Kapitel 24
„Du hast was?!"
„Ich habe eine Privatdetektivin angeheuert um die Adresse deiner leiblichen Eltern herauszufinden. Du tust so viel für mich, da wollte ich eben auch etwas für dich tun. Ich dachte, dass du dich freuen würdest, irgendwie zumindest... Ich meine du musst ja nicht direkt hinfahren, sondern sieh es als... Möglichkeit?"
Lukes Reaktion fällt gerade leider nichtmal ansatzweise wie erhofft aus. Ich hatte gehofft, dass er sich zumindest ein wenig freut und versteht, was ich ihm mit dieser Aktion zeigen wollte, doch bis jetzt hat er nichts von alldem gezeigt. Stattdessen schaut mich mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck an, bis er plötzlich kräftig den Kopf schüttelt.
„Ich weiß wirklich nicht ob ich lachen, weinen oder beides soll..."
Mir steht das riesengroße Fragezeichen wahrscheinlich schon deutlich auf die Stirn geschrieben, denn ich verstehe gerade wirklich gar nichts. Null Komma Null.
„Ich habe die Adresse meiner Eltern seit kurzem und hatte auch geplant in nächster Zeit hinzufahren. Mit dir. Und jetzt hast du hunderte von Euro an eine Detektivin bezahlt. Für nichts. Das nenne ich mal genial. Abgesehen davon, dass ich nicht sonderlich viel davon halte, dass du das alles hinter meinem Rücken organisiert hast, auch wenn du es gut gemeint hast. Aber hier das ist einfach meine Sache."
Ob ich blöd bin? Ich denke das hier ist Antwort genug.
Ich hätte nichts dagegen, wenn sich jetzt der Erdboden für mich auftuen würde, auch wenn er es sowieso wahrscheinlich bald tun wird.
„Scheiße."
„Das trifft es ganz gut."
Wir schauen uns einen Moment ernst in die Augen, bis wir beide in schallendes Gelächter ausbrechen. Hätte Gott mir nicht ein bisschen mehr Gehirn als Lungenkrebs geben können?
„Sowas bringst auch nur du fertig!"
Lukes immer noch anhaltendes Lachen klingt wie Musik in meinen Ohren und versüßt mir jedes Mal den Tag, sowie auch jetzt. Ohne sein Lachen wäre die Situation jetzt sicherlich eine andere.
„Wer auch sonst? Aber du hast eben gesagt, dass du zu ihnen willst... Mit mir?"
Ich kann gar nicht beschreiben wie unheimlich froh ich bin, dass Luke nicht noch sauer auf mich oder enttäuscht ist, sondern die bestehende Situation mit Humor nimmt.
„Ja, mit dir, Kitty. Seelische Unterstützung kann nie schaden und da du ja der größte Optimist auf Erden bist, dachte ich mir: Du bist die richtige Wahl!"
Sehr lustig, Mister Bennett. Sehr lustig.
Ich stehe daraufhin auf, mache einen kleinen Knicks und halte ihm währenddessen meinen wunderschönen Mittelfinger entgegen.
„Wir fühlen uns geehrt."
Mein Mittelfinger und das herausfordernde Lächeln auf meinen Lippen bringen ihn nur noch mehr zum Lachen und da Lachen bekanntlich ansteckend sein kann, geht es mir genau so.
„Nein, ich fühle mich wirklich geehrt. Wann willst du es denn durchziehen?"
„Ich weiß nicht... Nächste Woche? Oder morgen vielleicht? Dann hätte ich es hinter mir, denn ich muss gestehen, dass ich schon ziemlich Angst habe."
„Wird schon schief gehen. Vor allem wenn ich dabei bin."
Ich grinse ihn neckisch an und versuche ihn so gut es geht auf andere Gedanken zu bringen und seine Zweifel und Ängste irgendwie etwas zu vertreiben, damit sie nicht weiter an ihm nagen können. So, wie er es eben auch immer für mich tut.
Warum auch immer, sitzen wir plötzlich wieder viel zu nah beinander, sodass ich mal wieder seinen Atem auf meiner Haut spüren kann. Seine dunkelbraunen Augen liegen auf mir und ich unterdrücke den Drang, durch seine ebenso dunklen Haare zu fahren.
Ich bringe langsam wieder ein paar Zentimeter Abstand zwischen uns, damit ich wieder klar denken und atmen kann. Soweit das eben noch möglich ist.
„Ich sollte dich übrigens fragen ob du und deine Mutter Weihnachten mit uns feiern wollt."
Ganz unauffälliger Themenwechsel. Ganz unauffällig.
„Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte."
Er zuckt bloß mit den Schultern, was ich einfach mal als positive Antwort deute. Schon wieder herrscht diese komische Spannung zwischen uns, die in letzter Zeit viel zu oft auftritt und schon wieder plagen mich die Gedanken, was wäre wenn ich es einfach zulassen würde. Aber ich darf nicht. Es darf nicht sein. Es wäre schlecht für uns beide. Das Loslassen wird so schon schwer genug werden.
Ich sehe wie seine Augen eine Millisekunde zu meinen Lippen huschen und kann auch nicht verhindern, dass meine das Gleiche tun.
Eigentlich sind wir Menschen doch auch nur Tiere und Tiere suchen sich den bestmöglichen Partner zur Fortpflanzung, um das Überleben ihrer Nachkommen zu sichern. Kann dann überhaupt so etwas wie Liebe existieren, oder ist alles nur eine Erfindung von Hollywood?
„Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?"
Die Frage kam plötzlich...
„Nein."
„Und warum nein?"
