Eine schlimme Vorahnung

Annabeth führte mich herum, doch ich war nicht wirklich bei der Sache. Die ganze Zeit über dachte ich darüber nach, warum Annabeth früher in meinen Träumen aufgetaucht war und warum sie jetzt auch noch in meinem wirklichen Leben war. So viel Pech konnte ich nun wirklich nicht haben. Jahrelang konnte ich mir vormachen, dass meine Träume nur etwas waren, das meiner Phantasie entsprungen war oder eine Darstellung aus den Büchern, also so wie ich mir vorstellte, wie das alles ausgesehen haben musste. Doch durch Annabeth's Auftreten in der Wirklichkeit war diese Illusion dahin geschmolzen wie Eis in der Sommersonne. Außerdem hatte ich das Gefühl über Annabeth zu viel zu wissen. Ich wusste was ihre Ängste waren, wer ihre Familie war und wer ihr am wichtigsten war. Das alles sorgte bei mir für ein schlechtes Gewissen. Und noch etwas bereitete mir Sorgen. Ich fühlte mich auf gewisse Weise zu ihr hingezogen, so als ob sie mich an jemanden erinnerte, dem ich mein Leben anvertraut hätte und der mir viel bedeutet hatte. Schluss damit, rief ich mich innerlich zur Ordnung. Du hast schon vor Jahren aufgehört jemanden voll und ganz zu vertrauen, nach der Sache mit... Ich erstarrte mitten im Gehen. Ich hatte seit mindestens einem Jahr nicht mehr an die Ursache von meinem nicht vorhandenen Vertrauen zu anderen gedacht. Die Erinnerung tat sogar jetzt, nach drei langen Jahren, noch immer so weh, dass ich sie ganz schnell wieder verdrängte.

>Alles in Ordnung?<, fragte Annabeth, die sich zu mir umgedreht hatte. Ich nickte.

>Ich hab nur gerade an etwas gedacht. Aber jetzt können wir weitergehen<, sagte ich.

>Bist du sicher?<

>Ja, ganz sicher<

Wir gingen weiter und diesmal achtete ich mehr darauf was Annabeth mir erzählte, denn so sehr ich auch versuchte das Camp zu hassen, ih fand es toll dort. Niemand sah mich komisch an oder hielt sich von mir fern. Ich wollte nach wie vor nicht dort bleiben, aber ich hatte dennoch ein komisches Gefühl, ein Gefühl was ich noch nie in Worte gefasst hatte. Davor, es auszusprechen, hatte ich genauso eine Angst wie an meine Vergangenheit zu denken.

Mittlerweile waren wir schon bei den Hütten angekommen. Es waren zwanzig am Stück, an jede Hütte war eine Messingnummer angebracht und jede sah völlig anders aus. An den Wänden von Nr. 4 rankten sich Tomatenpflanzen hoch und das Dach war aus Glas. Nr. 9 hatte einen Schlot wie eine kleine Fabrik. Haus 7 schien aus purem Gold zu bestehen und Hütte 6 war grau mit einer geschnitzten Eule über der Tür. Hütte 8 bestand aus purem Silber und leuchtete wie das Mondlicht. Nr. 10 war rosa angestrichen und dekoriert mit Blumen auf den Fensterbänken. Eine andere Hütte (Nr. 5) war hellrot, aber schrecklich schlampig angestrichen, die Farbe schien aus Eimern und mit den Händen an die Wände geschleudert worden zu sein. Das Dach war mit Stacheldraht überzogen. Über den Eingang hing der ausgestopfte Kopf eines Ebers. Die beiden Hütten am Rand, die Nr.1 und Nr.2, sahen aus wie die Mausoleen eines Ehepaars: große weiße Marmorkästen vor denen schwere Säulen standen. Hütte 1 war die größere und klobigere von beiden. Die polierten Bronzetüren leuchteten wie ein Hologramm, sodass immer wieder Blitze darüber hinwegzujagen schienen. Nr.2 wirkte eleganter mit dünnen Säulen, die mit Granatäpfeln und Blumen verziert waren. In die Wände waren Bilder von Pfauen eingeritzt. Neben der Hütte 1 stand Hütte 3. Sie war nicht so hoch und mächtig wie Nr.1, sondern lang und solide gebaut. Die Außenwände waren aus groben Stein in denen Muschel-und Korallenstücke eingelassen waren, so, als seien die Quader aus dem Meeresboden herausgehauen worden. Hütte 11 sah am ehesten aus wie eine ganz normale Hütte in einem Sommercamp. Die Schwelle war abgetreten, die braune Farbe blätterte ab. Über der Tür befand sich ein Symbol, eine gefiederte Stange um die sich zwei Schlangen wanden. Ein Caduceus. Und dann gab es noch andere Hütten mit grünen Fackeln davor, einer roten Blume oder ein zerbrochenes Rad über der Tür.

