Mut machten, wenn ich ihn verlor.
Die mich auffingen und niemals Aufgaben, auch wenn ich mich selbst aufgab.
Sie bedeuteten mir alles, auch wenn ich es ihnen nur äußert selten zeigen konnte.
Denn ohne sie, hätte ich es nicht geschafft.
Ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben.
Es dauerte eine Weile, bis ich es schaffte den Blick wieder zu heben und das auch nur weil sich eine Hand beruhigend auf meinen Kopf senkte. Auch ohne ihn anzusehen, wusste ich das es Ken-chin war, um nach mir zu sehen. Er sagte kein Wort, denn auch ohne jene, wusste er wie es um mich bestellt war. Mein bester Freund seuftze leise und strich mir über mein Haar, während mein Blick auf eines der Bilder von mein Lämmchen und mir, lag. Es war eines meiner Lieblingsbilder, auf welchen wir uns so verliebt anlächelten, dass es mir jedes Mal den Atem raubte, wenn ich es ansah. Es gab nichts dass ich mir mehr wünschte, als solche Momente wieder mit ihr zu erleben.
Dennoch schweifte mein Blick zu einen weiteren Bild, von welchen sich unzählige in meinen Zimmer befanden. Einige mit uns als Paar. Andere die von unserer Freundschaft zeugten und auch Bilder von ihr ganz allein. Lächelnd. Glücklich.
So wie ich sie in Erinnerung behielt.
Mein Zimmer gleichte einem Museum. Einen Museum, voller Zeugnisse unserer Liebe.
Zeugnisse meiner Verehrung.
Zeugnisse meiner Trauer und Hoffnung.
Überall standen Dinge von ihr. Alles was sie besessen hatte, befand sich in meinen Besitz. All ihre Sachen, fanden einen Platz in meinen Zimmer. Würden zur Schau gestellt, um mich zu erinnern.
An alles was wir hatten.
An alles was wir waren.
An alles was wir sein sollten.
An alles was ich zerstört hatte.
Ich hatte alles von ihr aufbewahrt. Jede Kleinigkeit.
Alles was ihr wichtig war.
Kleine und große Dinge.
Ihre Anziehsachen.
Ihr Schmuck.
Ihr Parfüm.
Einfach alles.
Selbst Dinge die für andere nichts bedeuteten, wie ein Notizblock oder ihre Haargummis.
Ich konnte und wollte davon nichts wegwerfen. Sie alle waren Zeugnisse davon, dass sie existiert hatte.
Das sie gelebt hatte. Das sie sogar vielleicht noch lebte.
Diese Dinge gaben mir Hoffnung.
Sie gaben mir Trost, in einer trostlosen Zeit und trieben mich an weiter nach ihr zu suchen.
Ich atmete tief durch, bevor ich meine Beine über die Bettkante schob und mich vorsichtig erhob. Ken-chin lächelte mir leicht zu - noch nicht sicher ob dies bedeutete, dass ich heute einen guten Tag hatte, weshalb ich ihn ansah und seuftze, bevor ich meinen Blick wieder abwendete und ins Bad trottete.
Als ich in den Spiegel sah, erblickte ich nur einen Schatten meiner selbst.
Meine Haare waren wieder ein Stück länger geworden und reichten mir schon wieder über meine Schultern.
Meine Augenringe hingegen waren einigermaßen erträglich, da ich in den letzten Tagen mit vielen guten Träumen belohnt wurde.
Ich war immer noch etwas zu hager und musste unbedingt wieder mehr trainieren, doch fehlte mir meist der Ansporn dazu. Ab und zu, wenn es wieder einmal eine angebliche Spur zu meinen Lämmchen gab, drehte ich wieder voll auf, doch ebte dies anschließend immer schnell ab, sobald die Erkenntnis eintraf, dass diese sich nicht bewahrheiteten.
Nachdem ich mir in der Küche etwas hineingequält hatte und meine Schwester sich verabschiedete, um ihr Kosmetikstudio zu öffnen, ließ ich die anderen stehen und lief aus meinem Haus.
Wir hatten uns eine eigene kleine Siedlung am Rande Tokyo's erbaut. Hier lebten viele unserer Mitglieder, entweder in eigens dafür erbauten Wohnblöcken oder wenn ihr Rang hoch genug war, sogar in Häusern, die ich errichteten ließ.
Unsere Siedlung wurde von hohen Mauern zum Umland abgegrenzt und sogar bewacht. Als größte und einzige verbliebe Gang Tokyo's und einer der größten ganz Japans, mussten wir uns abschotten. Dies gestaltete ich jedoch anders als Izana, der in Yokohama regierte. Dieser lebte mit dem inneren Kreis seiner Gang, in einem Hochhaus mitten in Yokohama und ließ dieses streng bewachen.
Er regierte seine Gang wie ein König und ließ sich auch so ansprechen, weshalb dieser nicht mit den anderen Mitgliedern Tenjiku's zusammen lebte und nur seine Vertrauten, um sich scharrte.
Ich hingegen hatte mein eigenes Haus, sowie jeder in meiner Familie, doch lebten auch viel weitere bei uns. Nur die aller wenigsten, lebten ausserhalb der Siedlung und dies hatte meist strategische Gründe.
In unserer Siedlung hatten wir so gut alles, was wir zum leben brauchten. Wir hatten sogar ein eigenes Krankhaus und einen Supermarkt.
Und sogar einen Friedhof, auf welchen ich jetzt lief, um meinen Freund zu besuchen. Ihn und einige andere, hatten wir nachdem ich dieses Grundstück erworben und bebauen ließ, umgebettet.
"Hey Baji" ,begrüßte ich ihn wie immer, während ich die Inschrift des Grabstein las.
Wenn Liebe dich hätte retten können,
würdest du ewig leben.
