Kapitel 26


Luke hält tatsächlich an, als gerade eines meiner Lieblingslieder zu spielen beginnt, das eben schon angekündigt würde. Ich stoße die Autotür auf, drehe das Radio um einiges lauter, steige aus und laufe auf dieses riesige, vom Schnee berieselte Feld.

Das Ertönen eines Knalls verrät mir, dass Picasso nun ebenfalls ausgestiegen ist und sich auf mich zubewegt. Hoffen wir einfach mal, dass das Auto nicht geklaut wird.

Know it sounds funny
But, I just can't stand the pain

„Was ist los?! Geht's dir nicht gut? Ist irgendwas anderes?" Seine besorgte Stimme erklingt nun direkt hinter mir, woraufhin ich mich zu ihm umdrehe und er direkt vor mir steht.

„Es ist alles in Ordnung. Wirklich."

Die Musik der Commodores spielt im Hintergrund, während ich all meinen Mut zusammenfasse und über meinen Schatten springe, indem ich meine Hände hinter Lukes Nacken verschränke und beginne, mich im Takt zur Musik zu bewegen.

Ich habe überhaupt keinen Plan was ich hier gerade tue und warum ich es tue, aber es fühlt sich richtig an. Absolut richtig.

Ooh that's why I'm easy
I'm easy like Sunday Morning

Auch Luke scheint mittlerweile zu verstehen und legt seine Hände vorsichtig auf meine Hüfte, als wollte er erst sicher gehen, dass es wirklich für mich in Ordnung ist. Ich schenke ihm ein sanftes Lächeln, um ihn in seinem Handeln zu bestätigen, woraufhin er sich ebenfalls zum Takt bewegt.

Diese ganze Situation ist unheimlich schön, aber gleichzeitig ziemlich grotesk.

Why in the world would anybody put chains on me?

Luke dreht mich einmal im Kreis und legt danach sofort wieder seine Hände dorthin, wo sie vorher lagen.

Das dunkle Braun seiner Augen leuchtet durch den Vollmond leicht silber und verzaubert mich nur noch mehr, als es sonst schon tut. Wie kann ein einziger Mensch so wundervoll sein?

Irgendwie ist es das alles doch total verrückt. Wir tanzen spät am Abend auf einem großen Feld, nachdem Luke herausgefunden hat, dass seine Eltern drogenabhängig sind und ich habe immer noch Lungenkrebs. Wir haben beide unsere Probleme und sind bei weitem nicht perfekt, doch dieser Augenblick ist es.

That's why I'm easy
I'm easy like Sunday morning, yeah

Einzelne Schneeflocken landen auf Lukes zarter Haut und schmelzen kurz daraufhin. Ich versuche mir seine wunderschönen Augen, seinen Duft, seine geschwungen Lippen, einfach alles ganz genau einzuprägen, um es nie wieder zu vergessen.

Augenblicke und Erlebnisse gehen irgendwann vorüber, doch die Erinnerungen bleiben für immer in unseren Herzen und lassen sich hervorholen, wann immer wir wollen. Und ich weiß jetzt schon, dass diese Erinnerungen einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben wird. Ebenso wie dieser unglaubliche Mensch vor mir.

I wanna be high, so high
I wanna be free to know
The things I do are right
I wanna be free

Seine Augen blicken tief in meine und unbewusst, oder vielleicht ein wenig bewusst, ziehe ich ihn etwas weiter zu mir nach unten, woraufhin er mich näher an sich zieht.

Mein Blick huscht immer wieder zu seinen Lippen, die einen Spalt breit geöffnet sind und wenn ich mich nicht täusche geht es ihm genau so.

Sein warmer Atem stößt gegen meine kalte Haut. Feuer trifft auf Eis. Weiß auf Schwarz.

Maja hat recht. Es wird weh tun, so viel steht fest. Aber warum sollte ich die Zeit, die ich noch habe, nicht genießen?

Das hier ist das, was ich will. Das ist mir heute nochmal besonders bewusst geworden. Luke ist derjenige, den ich will und wenn ich ehrlich bin, würde es mir das Herz zerreißen ihn mit einem anderen Mädchen zu sehen. Ich habe mich zwar die ganze Zeit dagegen gesträubt, aber warum sollte ich weiter Kraft verschwenden? Er macht mich glücklich und ich hoffe, dass ich dasselbe bei ihm auslöse.

Ich ziehe ihn ein weiteres Stück zu mir, sodass unsere Gesichter nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt sind.

Luke lässt seine Lippen leicht über meine streifen, doch das reicht mir bei weitem nicht.

Ich lege meine schließlich sanft auf seine, woraufhin er sofort erwidert. Seine Lippen fühlen sich unglaublich weich und zart an und lassen meine Knie noch weicher werden, als sie es schon sind.

In diesem Kuss stecken all die angestauten Gefühle aus den letzten Wochen, Tagen und Stunden und wenn ich meine Schuhe heute morgen nicht so fest gebunden hätte, hätte mich dieser Kuss sicherlich von den Socken gehauen.