Bei diesem Anblick fragte ich mich in welche von den Hütten ich wohl müsste und ob ich dort viele Halbgeschwister haben würde. >Annabeth, wann glaubst du werde ich anerkannt?<, fragte ich.

>Spätestens bei Eroberung der Flagge, schätze ich<, mutmaßte sie.

>Bei Eroberung der Flagge?<

>Das spielen wir im Wald. Dabei gibt es zwei Teams und jedes hat eine Flagge, die das andere Team eben erobern muss. Dabei wurden bisher sehr viele Halbblute anerkannt, warum also nicht du?<

>Wie viele Halbblute gibt es denn hier?<, fragte ich.

>200 bis 300, schätze ich. An die 100 davon sind ganzjährig hier, die anderen kommen nur in den Sommerferien her<

>Warum bleiben einige das ganze Jahr über hier?<

>Das ist ganz unterschiedlich. Einige sind so mächtige Halbblute, dass sie in der sterblichen Welt andauernd von Monstern angegriffen werden würden, das wäre zu gefährlich. Andere sind hier, weil sie entweder kein anderes Zuhause haben oder dort nicht wilkommen sind. Die wenigsten bleiben das ganze Jahr über hier, obwohl sie ein gutes Zuhause haben. Bei ihnen ist es dann so, dass ihr sterbliches Elternteil nichts davon weiß, dass ihr Kinder ein Halbgott ist<

>Aha<

>Na komm, es gibt gleich Mittagessen. Ich hoffe du hast Hunger<

Natürlich hatte ich keinen Hunger, mir war immer noch zu schlecht nach dem Flug um was zu essen. Und zu allem Übel musste ich auch noch am Lehrertisch sitzen, mit der festen Überzeugung, dass ich mir dadurch wieder mal den Ruf als Lehrerliebling einhandelte. Doch zu meiner eigenen Verwunderung würdigte mich kaum einer eines Blickes und die einzige, die mich mitfühlend ansah, war Annabeth. Dies war aber auch nur von kurzer Dauer, da sie mit einem anderen Jungen- vermutlich ihren Halbbruder- an ihrem Tisch zu diskutieren schien. Der Junge war blond, genau wie Annabeth, und war ungefähr in meinem Alter. Als ich ihm in die Augen sah, hatte ich dasselbe Gefühl wie vorher bei Annabeth, eine Art seltsame Vertrautheit, die ich nicht so ganz verstand, nur noch stärker. Doch als der Junge bemerkte, wie ihn anstarrte, verkrich er sich aus meinem Blickfeld. Ich wusste, dass es vollkommen unmöglch war, aber ich war mir ziemlich sicher ihn zu kennen.

Ich wandte mich wieder meinem Teller zu, als Chiron die Stimme erhob und uns bedeutete ruhig zu sein. Der Mann neben Chiron, der mir sehr flüchtig als Campdirektor Mr. D vorgestellt wurde, saß bisher nur gelangweilt da bis Chiron ihn anstupste und er anfing zu reden. Wie ein Campdirektor kam er mir nicht vor. Er hatte einen dicken Bauch, der von einem schmutzigen Hawaiihemd bedeckt wurde, und seine Shorts sah so aus, als hätte man sie zuletzt vor dreißig Jahren gewaschen. Ich wusste ja, dass er ein Gott war und in Wirklchkeit Dionysos hieß, aber auch danach sah er nicht aus. Hätte ich so jemanden auf der Straße gesehen, dann hätte ich einen Bogen um ihn gemacht, weil er aussah wie ein Bettler oder ein Penner. Genauso sprach er dann auch. >Wir haben zwei Neuigkeiten, die ich euch wohl mitteilen muss. Als erstes muss ich euch wohl sagen, dass unser Satyr Grover Understood eine neue Halbgöttin mitgebracht hat, Suzanna< Chiron flüsterte ihm etwas ins Ohr und Mr. D berichtigte sich:>'tschuldigung, sie heißt Stephanie. Außerdem findet in drei Tagen mal wieder Eroberung der Flagge statt. Anführer hierbei sind die Ares-Hütte...< Lautes Gejubel brach an einen Tisch los, ich beschloss, dass dies die Ares-Hütte war, und ein paar andere Tische schlossen sich nicht ganz so enthusiastisch an. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, fuhr Mr. D fort:>...doch die Lorbeeren gebühren derzeit der Poseidon-Hütte< Alle drehten sich zu einem Tisch um, an dem ein Junge in Annabeth's Alter zusammen mit Grover saß. Viele andere Tische fingen an zu jubeln genauso wie Grover, doch der Junge, dem das alles wohl gelten sollte, lächelte nur. Das machte ihn in meinen Augen nur sympathischer. >Mir ist das zwar vollkommen egal, aber einige von euch müssen sich noch entscheiden, wen sie unterstützen wollen. Tja und das war's<, meinte Mr. D.

