Kapitel 2

!Achtung: Triggerwarnung!
Wir sind jetzt seit ungefähr fünf Minuten unterwegs und bis auf die Frage wo ich wohne haben wir noch kein Wort gewechselt, nicht dass es schlimm wäre, eher im Gegenteil. Seine Freunde waren in ein anderes Auto gestiegen und hatten uns alleine gelassen. Ich hatte zwischenzeitlich überlegt doch noch wegzurennen, habe mich aber dann bewusst dagegen entschieden. Wer weiß auf welche Ideen dieser Kerl kommt...

Die Anspannung, die in diesem Auto herrscht ist fast unerträglich und ich kann aus dem Augenwinkel erkennen wie der Junge mich immer wieder anschaut und wahrscheinlich überlegt was er jetzt am besten sagen soll. Bestimmt fragt er sich die ganze Zeit die selbe Frage: Warum wollte sie das machen?

Da fällt mir auf dass ich überhaupt nicht seinen Namen kenne, aber das ist im Moment wirklich meine kleinste Sorge. Meine Gedanken drehen sich nämlich nur um das eine Thema. Um die Sache, die ich heute erfahren musste.

Die Last und die Gefühle die ich im Moment verspüre drücken so schwer auf mich, dass ich das Gefühl habe nicht mehr atmen zu können. Wenn dieser Kerl mich endlich alleine lässt werde ich mir einen neuen Ort suchen, wo ich es endlich zu Ende bringen kann. Es ist besser so. Ich will mit diesen Umständen nicht weiterleben, aber vor allem will ich es den Anderen nicht zumuten.

„Wie heißt du überhaupt?". Oh nein, bitte nicht. Bestimmt traut er sich jetzt und fragt als nächstes warum ich mich umbringen wollte. Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich merke wie sein Blick immer noch auf mir haftet. Dieser Typ sollte mal lieber auf den Straßenverkehr achten. Aber wenn ich ihm schon meinen Namen verraten soll kann ich wenigstens auch erfahren, bei wem ich mich hier überhaupt ins Auto gesetzt habe.

„Kate. Du?". Kurz und knackig. Ich hoffe nicht dass er möchte, dass ich ihm jetzt mein ganzes Herz ausschütte. Das wird nämlich nicht passieren.

„Ich heiße Luke. Sag mal... Ich weiß dass es mich eigentlich nichts anzugehen hat, aber warum wolltest du das tun? Ich meine man will sich ja nicht einfach so das Leben nehmen... Außerdem bin ich ja dein Retter, da kannst du's mir doch ruhig erzählen... Ich bin auch ein wirklich guter Zuhörer!".

„Mein Retter also? Wie man es nimmt würde ich sagen. Mir hast du damit auf jeden Fall keinen Gefallen getan." Wusste ich es doch. Jetzt fängt der Mist an. Hat „Lucky Luke" denn überhaupt nichts anderes zu tun, als Menschen auf die Nerven zu gehen, die gerade weitaus wichtigeres zu tun hätten?

„Ich denke schon dass ich dir einen Gefallen getan habe... Jedes Leben ist unendlich wertvoll und ich denke, dass es immer irgendetwas gibt wofür es sich zu leben lohnt. Manche denken vielleicht dass es nichts für sie gibt, aber ich denke, dass sie ihren Grund einfach noch nicht gefunden haben, er aber um die nächste Ecke auf sie wartet."

„Was bist du? Ein Psychologe? Du hast doch überhaupt keine Ahnung warum ich es tun wollte und ich werde es dir auch ganz bestimmt nicht sagen, weil es dich verdammt nochmal nichts anzugehen hat. Ich liebe es, wenn Menschen von Sachen sprechen, von denen sie überhaupt keine Ahnung haben!".

Hoffentlich hat er die triefende Ironie am Ende des Satzes nicht überhört, aber eigentlich müsste meine Tonlage deutlich genug gewesen sein. Ich habe wirklich keine Nerven und keine Geduld für dieses bescheuerte Gespräch, zum Glück sind wir wenigstens so gut wie bei mir angekommen.

„Denk an unsere Abmachung! Ich sag's dir wenn du sie brichst hast du ein riesen großes Problem. Ich sehe zwar nicht sonderlich gefährlich aus, aber der Schein trügt...".

