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Bitte was? Woher weiß er von Mia? Hat Max ihm etwa von meiner Prinzessin erzählt? Wie sonst soll John von Mia erfahren haben?
"Chichi bist du noch dran?"
"Woher weißt du von meiner Tochter?", frage ich, kann den mir völlig neuen, bedrohlichen Unterton nicht verbergen.
"In deinem Bad steht eine Kinder-Zahnbürste." Verdammt! Natürlich, ich habe ihn auf meine Toilette gelassen.
"Dann verstehst du ja sicher, warum ich den One-Night-Stand gern als solchen belassen würde. Du siehst ja nun sicher ein, dass eine derart lockere Kiste, wie du sie dir sicherlich vorstellst, nicht in mein Leben passt. Also, ich wünsche dir alles gute. Bye."
Mit diesen Worten und furchtbar zittrigen Fingern drücke ich auf den roten Punkt, der mir auf dem Display angezeigt wird.
Die Nacht zieht sich furchtbar dahin und rennt gleichzeitig davon. Ich wälze mich hin und her, drücke mein Kissen in alle möglichen Richtungen und finde doch keine Ruhe.
Es ist zum Mäuse melken! Da lasse ich den Kerl in meine Wohnung! Ohne darüber nachzudenken. Was wäre gewesen, wenn er den Fotos an meinen Wänden Beachtung geschenkt hätte?
Das darf mir auf keinen Fall noch einmal passieren. Das Kapitel John hat sich soeben geschlossen und wird verbannt, bis in alle Ewigkeit.
Um fünf Uhr am Morgen gebe ich schließlich auf, jetzt einzuschlafen wäre fatal. Also gehe ich ins Bad, nehme eine lauwarme Dusche und setze, in mein lila Handtuch gewickelt, das so schön flauschig ist, eine Kanne Kaffee auf. Wärend die Maschine zu Summen beginnt und das Wasser langsam in den Filter gepumpt wird, gehe ich wieder in mein Schlafzimmer.
Vor dem Schrank verharre ich, schaue mich selbst genau in dem großen Spiegel auf der mittleren Tür an, lasse schließlich das Handtuch sinken.
Man sieht mir die Schwangerschaft nicht mehr an. Zumindest nicht, wenn man es nicht weiß. Die feinen Streifen um meinen Bauch sind Zeitzeugen, wie das Baby zu schnell für meine Haut gewachsen ist. Es wird mich auf ewig an eine wunderbare Zeit erinnern.
Die Schwangerschaft mit Mia war regelrecht ein Traum. Ja, die ersten vier Monate habe ich unglaublich gelitten, denn nach jeder Mahlzeit war mir schlecht. Doch wie sagte meine Mutter so schön: es heißt nicht "Morgenübelkeit" weil es Morgen ist, sondern weil es morgen mindestens genauso schlimm wird.
Beschissen ausgesehen habe ich zusätzlich. Auch hier hatte Mama eine alte Weisheit parat: Jungen schenken Schönheit, Mädchen nehmen sie dir. Tja, zumindest das traf auf mich zu. Meine Haare hingen in Strippen, egal, wie viel Mühe ich mir mit ihnen gab. Eine Taille hatte ich schon recht früh nicht mehr und auch meine Haut war alles andere als ansehnlich. Und trotzdem habe ich mich gut gefühlt.
Jetzt, wo die Jahre so langsam vergehen, sehe ich wieder gut aus, fühle ich mich in meinem Körper wieder wohl.
Einige Minuten betrachte ich mich noch im Spiegel, ziehe dann doch die Schranktür auf und hole ein hellblaues Sommerkleid heraus. Aus einer der zwei Schubladen ziehe ich einen weißen Slip hervor. Unter Kleidern vermeide ich es, Strings zu tragen. Wer weiß, wann mal eine ungünstige Windböe aufkommt.
Noch immer nackt gehe ich zurück ins Bad, sprühe mich mit einem geruchsneutralen Deo ein und putze die Zähne. Erst jetzt ziehe ich mich an, tusche meine Wimpern und ziehe einen dünnen schwarzen Lidstrich. Eigentlich ist mir das für die Arbeit schon zu viel, aber durch die schlaflose Nacht ist es heute nicht vermeidbar.
Zu guter letzt lege ich noch meinen derzeitigen Lieblingsduft von Hermès auf.
Ich gehe in die Küche, schenke mir eine Tasse Kaffee ein, gebe ein wenig Milch und einen Schuss Vanille-Sirup hinzu. Aus dem weißen Schrank, der gar nicht zu meinen restlichen, grau gehaltenen Schränken passt, neben dem Kühlschrank, hole ich mir einen Müsliriegel raus. Mit Kaffee und Riegel bewaffnet setze ich mich ins Wohnzimmer auf meine graue Couch und schalte das Frühstücksfernsehen ein. Wenn die Nachrichten durch sind, bin ich wach genug, um schnell einkaufen zu gehen, eine Maschine Wäsche anzumachen und schließlich den Weg zur Arbeit anzutreten. Und das alles bis halb neun, da um neun mein Dienst in der Gruppe beginnt.
