Kapitel 5
Ardy
Während Travis und Joel die Mutter ablenkten verschaffte ich mir Zutritt zur Hintertür. Ich schlich mich leise ins Haus und versuchte durch das Schlüsselloch irgendwie das Zimmer von Eike zu erkennen. Da ich glaubte es nicht unten zu finden machte ich mich auf die Suche nach der Treppe. Diese war natürlich direkt neben der Haustür. Joel sah unauffällig zu mir. Ich symbolisierte ihnen mit einer Geste, dass sie aufhören mussten die Mutter vollzulabern. Joel blinzelte mit den Augen um mir zu zeigen, dass er es verstand. Schnell versteckte ich mich im Badezimmer und hoffte, dass die Mutter jetzt nicht hier rein musste. Ich hörte wie sie sich von Travis und Joel verabschiedete und die Tür schloss. Schnell schrieb ich Joel und Travis, dass sie das Auto weiter weg parken und auf mich warten sollen. "Mom?", rief eine männliche Stimme. Ich sah, dass Eike die Treppen runter kam und in die Küche ging. Langsam schlich ich mich aus dem Bad raus und lief die Treppen hoch. Das Zimmer von Eike stand weit offen. Ich ging rein und schaute mich um. Er war anscheinend ein begnadeter Fußballfan. Ich fand auf der Fensterbank eine Spardose, welche ich öffnete. Heraus kamen 100€. Soviel zum Thema er hatte das Geld nicht. Naja, er schuldete uns 300€. Was will er mit soviel Gras? Ich schaute mir seine Trophäen und Figuren an, die auf einem Regal standen. Ich hörte wie jemand die Treppe hoch kam. Eike schaute auf sein Handy und schloss die Tür ohne, dass er mich sah. "Hübsch hast es hier.", meldete ich mich zu Wort. Er zuckte zusammen und schaute mich geschockt an. "Du weißt warum ich hier bin?" "I-Ich hab das Geld nicht." "Das ist echt blöd. Wir brauchen es nämlich." "Ich gebe es dir noch. Versprochen." "Wenn ich jedes Mal 1€ bekommen würde, wenn ich diesen Satz höre, könnte ich mir bald einen Tesla leisten. Du hast von den Anderen eine Warnung bekommen. Ich habe keine Geduld und will das Geld jetzt." "Ich hab es aber nicht... Bitte, versteh doch... Vor Arbeiten oder Prüfungen habe ich immer totale Panik. Ich brauchte es einfach. Ich kann mir keine schlechten Noten leisten. Ich geh nach der Schule noch arbeiten. Seitdem mein Dad nicht mehr da ist haben wir nicht soviel Geld und ich helfe meiner Mutter mit dem-" "Interessiert mich nicht.", unterbrach ich ihn. "Ich will das Geld. 300€ in 3 Monaten. Was machst du mit soviel Gras? Du kannst mir nicht erzählen, dass das alles für dich ist." "Nein... Wie gesagt haben wir nicht viel Geld und-" "Du verkaufst es weiter?", fragte ich sauer. "Also... Naja, ich... J-Ja." Ich ging näher auf ihn zu und zog meine Waffe. "Jetzt schuldest du uns 600€. Sie haben dir erklärt, dass du es nicht weiter verkaufen sollst oder?" Er nickte eingeschüchtert. "Und trotzdem hast du es gemacht, weil du dachtest, dass wir dumm sind und da nicht hinter kommen?" Ich griff zu dem Poster neben mir an der Wand und riss es ab. Dann ging ich zur Fensterbank und nahm die 100€. "Jetzt sind es noch 500€. Zwei Wochen hast du. Dann will ich das Geld sehen. Und wenn nicht, dann musst du irgendwann fühlen." Beim letzten Satz hob ich meine Waffe. "Haben wir uns verstanden?" "Ich... ich weiß doch nicht wo ich das Geld herkriegen soll." Ich verdrehte die Augen, weil er anfing zu heulen. Ich nahm ein Sammelalbum aus seinem Regal und schaute es mir an. "Das ist bestimmt etwas Wert oder?" Er nickte langsam. "Das ist doch ein Anfang. Verkauf es." Ich schmiss es ihm vor die Füße. "Das kann ich nicht machen... Es gehörte meinem Vater." "Juckt mich nicht. Zwei Wochen. Dann will ich das Geld haben. Und jetzt begleitest du mich zur Tür und verabschiedest dich, wie es Freunde eben so machen. Und wenn du auch nur auf die Idee kommst es deiner Mama oder der Polizei zu erzählen, dann endest du so wie das Poster an der Wand. Und glaub mir, die Polizei kann nicht jeden aus der Gang festnehmen. Es sind mehr Leute, als du denkst." Wieder nickte er und wischte sich die Tränen weg. "Also? Wo ist die Tür?" Er ging vor und öffnete mir die Haustür. "Danke, dass du dir Zeit genommen hast.", sagte ich freundlich und ging. Ich sah, dass Travis und Joel bei den Nachbarn geparkt hatten. Ich stieg als Beifahrer ein. "Und?", fragte Joel. "In spätestens zwei Wochen werden wir das Geld sehen." "Mit Ardy ist nicht zu spaßen.", sagte Travis lachend.
(...)
Endlich war ich zuhause angekommen und sofort schmiss ich mich ins Bett. Das hatte ich wirklich vermisst. Es kam mir schon so vor, als würde ich schon seit einer Woche aus dem Knast wieder raus sein. Ich schaltete meinen Fernseher an und zog mir eine Serie rein. Endlich konnte ich auch wieder ans Handy gehen und musste mich erstmal mit allem auf den neusten Stand bringen. Im Knast kommt es einem echt so vor, als würde die Zeit komplett stehen bleiben. Ich hoffte jedenfalls, dass ich nicht mehr so schnell dahin zurück musste. Weder als Gefangener noch als Besucher. Doch, wenn es um meine Gang ging, musste ich das einfach in Kauf nehmen. Sie waren meine Familie. Familie.... Ich setzte mich aufrichtig hin, öffnete die Schublade meines Nachttisches und holte ein altes Familienfoto von mir und meinen Eltern raus. Als das Foto entstanden ist war ich 5 Jahre alt. Kurz bevor meine heile Welt komplett zerstört wurde. Dank der Gang ist sie aber wieder aufgebaut worden. Wenn auch mit Narben. Wenigstens hatte ich wieder eine Familie. Vor ein paar Jahren hätte ich damit nicht gerechnet.
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