Wenn dieser Möchtegernbesserwisser auch nur ein Wort sagt... Gerade als ich diesen Satz fertig ausgesprochen habe, hält auch schon der Waagen. „So, danke fürs Babysitten, ich komme ab jetzt aber allein zurecht."

„Ich komme mit." Wie bitte?

„Was?! Ganz bestimmt nicht!". Was denkt dieser Blödmann sich eigentlich?

„Du denkst auch ich bin blöd... Nur weil ich dich hierher gebracht habe heißt das nicht, dass du auch hier bleibst. Sobald ich um die nächste Ecke bin haust du doch zu hundert Prozent wieder ab."

Scheiße. Luke ist echt schlauer als ich gedacht hätte. „Und was ist mit meinen Eltern? Das ist ja gar nicht komisch, wenn ich auf einmal einen wildfremden Kerl mit nach Hause bringe."

„Gehst du noch zur Schule?" Warum will er das denn jetzt auf einmal wissen? „Ja, warum wenn ich fragen darf?"

„Ich bin ein Schulkamerad und wir müssen zusammen an einem Projekt arbeiten, das super wichtig ist." Oh mann. Ich glaub's einfach nicht.

„Wenn ich dich so irgendwann wieder los werde...Schulkamerad."

„Das überleg ich mir mal noch. Weißt du...Eigentlich wollte ich jetzt bei dir einziehen." Ha ha ha. Die beiden Autotüren gehen auf und wir steigen gleichzeitig aus. Während wir uns auf das kleine gemütliche Einfamilienhaus meiner Eltern und mir zubewegenden, bete ich schonmal, dass das hier einigermaßen gut geht und meine Eltern nicht gleich drauflos plappern.

Luke braucht wirklich nicht den Grund wissen und hoffentlich lässt er sich auch irgendwann mal wieder abwimmeln.

Wir haben noch nicht einmal ganz die Haustür erreicht, da wird sie auch schon von meiner zierlich gebauten Mutter aufgerissen. Ihr langes braunes Haar steht wild in alle Richtungen ab und sie sieht wirklich fertig aus.

Hinter ihr kann ich erkennen wie Dad aus der Küche auftaucht. Sie haben sich sicher Sorgen gemacht, als ich einfach abgehauen bin. Ich meine zurecht, aber es wäre besser, wenn ich erst gar nicht mehr zurück gekommen wäre. Es scheint auch so als würden ihre blauen Augen, die ich übrigens geerbt habe, nicht so hell leuchten wie sonst.

„Schatz wo warst du denn? Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Ist alles gut bei dir? Ist irgendetwas passiert? Ich-" „Mom! Wie wär es, wenn du zwischendurch auch mal Luft holst und wie soll es mir bitte gehen?...Das hier ist Luke."

Ich sehe kurz zu ihm und kann erkennen, dass er sich wohl doch etwas unwohl fühlt. Wenigstens etwas...

„Wir gehen zusammen in eine Stufe und müssen ein wichtiges Projekt für die Schule machen. Wir würden dann jetzt also mal hoch gehen..."

„Aber Mäuschen wir müssen wirklich miteinander sprechen und willst du wirklich noch zur Schule gehen, unter den Umständen?", mischt sich jetzt auch mein Dad ein.

„Ja will ich und zum Reden ist später auch noch genug Zeit."

In Gedanken füge ich noch hinzu, dass es nichts zu Reden gibt, weil ich eh schon meine Entscheidung getroffen habe, aber da ich es ja schlecht so sagen kann belasse ich es einfach dabei.

„Wir reden aber aller spätestens heute Abend Kate. Es geht ja nicht einfach um irgendwas. Es geht um dich, mein Schatz."

Ich bin froh, dass meine Eltern wenigstens vermeiden vor Luke auszusprechen worum es überhaupt geht. Wahrscheinlich wollen sie mir überlassen wie ich damit umgehen möchte.

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen solche Eltern zu haben. Wir hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander und genau deswegen will ich ihnen auch ersparen was auf mich und auch auf sie zukommt.

Eigentlich hätte ich auch einen zwei Jahre jüngeren Bruder, aber leider war es eine Fehlgeburt. Ich war damals natürlich noch viel zu klein um zu verstehen was genau passiert, aber Mom's und Dad's Schmerz und ihre Traurigkeit war selbst für ein Kleinkind nicht zu übersehen. Seit diesem Tag haben sie sich dann nur noch mehr um mich gesorgt.