Unsere Lippen bewegen sich rhythmisch gegeneinander, während ich meine Hände durch Lukes Haare fahren lasse. Es ist eine bitter süße Sinfonie. Momentan jedoch mehr süß als alles andere.

Wenn dieser Kuss eine Droge wäre, wäre ich auch abhängig. Und zwar liebend gerne.

Wir lösen uns langsam wieder voneinander, wonach Picasso seine Stirn gegen meine legt. Ich halte meine Augen noch geschlossen, um den Moment länger zu genießen, während mein unregelmäßiger Atem zu hören ist, sowie der von Luke. Wenn ich deswegen nicht normal atmen kann, atme ich gerne unregelmäßig.

Ich öffne langsam meine Augen und schenke meinem Gegenüber, der mich anscheinend still beobachtet hat, ein liebevolles Lächeln, welches er erwidert. Von mir aus kann das hier ruhig öfter passieren. Keine Ahnung warum ich vorher abgeblockt habe, aber das ist jetzt auch nicht das, was zählt.

Picasso sieht nicht nur aus wie ein Adonis, sondern küsst auch noch wie einer.

Diesmal ist es Luke, der seine Lippen erneut auf meine legt. Meine Hände wandern erneut durch seine Haare, zu seinem Kiefer und wieder zurück, während er seine Hände mittlerweile auf meine Wangen gelegt hat.

Ich öffne meinen Mund etwas, woraufhin kurze Zeit später Lukes Zunge über meine streift. Unsere Münder bewegen sich immer leidenschaftlicher und fordernder gegeneinander, während wir mittlerweile so nah gegeneinander stehen, dass kein Molekül mehr zwischen uns passen würde.

Ich löse mich wieder von ihm, da meine Lungen lautstark nach Luft fordern und ich das Ganze zudem auf keinen Fall zu schnell angehen will. Ich meine vor kurzem wollte ich es noch überhaupt nicht angehen...

Heißt es außerdem nicht, wenn es am schönsten ist soll man aufhören?

Luke greift nach meiner Hand und verschränkt diese mit seiner, was ein warmes und prickelndes Gefühl durch meinen Körper strömen lässt. Prickelnder als der prickelndste, beste Prosecco auf dieses Erde. Dieser Tag hat definitiv doch noch eine sehr gute Wendung genommen.

„Ich glaube, das hier war mein Highlight heute." Er schaut mir mit strahlenden Augen entgegen, was mir bestätigt, dass er genauso fühlen muss.

„Ja... War ganz in Ordnung."

Ich nicke zögerlich und gespielt unbeeindruckt, als wir beide zu lachen beginnen. Was ein verrückter Tag, doch ich wünschte, er würde nie zu Ende gehen.

„Nach Hause?"

„Nach Hause."

Wir laufen also zusammen, Hand in Hand, zurück zum Auto, das glücklicherweise nicht geklaut wurde.

Die Fahrt über bleibt es eher ruhig, doch das dauerhafte, leichte Lächeln auf Lukes und meinem Gesicht dürfte Bände sprechen.

Ich hatte ehrlich gesagt ziemlich Angst vor Zurückweisung, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Manchmal muss der innere Schweinehund überwunden werden.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt kommen wir vor meiner Haustür an. Ich lehne mich über die Mittelkonsole zu Luke herüber, drücke ihm einen kurzen Kuss auf den Mund und steige aus dem Auto.

„Heyyyy!" Picasso protestiert lautstark, doch mehr ist gerade leider nicht für ihn drinnen. Vielleicht nächstes Mal wieder...

„Wir sehen uns morgen!"

Ich schlage die Tür zu, winke ihm nochmal zum Abschied und laufe zum Haus, das ich kurze Zeit später betrete.

Ehrlich gesagt, bin ich unheimlich froh, dass Luke die drei Worte nicht ausgesprochen hat. Nicht, dass er es auch wirklich vor hatte.

Ich wäre jedoch definitiv noch nicht bereit sie zu erwidern. Aber so wie ich ihn kenne, wusste er das wahrscheinlich und war wie immer rücksichtsvoll. Stellt sich die Frage ob er mich überhaupt... liebt.

„Kate?"

Die Stimme meiner Mutter ertönt aus dem Wohnzimmer, woraufhin ich zu ihnen gehe. Sie schauen gerade Fernsehen und sitzen eng aneinander gekuschelt auf der Couch.

„Wie war es?"

„Erlebnisreich, aber ganz gut." Einfach so neutral wie möglich klingen.

„Das sieht man. Du grinst ja von einem Ohr zum andern."

Meine Mutter beäugt mich mit einem wissenden Blick, wohingegen Papa eher kritisch dreinschaut. Hatten wir das nicht schonmal?

„Ahhh scheiße, erwischt. Wir haben doch Sadomasochismus ausprobiert."

Meine Eltern weisen mal wieder die gewünschte, geschockte Reaktion auf, sodass ich jetzt guten Gewissens schlafen gehen kann.

„Naaacht!"

Wenn es doch nur immer so bleiben könnte...

THEY HAVE KISSED!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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