"Du bist heute irgendwie nicht anwesend", rügt mich Kristina, meine Kollegin, als es gegen Feierabend geht. "Was ist los?"
"Ich habe nicht gut geschlafen", antworte ich knapp. Schlimm genug, dass ich Elli und Ninni immer alles erzählen muss, da fange ich nicht auch noch bei meinen Kolleginnen damit an.
"Hast du eigentlich die neusten Insta-Bilder von Gzuz gesehen?" Kristina lässt nicht locker. Ich bin nur wenige Jahre jünger als sie und früher froh gewesen, dass wir so einen unterschiedlichen Musikeschmack haben. Jetzt sagt mir mein Bauch, dass es mir zum Verhängnis werden wird.
Kristina stalked schon seit Jahren jede Insta-Story der Straßenbande, weiß immer, wo sie gerade sind und konnte durch ihre Hartnäckigkeit schon viele Fotos mit den Jungs machen. Mit ihren Platin-blonden Haaren, ihren mega Brüsten und der Figur einer Elfe passt sie perfekt in eines der Musikvideos der Jungs.
"Du weißt, dass die mich nicht interessieren", winke ich ab und greife mir ein Sprachlerntagebuch.
"Diese Story wird dich interessieren." Sie hält mir ihr Smartphone unter die Nase, Instagram schon geöffnet.
Man hört nichts, sieht nur, wie die Kamera eine Gruppe von Menschen filmt, die Szene wiederholt sich mehrere Male, wie in Dauerschleife. Ich muss es drei Mal laufen lassen, ehe ich das Wesentliche erkenne.
Ich bin auf dem kurzen Ausschnitt zu sehen! Wann hat Kris das aufgenommen? Bei Max achte ich penibel genau darauf, dass ich nicht mit ihm abgelichtet werde. Es gibt immer mal wieder gemeinsame Bilder von uns, aber mittlerweile wissen seine Fans, dass wir einfach nur Freunde sind. Die Kameras meide ich trotzdem.
Kristina nimmt mir ihr Telefon wieder aus der Hand, mustert mich genausten.
"Du warst also mit ihnen Essen", stellt sich ruhig klar. "Die Presse zerreißt sich das Maul über dich. Viele schreiben, dass du deine Beziehung zu Max ausnutzen willst, um dir einen echten bösen Jungen zu schnappen."
Natürlich! Als hätte ich nicht genug andere Sorgen! Wieso sollte ich mir so einen Kerl angeln? Wieso sollte ich mein Leben aufgeben, für einen Mann, der metertief in der Rotlicht- und Drogen-Szene verankert ist?
"Max ist mein bester Freund seit Kindertagen. Wenn die Presse meint, die Wahrheit zu kennen, bitte sehr." Ich wende mich ab, will noch ein paar Fotos vom letzten Ausflug sortieren und auf ein Plakat kleben, bevor ich Feierabend mache.
"Und das du mit Bonez nach Hause gefahren bist, stimmt auch nicht?" Kristina gibt nicht auf. Laut seufzend stehe ich auf und hole mir aus einem offenen Schrank blaue Pappe. "Charlotte, ist er mit dir nach Hause gefahren?"
"Weißt du warum ich mit Max schon so viele Jahre befreundet bin?", stelle ich eine Gegenfrage. Kristina schaut mich verständnislos an. "Wir sind seit mehr als zwanzig Jahren befreundet, weil ich nie mit anderen über unsere Freundschaft gesprochen habe. Auch nicht über die Bekanntschaften, die ich Dank ihm geknüpft habe. Und nur, weil ich ausnahmsweise mal in einem Insta-Post zu sehen bin, werde ich meine Loyalität ihm gegenüber nicht brechen. Von mir wirst du also nichts erfahren."
Ich räume meine Materialien weg, hole meine Tasche aus einem kleinen Fach unter dem Schreibtisch. "Wir sehen uns dann morgen", sage ich noch und gehe in meinen Feierabend.
Mit einer unglaublichen Wut im Bauch gehe ich auf mein Auto zu. Wie immer will die Zentralverriegelung nicht so richtig. Fluchend drücke ich so fest es geht auf den Knopf und fluche dabei verhalten.
Als die Tür endlich aufspringt schmeiße ich meine Tasche auf den Beifahrersitz. Natürlich landet sie dort nicht, sondern fällt in den Fußraum und alles fällt hinaus. Ebenso mein Handy. Das kleine rosa blinkende Licht in der oberen linken Ecke zeigt mir, dass ich neue Whatsapp Nachrichten habe.
Ich starte den Wagen, schiebe die Schaltung in den Leerlauf und angel erst dann nach dem Smartphone.
Es sind zwei Nachrichten meiner Mutter, eine von Elli und drei von Max. Mit dem Zorn in mir, will ich keine der Nachrichten lesen. Bis mir der unterste Chat ins Auge springt. Mit flinken Fingern öffne ich diesen und könnte schreien.
Nerve ich dich eigentlich? Hab so das Gefühl. Da du bisher nicht reagiert hast und auch generell kein Interesse an mir zu haben scheinst, werde ich aufgeben. Ich bin kein Mann, der Weibern hinterher läuft. Egal, wie geil ihr Arsch ist oder wie mega ihre Verrenkungen beim Sex waren.
