III
Nach Henrik verloren wir noch sieben weitere Kameraden in unserer Truppe. Und das innerhalb einer Woche. Seit Beginn des Marsches hatten wir mindestens ein Drittel der Männer verloren. Und es überraschte mich selbst, dass ich keiner davon war. Ich war ein einfacher Bauernsohn und gehörte zu den jüngsten in der Armee. Das Einberufungsalter wurde gesenkt, nachdem wir seit über einem Jahr im Krieg waren. Mein Vater hatte schon gedient und starb erst vorletzten Sommer, aufgrund seines Alters.
Ich hatte zwei Schwestern und einen Bruder. Meine ältere Schwester Isbeth musste meine Mutter beruhigen, als sie hörte, dass das Einberufungsalter gesenkt wurde und ich wahrscheinlich nicht mehr lange zu Hause bleiben würde.
Mein kleiner Bruder und meine kleine Schwester verstanden das alles noch nicht. An dem Tag als die Soldaten in unser Dorf kamen, klammerten sie sich an meine Hosenbeine. Ich musste ihnen gut zu sprechen und Isbeth hatte sie daraufhin festgehalten, damit sie mir nicht hinterherliefen. Ich hoffte, ihnen ging es allen gut.
Isbeth war die klügere von uns beiden und würde es schaffen unsere Familie über Wasser zu halten. Sie würde mit den anderen Bauerskindern noch härter arbeiten müssen, um zu überleben, und sie würde wahrscheinlich nächsten Sommer heiraten.
Seit Beginn des Marsches fragte ich mich schon, für wen aus dem Dorf sie sich entscheiden würde. Sie war hübsch. Viele junge Kerle hatten bestimmt schon ein Auge auf sie geworfen. Und ich würde nicht da sein, um sie zu beschützen und ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich würde wahrscheinlich nicht da sein, um statt Vater sie zu ihrem zukünftigen Mann zu führen. Ob es daran lag, dass ich bis dahin Tod sein würde oder noch im Krieg war, wäre abzusehen.
Traurigkeit überfiel mich, als ich an ihr gerissenes Grinsen dachte, das sie mir als Kind so oft geschenkt hatte. Sie war klug, schön und hatte einen starken Sinn für Gerechtigkeit und Familie. Wäre sie nicht in unsere Familie hinein geboren worden, hätte sie einen Adligen um den Finger wickeln können.
Würde sie mich nun so niedergeschlagen sehen, würde sie sagen: „Die Einberufung und der Krieg sind kein Todesurteil. Denke an Vater. Er hat noch viele Jahre nach seiner Einberufung gelebt."
Und ich hätte sowas wie: "Aber Vater war groß und stark! Niemand hatte es gewagt, sich ihm in den Weg zu stellen", gesagt.
Es war ein Wunder, dass ich die Ausbildung überhaupt geschafft hatte. Ich war zwar von großer Statur, aber mir fehlte es an allen Ecken an Muskeln. Die wenige Nahrung der letzten Jahre hatte nicht geholfen, Muskeln aufzubauen. Doch es gab noch magere in meiner Gruppe. Und auch die schafften es anscheinend mit purem Überlebenswillen durchzuhalten. Was war wohl ihr Antrieb? War es nur die Angst vor dem Tod oder gab es etwas zu Hause, für das es sich lohnte gegen die Kälte und die Schmerzen zu kämpfen?
Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken und keiner außer dem Major wusste, wie weit wir noch vom Schlachtfeld entfernt waren. Nach drei Wochen war der Wunsch einfach aufzugeben immer wieder so greifbar nah, dass das Bild meiner Schwester am Hochzeitstag immer mehr vor meinem inneren Auge verschwamm. Wo war nur mein Überlebenswille? Wo war die Liebe für das Vaterland? Wo war nur die Leidenschaft, mit der man in den Krieg zog? Oder war das alles, was mich am Ende meines Lebens erwarten würde? Angst und Kälte?
Als ich das Gedankenkarussell in meinen Kopf beinah nicht mehr aushielt, stoppte der Major und unsere Truppe kam zum Stehen. Ein Laufbursche kam beim Major an. Sie unterhielten sich im Flüsterton, ehe der Major ihn weiterziehen ließ.
„Soldaten! Das Schlachtfeld befindet sich in unmittelbarer Nähe. Wir werden nun unser Nachtlager aufschlagen. Wer weiß, vielleicht haben Sie morgen bereits die Chance zu beweisen, dass in Ihnen Männer stecken!"
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