Prolog - Tag 1580

Eintausendfünfhundertachzig.
Ein langes Wort. Eine lange Zahl.
Eine viel zu lange Zahl.
Eine viel zu lange Zeit.
Eine Zeit ohne sie.
Eine Zeit ohne mein Lämmchen.
Ohne sie an meiner Seite.
Ohne sie in meinen Leben.
Eintausendfünfhundertachzig Tage.
So lange war es her, seit sie mich verlassen hat.

Diese Zahl war das erste an das ich dachte, als ich die Augen aufschlug.
Diese Zahl würde mich den ganzen Tag begleiten, egal was ich tat und diese Zahl würde das letzte sein an das ich dachte, bevor ich wieder einschlief. Wenn ich denn einschlief.

Denn meistens wollte ich nicht schlafen.
Und dann wieder, doch ganz dringend.
Um sie zu sehen.
Mein Lämmchen zu sehen.
Und sei es nur im Traum.
Doch machten mir diese Träume auch Angst. Denn meist handelten sie nicht von der wundervollen Zeit, welche wir miteinander hatten, sondern sie handelten von unserem Ende.

Wie ich meine Versprechen gebrochen hatte.
Wie ich sie im Stich gelassen hatte.
Wie sie sich das Leben nehmen wollte.
Wie sie mir weg genommen wurde.
Wie sie mein Lämmchen gebrochen hatten.
Was sie ihr angetan hatten.
Doch anders als es wirklich der Fall gewesen war, musste ich im Traum zusehen.
Ich musste zusehen und konnte dennoch nichts tun.
Unsichtbare Ketten hielten mich gefangen, während diese Monster meinem Mädchen weh taten und sie hilfesuchend eine Hand nach mir aussteckte, doch egal ich wie viel ich zerrte, schrie und flehte, ich erreichte sie einfach nicht.
Doch war ich zwischendrin so verzweifelt und meine Sehnsucht nach ihr so stark, dass ich selbst diese Träume in Kauf nahm, nur um sie zu sehen, damit ich mich im Anschluss selbst verfluchen konnte.

Doch manchmal wurde ich auch belohnt.
Manchmal durfte ich unsere schönen Momente erleben.
Durfte ihre Stimme hören, an welche ich mich im wachen Zustand kaum noch erinnern konnte.
Durfte ihrem Lachen lauschen, welches wie Musik für meine Ohren war.
Durfte mit ihren Locken spielen, wie ich es so abgöttisch liebte.
Durfte ihre zarte Haut streicheln, welche ich selbst im Traum nicht wirklich spüren konnte.
Durfte ihre weichen Lippen küssen, welche selbst in Schlaf mein Herz zum höher schlagen brachten und ich durfte sie lieben, bis wir eins wurden und ich erwachte.

Dies waren die Tage die ich dann am meisten verfluchte, doch auch jene, an denen sich die anderen trauten sich mir zu nähren.
Nur meine Familie traute sich noch wirklich in meine Nähe, doch ließen auch sie mich an den schlechten Tagen in Ruhe. Sie wuselten zwar immer um mich herum, doch gab es kaum Tage, an denen sie mich Ansprachen. Einzig Ken-chin und meine Schwester, fragten jeden Tag nach meinem Wohlbefinden und versuchten mir Trost zu spenden, denn sie mir nicht geben konnten.

Es war als würde der Teil der mein Herz antrieb fehlen.
Als hätte sie alles Glück mitgenommen, als sie ging.
Als hätte sie die Sonne mitgenommen, als sie ging.
Als hätte sie meinen Seele mitgenommen, als sie ging und nur noch eine leere Hülle zurück gelassen.

Sie fehlte mir. Sie fehlte mir so sehr, dass ich es gar nicht beschreiben konnte. Und je mehr sie mir fehlte, desto mehr verlor ich mich selbst.
Ich wusste gar nicht mehr, wann ich zuletzt gelacht hatte.
Ich wusste gar nicht mehr, wann ich mich zuletzt an irgendwas erfreut hatte.
Ich wusste gar nicht mehr, wann ich zuletzt wirklich gelebt hatte.

Denn solange sie weg. Solange sie nicht an meiner Seite war, konnte ich nicht leben. Ich brauchte sie mehr als die Luft zum Atmen. Sie war alles für mich und ohne sie war ich nichts.
Nur die Hoffnung das ich sie irgendwann wieder sehen könnte,
dass ich sie wieder in meine Arme schließen könnte,
dass ich sie wieder spüren könnte,
dass ich sie wieder atmen könnte,
dass ich mich wieder in ihr verlieren könnte, hielt mich am Leben.

Nur dieser winzige Funken Hoffnung, schaffte es Tag für Tag, dass ich mir keine Kugel verpasste.
Das ich mir keinen Strick nahm.
Das ich nicht zu viele Tabletten schmiss.
Das ich mir nicht in die Pulsadern schnitt.
Das ich keinen Auftragkiller für mich engagierte.
Das ich nicht vom Dach sprang.
So viele Arten zu sterben.
So viele Arten frei zu sein.
So viele Arten keinen Schmerz mehr zu spüren und dennoch tat ich mir diese Hölle an.
Nur wegen dieser verkacken Hoffnung.

Manchmal hasste ich diese Hoffnung und wollte auf sie scheissen.
Dann nahm ich mir eine Waffe und hielt sie mir am Schädel.
Oder ich nahm mir ein Seil und hing es über das Treppengeländer.
Oder ich schüttete mir die gesamten Schlaftabletten die ich hatte, in meine Hand.
Oder ich ging ins Bad und setzte mir die Klinge an den Arm.
Oder ich verhandte mit einem unserer besten Auftragskiller.
Oder ich fuhr zu einem unserer Hotels in der Stadt und stieg dort aufs Dach.
Doch jedes Mal wenn ich kurz davor war, drehte ich wieder ab, weil ich dachte das sie noch leben könnte.
Das ich sie nur noch nicht gefunden hatte.
Das sie mich brauchte, wie ich sie.
Das alles gut werden würde, wenn ich sie fand.

Ich beauftragte alle in unsere Gang, mit der Suche nach ihr. Die meisten Passiv, doch hatte ich auch einen Trupp der sich aktiv mit der Suche nach ihr beschäftigte.
Welche alle Krankenhäuser im Land abklapperte.
Welche sich jede Jane Doe in den Leichenhallen ansahen und untersuchten, ob es ihre Leiche war.
Welche Akten durchforsten und in den Gassen nach ihr streiften.
Welche jeden Stein nach ihr umdrehten und zahllose Menschen nach ihr befragten.
Doch auch nach über vier Jahren, fanden sie nichts. Absolut nichts.
Als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden.
Als hätte ich sie mir nur eingebildet.
Als hätte sie nie existiert.

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