Teil 44 Das Verbrechen IV

Luca und Anna

Zoe war aufgeregt! Sie war zu Bens Geburtagsfete eingeladen! Sie hatte ihr Glück kaum fassen können! 

Ben war schon 14, der hübscheste Junge an der Schule. Im Pausenhof hatte sie immer wieder seine Nähe gesucht, vor ein paar Wochen hatte er sie angelächelt, zwei Tage später hatte er ihr den Umschlag in die Hand gedrückt.

Seitdem konnte sie kaum noch essen oder schlafen.
Ihr achtjähriger Bruder zog sie auf. „Zoe ist verliebt! Zoe ist verliebt!" sang er dauernd.
„Hau ab, du Idiot!" blaffte sie ihn an.

Er ging ihr kolossal auf die Nerven. Normalerweise liebte sie ihn sehr, aber heute hätte sie ihn auf den Mond schießen können, ohne Rückfahrkarte.

Ihre Mama half ihr beim Anziehen, räumte geduldig das zehnte Outfit wieder in den Schrank.
Endlich hatte sie etwas gefunden, worin sie sich einigermaßen gefiel.
Mama flocht ihre wilde rote Mähne noch zu einem schönen Zopf, erlaubte ihr sogar ein wenig Lippenstift.

Anna sah ihre hübsche Tochter bewundernd an. Das würde eine Herzensbrecherin werden!
Aber mit elf war man davon eben noch so ganz und gar nicht zu überzeugen.

„Also, Zoe! Nur noch ein letztes Mal: Kein Alkohol, keine Zigaretten und schon gar keine Tabletten oder Joints oder sonst was!" nahm sie das Mädchen ins Gebet.
Zoe verdrehte die Augen. Das hatten sie bestimmt schon hundert Mal durchgekaut! Sie war doch nicht doof!

„Und keine Gefummel!" vollendete sie die Predigt ihrer Mutter.
„Genau! Und du wartest auf alle Fälle, bis Papa dich um zehn abholt. Ganz egal, was passiert. Und wenn du eher nach Hause möchtest, rufst du an! Versprichst du das?"

„Ja! Zum tausendsten Mal! Ich verspreche es!" Sie umarmte ihre Mutter, wusste ja, dass sie es gut meinte mit ihr. 

Beide Eltern taten das. Alles, was sie ihr verboten, war nur zu ihrem Besten.
Sie hatte es gut erwischt! dachte sie oft. Nicht wegen des Geldes, sie lebten wie ganz normale Familien. Aber wegen der Liebe in ihrer Familie.

Ihr Papa himmelte die Mama ununterbrochen an, die beiden küssten sich den ganzen Tag. Dabei waren sie doch schon so alt.

Aber auch die Kinder wurden dauernd abgeschmust und gedrückt. Sie tat zwar immer, als ginge es ihr auf den Geist, weil sie ja schon fast erwachsen war, aber eigentlich gefiel ihr das immer noch gut.

Ihr Leben war wunderschön, auch wegen des lästigen Bruders. Sie hopste mit dem Geschenk in der Hand in Richtung Bushaltestelle, ihre Mutter winkte ihr noch nach.
Anna schloss glücklich die Türe. Ihre Kinder waren ihr ein und alles, Luca war die Liebe ihres Lebens.

„Ich geh zu Opa!" verkündete Joshua, dem langweilig war, wenn er keine Schwester da hatte, die er nerven konnte.
Anna fand diesen Vorschlag sehr gut! Da wollte sie doch mal bei Luca im Arbeitszimmer vorbeischauen, der an seinem dritten Buch schrieb. So ein geschenkter Tag war selten geworden!

„Hallo, meine Schöne!" begrüßte er sie strahlend. Noch immer ging für ihn die Sonne auf, wenn er sie sah.
„Hast du sie gut aus dem Haus gebracht ohne Nervenzusammenbruch, weil sie so hässlich ist?" fragte er.
„Ja! Es ist vollbracht!" antwortete sie und lächelte ihn auf eine ganz besondere Art an, die sein Blut ziemlich in Wallung brachte. „Und Joshua hat sich zum Opa abgesetzt."
„Aha!" sagte er nur und speicherte seinen Text sicherheitshalber ab. „Und jetzt hättest du wohl Pläne?"

„Schon! Ja! Ganz bestimmte Pläne!" Sie kam ein paar Schritte auf ihn zu.
„Pläne, die mit Tages beginnen und mit Sex enden?" fragte er sicherheitshalber.
„Hm!" gab sie zu und setzte sich auf seinen Schoß. Ihre Hände suchten die noch immer wundervolle Haut unter seinem Shirt. 

Er zog die Luft scharf ein. Wie auf Knopfdruck war er hart geworden.
Er nahm sie auf seine Arme, die nach wie vor sehr gut trainiert waren, trug sie ein Stockwerk höher.

Als Joshua um acht Uhr zurückkam, schreckten sie aus der soundso vielten Liebesrunde hoch.
Luca räkelte sich genüsslich. „Das hat wieder einmal gut getan! So eine Tagesfick ist schon eine feine Sache!" verkündete er zufrieden.

Anna konnte nicht widersprechen. Schnell duschte sie und ging nach unten, um ihren Sohn zu begrüßen. 

„Ich hab schon bei Opa und Oma gegessen!" berichtete er.
„Aha! Und was? Chips und Cola?" Sie lächelte, wusste, dass die Großeltern die Kinder immer wieder verwöhnten, sie essen ließen, was sie wollten, während sie und Luca sehr auf gesunde Ernährung achteten.