Wahrscheinlich hatten sie Angst mich auch zu verlieren, was natürlich verständlich ist, aber jetzt gibts es wohl keinen Weg mehr an dem Verlust von mir vorbei. Es tut mir unendlich leid, aber desto länger ich warte, desto größer wird der Schmerz sein.

Mit einem letzten Blick zu meinen liebevollen Eltern setze ich mich in Bewegung und laufe die kleine Treppe zur nächsten Etage hoch, Luke direkt hinter mir. Ich öffne meine Zimmertür und betrete mein Reich.

Wir wohnen hier schon immer und ich liebe es. Ich fühle mich in meinem kleinen kuscheligen Zimmer unglaublich wohl. Da ich nicht aufgeräumt habe liegen kreuz und quer Bücher, meine Zeichensachen und Klamotten rum, aber damit wird Luke jetzt leben müssen...Es war schließlich nicht meine Entscheidung, dass er mitkommt.

„Ihr habt es wirklich schön hier..."

Der Dunkelhaarige inspiziert mein Zimmer und setzt sich schließlich in meinen geliebten Schreibtischstuhl. Ich sitze dort oft wenn ich zeichne oder Hausaufgaben erledigen muss. „Ja, das stimmt. So... Was willst du jetzt genau machen? Vielleicht Däumchen drehen?"

„Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich will einfach, dass du nicht wieder auf blöde Gedanken kommst. Wir könnten ja.... Reden? Ich meine wir kennen uns ja gar nicht."

„Du willst hier jetzt ernsthaft eine Art Vortsellungsrunde machen?"

„Jap. Ich fang auch an, wenn es dich beruhigt... Also, dass ich Luke heiße weißt du ja schon. Ich wohne hier ganz in der Nähe mit meiner Mutter und mache auch hier in der Stadt eine Ausbildung. Ich bin neunzehn und habe leider keine Geschwister, hätte aber wirklich gerne welche..."

Während Luke von sich erzählt nutze ich die Gelegenheit und schaue ihn mir etwas genauer an. Ich muss leider zugeben, dass er wirklich gut aussieht, nett ist und eingebildet scheint er auch nicht, aber es brauch mich ja auch gar nicht interessieren. Bald ist eh alles vorbei.

„Wie sieht's mit dir aus?"

Gut das eine kleine Vorstellungsrunde jetzt genau das ist, was ich gebrauchen kann... Nicht.

„Ich bin achtzehn, gehe noch zur Schule und wohne hier mit meinen Eltern und Fawkes. Reicht das?"

Normalerweise bin ich ja nicht so unfreundlich, aber ich wäre gerade wirklich lieber allein... So wie die meiste Zeit eigentlich.

„Wer oder was ist bitte Fawkes?"

„Fawkes ist mein Kater. Er streunt bestimmt gerade draußen herum und erlegt eine Maus nach der anderen, nur um mir dann eine oder vielleicht auch zwei schön auf mein Bett zu legen...Wenn ich Glück habe ist ab und zu auch mal ein Vogel dabei."

Luke's Lachen erfüllt plötzlich das Zimmer und ich versuche auch ein Lachen zustande zu bringen, jedoch klappt es nicht so ganz. Eher gar nicht.

„Das muss ich mir merken, erlegte Mäuse oder Vögel hören sich nach einem fabelhaftem Geschenk an! Fawkes ist doch auch eigentlich Dumbledores Phönix und nicht ein Kater oder?"

Die Ironie in seiner Stimme ist nicht zu überhören und unter anderen Voraussetzungen hätte ich sicherlich gelacht... Im Moment bringe ich jedoch nur ein gezwungenes Lächeln zustande.

„Lächelnd gefällst du mir schon viel besser." Ich sehe wie Luke grinst. Es bleibt still. Ich male mit meinen Fingern unsichtbare Kreise auf die Bettdecke, während ich bemerke wie Luke mich weiterhin still beobachtet. Das kann ja noch was werden...

So meine Lieben hier ist Kapitel 2....

Was haltet ihr bis jetzt so von Luke und was denkt ihr über Kate's Eltern?

Hättet ihr an Luke's Stelle genauso gehandelt?

Ich würde mich sehr über Rückmeldungen und auch Verbesserungsvorschläge freuen!

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und wünsche euch ein schönes Wochenende🙌🏼

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