I

„Bewegt eure Ärsche, oder ich mach euch Beine!"

Die laute Stimme des Majors hallte durch die kalte Luft und ich sah, wie der Fahnenträger links von mir beim Klang der harschen Stimme zusammenzuckte. Kein Wunder, wir waren die jüngste Einheit der königlichen Armee und dies war unser erster Kampf. Wahrscheinlich auch unser letzter.

Mit steifen Muskeln versuchte ich mehr Tempo an den Tag zu legen, doch der Marsch der letzten zwei Wochen ließ mich nicht kalt. Selbst einige meiner Kameraden, die wesentlich muskulöser waren als ich, hatten Probleme bei der eisigen Kälte nicht zusammenzubrechen.

Wir überquerten gerade einen steilen Hang, als ein weiterer Soldat in unserer Truppe zusammenfiel. Das erste Mal, nachdem das passiert war, hatten einige versucht, diejenigen, die liegen blieben, noch mitzutragen. Nach zwei Wochen hatten wir das aufgegeben. Wahrscheinlich war der Tod derer, die beim Marsch starben, tausendmal gnädiger, als der, der uns bald auf dem Schlachtfeld erwarten würde. Ich war bestimmt nicht der Einzige, der überlegte, aufzugeben. Einfach liegenzubleiben und zu warten, dass die Armee weiterzog. Doch so weit in der Wildnis, entfernt von jeglicher Zivilisation, bedeutete das den sicheren Hungertod. Wenn man vorher nicht erfror.

Ich hörte neben mir jemanden heftig schnauben und ließ meinen Blick über meine rechte Schulter schweifen. Fußsoldat Henrik hatte wohl sehr zu kämpfen und trank seinen vermeintlich letzten Schluck aus der Lederflasche. Mit hängendem Kopf steckte er sich die leere Flasche zurück in die Tasche und tupfte sich danach die schweißnasse Stirn ab. Viele von uns hatten Grippe ähnliche Symptome bekommen und man hatte schon die Truppen weiter voneinander trennen müssen, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Doch es hatte wohl einen von uns erwischt, nachdem ich Henrik stark husten gehört hatte.

Ich ließ mich etwas nach hinten fallen und griff nach meiner eigenen Lederflasche. Natürlich hatte der Schnee den Vorteil, die Flasche jederzeit auffüllen zu können. Doch wir machten nur einmal am Tag Rast. Bis zum Abend hätte Henrik keine Chance mehr auf weitere Flüssigkeit, die sein Körper stetig ausschwitzte.

Neben Henrik angekommen, hielt ich ihm unauffällig meine Flasche hin. Der blonde junge Mann sah mich mit großen Augen an, ehe er sich die Flasche schnappte und öffnete. Der Major hatte uns oft genug gescholten, wir sollten nur auf uns selbst achten. Jeder, der den Marsch nicht aus eigenem Antrieb schaffen würde, war es nicht wert in der königlichen Armee zu dienen. Er sagte es jedes Mal so, als wäre es unsere eigene Entscheidung gewesen, unsere Familien im harten Winter zu verlassen und die letzten zwei Monate zu Fußsoldaten ausgebildet zu werden. Der Dienstälteste in unserer Truppe war sein Beobachter, sein Spion und ging jeden Abend zum Major, um Bericht zu erstatten. Es war die reinste Qual, die ganze Zeit beobachtet zu werden. Wie die Geier warteten sie, dass wir Fehler taten, für die sie uns später bestrafen konnten.

Ich spürte den Blick des Majors auf mir liegen und lief wieder schneller, ohne meine Flasche von Henrik zurückzuverlangen. Freundlichkeit wurde hier gemieden und ging mit dem Tod einher. Ich hatte Glück, dass man mein Handeln nicht bemerkt hatte und mich weiterlaufen ließ.

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