Joshua grinste. „Oma hat Burger bestellt!"
„Na, das geht ja noch!" Es hätte schlimmer sein können, fand Anna. „Und uns hast du nichts mitgebracht, du Antikumpel?" zog sie ihn auf.
„Schau halt in die Küche!" Ihr Sohn wusste genau, dass auch die Eltern ab und zu Fastfood liebten.

Tatsächlich fand Anna vier Burger, zwar schon kalt, aber lecker duftend.
Auch Luca freute sich über das Abendessen. Er hatte es jetzt nicht so arg mit dem vielen Gemüse und Salat.

Um halb zehn machte er sich auf den Weg. Er wollte nicht zu spät kommen, um seine Tochter abzuholen. Ihm war sowieso etwas mulmig bei dem Gedanken gewesen, sie alleine zu einer Party gehen zu lassen.

Zoe läutete voll Vorfreude an Bens Wohnungstüre. Er öffnete, würdigte sie kaum eines Blickes. An seinem Arm hing Cleo aus der Klasse über ihr. Sie gab ihm sein Geschenk, das er gleich aufriss.

„Ah! Eine CD! Danke!" sagte er nur und legte sie zu den anderen Sachen. Von dem reichen Töchterchen hätte er sich schon etwas mehr erhofft. Das war ja auch der Grund, warum er die Kleine überhaupt eingeladen hatte.

Na ja! Vielleicht würde er sich nächstes Jahr mal an sie ranmachen, vielleicht ließ sie ja hin und wieder etwas springen! 

Aber heute nicht. Sie war ja echt noch ein Baby!
Zoe verbrachte die schlimmsten Stunden ihres Lebens.
Eigentlich hätte sie am liebsten gleich ihren Vater angerufen, damit er sie abholte. Aber so viel Blöße wollte sie sich doch nicht geben.

Bald floss der Alkohol in Strömen, der Zigarettenrauch biss in ihren Augen, es roch nach etwas, was kein normaler Tabak war. Die Mädchen kreischten, die Jungs fummelten, es war der Horror.

Ben sah sie nicht einmal an, machte auf dem Sofa mit Cleo rum.
Das halte ich nicht aus! dachte Zoe und griff nach ihrem Handy.
„Ah! Zeig mal! Ein tolles Teil!" rief einer und nahm es ihr ab. „Hast du da Nacktfotos von dir drauf?"

Sie versuchte, das Telefon zurückzubekommen, hatte aber keine Chance, weil die Kerle es sich gegenseitig zuwarfen.
Sie sah sich nach einem Festnetzanschluss um, sie musste hier weg. Doch in der ganzen Wohnung war keiner zu finden.
Im Bad heulte sie sich erst einmal aus.

Im Wohnzimmer lachten alle über sie. Ein dicker Mops hielt ihr ihr Handy hin. „Was krieg ich denn dafür, Rotfuchs?" zog er sie auf.
Sie war sonst eigentlich für ihre Schlagfertigkeit bekannt, aber in diesem Albtraum fiel ihr nicht ein Wort ein.

„Bitte, gib es mir zurück! Oder, behalte es, lass mich nur meinen Papa anrufen!" flehte sie.
„Oh! Den Papa anrufen! Soll er dich mit dem Kinderwagen abholen?" äffte Cleo sie nach, und wieder lachten alle.

Da lief sie zur Wohnungstüre hinaus und die Treppen hinunter. Lieber wartete sie ja auf der Straße. Es war eine warme Nacht, es würde schon nichts passieren.
Eine Frau kam auf sie zu, aber eine Frau wäre ja nicht gefährlich.
Sie spürte einen Einstich und dann nichts mehr. Zoe Wissmann war elf Jahre alt geworden.

Luca trällerte einen Lovesong, während er durch die Stadt fuhr. Der Sex heute Nachmittag war schon heiß gewesen! 

Und er konnte durchaus auf eine Fortsetzung hoffen, wenn er wieder zu Hause war.
Anna hatte ihn so vielversprechend angefasst, als er sie zum Abschied geküsste hatte.
Olala! Seine Anna!

Dann hatte er die Straße erreicht, die Zoe ihm genannt hatte. Aber warum lag sie denn da auf dem Gehsteig? Ihre roten Haare leuchteten im Scheinwerferlicht. Hatte sie doch Alkohol getrunken?

Mit diesem Gedanken kniete er schon neben ihr.
Sie war kalt, so verdammt kalt!
Ihre Augen waren halb geschlossen, ihr Herz schlug nicht.
Wie ein Roboter wählte er den Notruf, dann brach er auf seiner toten Tochter zusammen.

Der Notarzt musste Hilfe holen, um den Vater wegzuziehen. Sein erster Blick galt dem Pflaster auf ihrem Oberarm. Er wusste Bescheid. Die Notdienste in ganz Deutschland waren informiert worden, dass eine Mordserie mit Rizin das Land überzog.
Er sprach mit dem aufnehmenden Polizisten, der alarmierte sofort die Mordkommission.

Irgendwann brachten sie aus Luca heraus, dass Zoe auf einer Party gewesen war. Sie stürmten die Wohnung, befragten die Jugendlichen. Die Eltern wurden benachrichtigt.
Die Kids waren vollkommen außer sich. Der kleine Rotfuchs war tot? Sie hatten sie doch nur ein bisschen geneckt, daran stirbt man doch nicht.
Sie rückten das Handy raus, erzählten schnell die Wahrheit.


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