Allmählich nahmen die Gespräch wieder zu und ich konnte sehen, wie der Junge am Poseidon-Tisch mit Grover in ein Gespräch vertieft war. Es ging vermutlich um etwas sehr ernstes, denn beide hatten kein Lächeln mehr auf den Lippen, im Gegenteil. Sie hatten sehr ernste Gesichtsausdrücke, als würde es um Leben und Tod gehen. Auch Annabeth schien ziemlich ernst zu sein. Sie diskutierte wieder mit dem Jungen von vorhin und wieder fragte ich mich, warum er mir so bekannt vorkam. Doch dann drehte ich mih wieder zu meinem Teller um und versuchte wenigstens er bisschen zu essen, damit ich niht am Abend total ausgehungert war.

Nachdem alle mit dem Essen fertig waren und sich wieder ihren Aufgaben zugewandt hatten, kam Annabeth zu mir herüber, nahm mich am Arm und zog mich vom Tisch weg. Sie sagte nichts, aber ich konnte sehen, dass sie wütend war. Deshalb beschloss ich sie nicht zu ärgern indem ich mich beschwerte oder überhaupt etwas zu sagen. Sie zog mich zu einem Schuppen und zeigte mir eine Rüstung, ein Schwert und einen Schild. >Soll ich das etwa anziehen?<, fragte ich völlig erstaunt, denn dieser ganze Kram sah viel zu schwer aus um es zu tragen, vor allem für mich.

>Du hast dir bereits jetzt Feinde gemacht und genau mit denen hast du dein erstes Schwertkampftraining. Also, wenn du nicht von denen in der Luft zerfetzt werden willst, solltest du das hier tragen<, antwortete Annabeth. Sie schien wirklich sauer zu sein, denn das alles sagte sie ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ich zog die Sachen an, doch besonders begeistert war ich nun wirklich nicht. Der Schild war zu schwer, die Rüstung zu groß und das Schwert zu lang. Mit anderen Worten: Ich fand es scheiße. Annabeth brachte mich zur Arena in der man Schwert- und Speerkämpfe veranstaltete und in der man auch Schwertkampf erlernte und trainierte. Wir blieben vor dem Eingang stehen. >Tut mir leid wegen vorhin. Ich wollte nicht so grob sein, aber jemand aus meiner Hütte hat mal wieder Chaos angerichtet und er versteht einfach nicht, dass er sich hier anders benehmen muss, wenn er hier bleiben will. Ich bin nunmal Hüttenälteste und muss dafür sorgen, dass sich meine Hütte ordentlich benimmt und... Sorry. Das ist jetzt nicht so wichtig<, sagte Annabeth.

>Der Junge, der dir Ärger macht, ist das der mit dem du beim Essen gesprochen hast?<, fragte ich nach.

>Ja, genau der. Naja, ist jetzt ja auch egal. Den Rest musst du allein gehen, ich muss zum Training<

>Die wollen mich nichz wirklich umbringen, oder?<

>Nein, dafür wird der Lehrer schon sorgen. Hab keine Angst, er weiß, wie es ist neu zu sein. Er wird dir zeigen, wie man mit dem Schwert umgeht. Viel Glück<

Ich schaute Annabeth nach bis ich sie nicht mehr richtig erkennen konnte. Plötzlich ging mir auf, dass ich mehr als nur eine Möglichkeit hatte. Ich konnte Annabeth hinterherrennen und ihr sagen, dass ich nicht kämpfen lernen wollte oder ich konnte ins Hauptgebäude zurücklaufen, meine Sachen packen und den nächsten Flug nach Deutschland nehmen. Oder... ich konnte in die Arena gehen, doch danach würde nicht wieder so werden wie es war, das wusste ich. Ich musste mich entscheiden: entweder mein altes Leben nach diesem Sommer weiterleben oder ein neues Leben, dass höchstwahrscheinlich schlechter werden würde als mein altes, beginnen.

Oben auf dem Bild seht ihr Annabeth wie sie im zweiten Percy Jackson Film dargestellt wird.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top