Baji Keisuke
03.11.1990 - 31.10.2009
Wir werden dich nie vergessen,
denn du lebst in unseren Herzen.
Es war nun knapp vier Einhalb Jahre her, dass er verstorben war, doch noch immer war der Grabstein umringt mit frischen Blumen, als wäre er gerade erst verstorben.
Er fehlte. Mehr als das. Seit seinem Tod, fiel alles auseinander.
Wir alle trauerte um ihn, doch keiner mehr als Chifuyu. Er kam fast jeden Tag hierher. Saß Stundenlang an seinen Grab und weinte. Er befand sich seit Baji's tot in Therapie. Doch glaubte ich nicht das es je etwas bringen würde. Sein Tod hatte ihn gebrochen. Nach außen hin schien er der alte, doch leuchteten seine Augen nicht mehr wie einst. Auch sein Lachen klang nicht mehr so fröhlich. Er hatte Baji's Tod nie überwunden, weshalb ich mich immer fragte, ob es meinem Lämmchen genauso erging.
Ob sie seinen tot genauso wenig verkraftet hatte.
Ob die Therapie genauso wenig bei ihr angeschlagen hatte.
Ob sie genauso wenig ihr Lebensglück wieder gefunden hatte und ob sie, genauso wie Chifuyu eine Maske aufsetzt hatte.
Es gab eine Zeit, da war auch ich jeden Tag zu Baji's Grab gegangen, doch zu meiner Schande nicht, um ihn zu besuchen. Zwar redete ich auch dann mit ihm, doch lag mein Blick immer auf die Umgebung, in der Hoffnung einen schwarzen Lockenkopf irgendwo in der Ferne ausmachen zu können, doch sie kam nie und so wurden auch meine Besuche immer seltener.
Manchmal schaffte ich es wochenlang nicht an sein Grab.
Doch gab es bisher keinen Monat, an den ich ihn nicht wenigstens einmal kurz besuchte. Ihn und meinen Bruder, der nur ein Grab weiter lag.
Auch Shinishiro hatte ich umbetten lassen und neben meinen Bruder ruhte nun unser Großvater, genauso wie Baji's Mutter neben ihn gebettet wurde.
Alle die mein Lämmchen und ich geliebt hatten, lagen beieinander.
Vereint, so wie wir es nicht sein konnten.
"Ich hoffe dir geht es gut, mein Freund und du steckst dort nicht alles in Brand" ,meinte ich scherzhaft zu ihm und strich über dessen Grabstein.
"Wie es mir geht, kannst du dir ja denken. Ebenso warum ich hier bin. Ich weiß meine Bitte ist dreist und ich komme immer wieder mit dem selben Scheiss zu dir... Aber bitte, bitte, bitte..." ,erdreistete ich es mir abermals, während mir die Tränen in die Augen schossen und meine Sicht verschwamm, "...wenn...wenn du sie mir... irgendwie... zurück bringen kannst... egal was ich dafür opfern muss... ganz gleich was es mich kosten würde... b-bitte bring sie mir wieder zurück" ,bettelte ich zum abertausenden Mal einen toten an, während ich in die Knie sank, da meine Beine mich nicht mehr tragen konnten und meine Stimme brach. Ich senkte meine Strin gegen den kühlen Marmor und flehte weiter.
"Ich weiß ich habe... Ich habe kein Recht... Ich... Ich... Es tut mir so leid... So wahnsinnig leid... Ich weiß ich hätte besser... besser auf sie aufpassen müssen... und das ich versagt habe... aber bitte... bitte ich kann nicht mehr..." ,brachte ich schlurzend hervor, worauf ich eine Hand auf meiner Schulter spürte.
Ich zog erschrocken die Luft ein, doch als ich hoch sah, blickte ich weder in bersteinfarbende, noch in türkisfarbene Augen wie erhofft, sondern in giftgrüne. Chifuyu.
Er lächelte sanft zu mir runter, ehe er sich zu mir auf die Knie begab, ohne seine Hand von meiner Schulter zu nehmen.
"Ich bin sicher, dass Baji alles in seiner Macht stehende tut, um sie uns... um sie dir, zurück zu bringen" ,meinte er aufmunternd zu mir, doch ich wendete nur beschämt meinen Blick ab und nickte schniefend.
"Oder etwa nicht, du großer Idiot!?" ,kam es nun ziemlich verletzt klingend von ihm, wobei er auf den Grabstein schaute, als könnte er dort Baji sehen.
"Wird langsam Mal echt Zeit, dass du deiner Schwester in den Arsch trittst" ,gab er nun wieder fröhlicher von sich, wobei er weiter die Stelle fixierte. Ich wischte mir die Tränen fort und pfichtete ihm bei.
Es wurde wirklich langsam Zeit.
Gerade als ich ihm jedoch antworten wollte, hörte ich eilige Schritte, auf uns zu kommen.
Als ich aufblickte, erkannte ich Inui der einen panischen Gesichtsausdruck zur Schau stellte.
Strinrunzelnd drückte ich mich hoch und sah ihm entgegen. Auch Chifuyu erhob sich und fragte was los sei, worauf Inui versuchte uns keuchend aufzuklären.
"Es... Es... Es ist etwas... passiert" ,kam es Atem ringend von ihm, wobei er seine Hände auf seine Oberschenkel abstütze und leicht in die Hocke ging.
"Emma... Emma... sie..." ,gab er weiter keuchend von sich, weshalb bei mir schon sämtliche Alarmglocken ansprangen und auf ihn zu Schritt.
"Was ist mit meiner Schwester!?" ,forderte ich lautstark zu wissen, während mein Herz auf Hochtouren lief und Adrinalin durch meine Adern pumpte.
"Emma... Emma, sie wurde entführt!"
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