„Liebe ist so komplex und kompliziert, falls Liebe überhaupt etwas reales ist, dass sie nicht vom einen auf den anderen Moment entstehen kann. Außerdem liebt man eine Person nicht nur für ihr Aussehen, sondern für ihren Charakter und für all ihre Ecken und Kanten, eben alles was dazu gehört und das kann man weiß Gott nicht auf den ersten Blick kennenlernen. Meiner Meinung nach ist es ein Begriff, den man nur mit Samthandschuhen anfassen darf und nicht mit auf den ersten Blick in einem Satz vorkommen darf. Deswegen nein. Und du?"
Ehrlich gesagt bin ich sehr gespannt auf seine Antwort und Begründung. So, wie ich ihn in den letzten Monaten kennengelernt habe, vermute ich, dass er daran glaubt. Luke hat ein unglaublich weiches Herz und scheint auch ziemlich romantisch zu sein, weswegen eine Einstellung dieser Art gut zu ihm passen würde.
„Ja."
Was hab ich gesagt?
„Ja, wahre Liebe existiert und ja, Liebe auf den ersten Blick ebenso. Und meine Begründung ist ganz einfach: Ich habe beides schon am eigenen Leib gespürt oder eher gesagt spüre es. Der lebende Beweis sitzt nämlich vor mir."
Der letze Teil ist nur noch ein Flüstern, wodurch ich nur Bruchteile, von dem was er gesagt hat, verstehe. Irgendwas mit Beweis oder so, aber ich möchte nicht nochmal nachfragen.
„Ich nicht."
Ich verstehe nicht ganz worauf er jetzt hinaus will, aber seine Antwort ist auf jeden Fall plausibel, auch wenn ich immer noch anderer Meinung bin. Hieran wird mir wieder bewusst, was für ein reines und gutes Herz Luke besitzt und wie zerrissen und schwarz meines ist. Einer ist schwarz und der andere weiß, aber wir sind eben beide Färbungen oder optische Täuschungen. Täuschungen des Lichts.
„Ach, Kitty..."
Picasso lässt seinen Kopf und seine Schultern hängen, steht von meinem Bett auf und läuft Richtung Tür. Hab ich was verpasst?
„Hey! Was ist denn auf einmal los?"
Ich laufe ihm hinterher und greife nach seinem Unterarm, woraufhin er sich zu mir umdreht und mir ein Paar niedergeschlagener Augen entgegen blicken. Ein kalter Schauer läuft mir bei diesem Anblick den Rücken hinunter und lässt eine unangenehme Gänsehaut auf meinem ganzen Körper entstehen. Was habe ich denn falsch gemacht? Ich verstehe das Ganze gerade einfach nicht...
„Du merkst nichtmal was du mit mir anstellst, aber es ist schon Ordnung... Ich schreib dir bevor ich dich abholen werde, um zu meinen Eltern zu fahren. Bis dann."
„Was meinst du denn damit, verdammt? Hallooooooo?! Erde an Luke Bennett! Ist da noch wer?"
Doch Luke antwortet mir nicht, sondern spaziert in aller Ruhe aus der Haustür und lässt mich absolut verwirrt und perplex, wortwörtlich im Regen stehen.
Als ich realisiere, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist nass zu werden, stampfe ich wieder hoch in mein Zimmer. Finn und Maja wollten heute Nachmittag vorbei schauen, sodass ich die restliche Zeit damit verbringe über Lukes komisches Verhalten nachzudenken. So ist er doch sonst nicht...
„Hallöleeeeeee!"
Maja und Finn kommen in mein Zimmer und schließen mich kräftig in ihre Arme. Beide sehen unheimlich glücklich aus. Ich kann immer noch nicht fassen, dass die zwei bald Eltern werden. Und ich hoffentlich Patentante.
„Hey. Und, was macht das Baby?"
Maja holt breit grinsend ein kleines Bildchen aus ihrer Tasche und hält es mir entgegen, sodass ich erkennen kann worum es sich dabei handelt. Das erste Ultraschallbild.
Man erkennt zwar noch nicht viel, doch warum auch immer kommen mir die Tränen. Dieser kleine Racker oder Rackerin macht mich jetzt schon ganz emotional und ist dabei noch nichtmal auf dieser Erde. Auch Maja, der zukünftigen stolzen Mama, läuft eine winzige Träne die Wange herunter.
„Wahnsinn oder? Es wächst ein kleiner Mensch in mir."
Ich ziehe sie in eine feste Umarmung, bin aber stets darauf bedacht, dass sie nicht zu fest ist.
„Für mich interessiert sich hier wohl niemand."
Finn zieht eine beleidigte Schnute und kreuzt bockig die Arme vor seiner Brust.
„Hockst du andauernd brechend über der Toilette, hast die heftigsten Stimmungsschwankungen und Heißhungeranfälle, oder ich?"
Maja bedenkt ihn mit einem kritischen Blick, der sich aber schnell in ein liebevolles Lächeln verwandelt und drückt ihm einen Kuss auf den Mund.
„Bahhhhh, sowas will ich echt nicht sehen!"
Der Raum wird von lautem Lachen gefüllt, während ich meine besten Freunde etwas beobachte. Sie sehen so unglaublich glücklich aus, was mich wiederum glücklich macht. Sie haben es verdient.
Wir verbringen gemeinsam den restlichen Nachmittag, der ausgelassener nicht sein könnte, wäre da nicht Luke, der dauerhaft in meinem Kopf umher geistert. Die Frage ist wohl eher was er mit mir anstellt...
Helloui, wie geht's wie steht's?
Heute nur ein kürzeres Kapitel, dafür wird das nächste länger...
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