Wünsch dir was. Man sieht sich.
Was, zum Teufel, denkt er, wer es ist? Er ist nicht der Typ Mann, der "Weibern" hinterher rennt? Ich habe ihn nie darum gebeten! Ich habe nie gesagt, er solle sich in irgendeiner Form Hoffnung machen!
Blind vor Wut, für die John, wenn ich ehrlich bin, ja gar nichts kann, drücke ich auf das kleine Mikrophon.
"Pass mal auf, Keule, jetzt will ich dir mal was sagen! Ich habe nicht darum gebeten, dass du in mein Leben trittst! Du warst es, der mich unbedingt und ungefragt nach Hause bringen wollte! Du warst es, der meine Nummer haben wollte! Ich habe nichts von alldem verlangt, ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Schön, dass du es endlich verstanden hast. Ich wünsch DIR was und man sieht sich - nicht!"
Den Knopf loslassend atme ich tief durch. Das habe ich gebraucht.
Es ist wie ein Befreiungsschlag und nach meiner kürzlich aufgekommenen Verwirrung bezüglich meiner Entscheidungen, absolut erfreulich. John hat mir, durch seine abfällige Wortwahl, den perfekten Grund geliefert, warum ich ihn nicht in unserem Leben haben will. Soll er doch erst von seinem hohen Ross kommen!
Am besten er fällt.
Mit dem Kopf zuerst!
Am Abend habe ich mich noch immer nicht wirklich beruhigt und auch den nächsten Arbeitstage kämpfe ich mit mir selbst, meine Laune nicht an allen anderen auszulassen.
"Gehen wir heute zu Onkel Max?" Mia kuschelt sich neben mich ins Bett, legt eine ihrer kleinen Hände an meine Wange. Schlafend stellen nützt nichts, sie weiß, dass ich wach bin, sobald sie zu mir unter die Decke kriecht.
"Heute ist Samstag, Prinzessin, also ist Max-Day", antworte ich lächelnd und bekomme ein freudiges Hurra meiner Tochter geschenkt.
Sie genießt die Tage mit ihrem Paten, denn er tobt und spielt und kuschelt auf eine völlig andere Art und Weise mit ihr, als ich es je könnte. "Aber lass uns erst frühstücken und ich will bei Max anrufen, was wir unternehmen wollen."
Mia springt förmlich aus meinem Bett, holt mein Handy aus dem Wohnzimmer und gibt es mir.
"Hier, Mama." Stolz lächelt mein Engel, wenngleich ich nicht vorhatte, Max morgens vor sieben, an einem Samstag, anzurufen. Nun bleibt mir nichts anderes übrig.
Wie immer, wenn ich Max in Mias Anwesenheit anrufe, schalte ich den Lautsprecher ein, damit sie ihm ebenfalls Hallo sagen kann.
"Ihr müsst völlig verrückt geworden sein", kommt seine verschlafene Stimme aus dem Handy. "Ihr wisst, dass ich meinen Schönheitsschlaf brauche."
"Hallo Onkel Max!", schreit Mia, als gäbe es kein Morgen.
"Hi Prinzessin."
"Was unternehmen wir heute?" Mia fackelt nicht lang, will sofort wissen, wie ihr Tag weiter gehen wird.
"Ihr frühstückt, dadurch habe ich Zeit, überhaupt wach zu werden", lacht mein bester Freund. "Dann darf Mama dich zu mir bringen und ich fahre mit dir in den Zoo. Was hälst du davon?"
"Und was ist mit mir?", will ich gespielt beleidigt wissen. Dabei habe ich keinen Grund. Max macht eben das, was ein Pate macht. Er nimmt Mia, um kleine Ausflüge zu machen, oder um ihr Abwechslung zu bieten. Bei ihrer Taufe waren wir uns einig, dass ein Pate nicht dazu da ist, Geld zu schenken. Zeit ist so viel kostbarer.
"Du legst dich in meinen Garten und genießt das Wetter." Max klingt streng dabei, als wisse er ganz genau, wie es um meine Laune die letzten Tage bestellt war.
"Ich soll also in deine Bonzen-Gegend kommen und all deinen Luxus genießen?", frage ich lachend. "Wenn ich dann auch noch einen Cocktail und oder Eis in deiner Küche finde, bin ich dabei!" Nicht, dass ich den Drink tatsächlich trinken würde, aber die Vorstellung ich könnte, weil niemand mich verurteilen würde, ist verlockend.
"Okay, pass auf: Mia und ich gehen in den Zoo und zu McDonald's, du wirst definitiv Eis finden. Den Cocktail verschieben wir auf den Abend, wenn Prinzessin schläft. Und dazu bekommst du kalte Chicken Nuggets von uns, wenn wir zurück sind."
"Abgemacht", rufen Mia und ich, nachdem ich mit dem Fingern bis drei gezählt habe. Wir drei lachen und Max legt auf. Es gibt nichts mehr zu sagen, also bereiten Mia und ich uns ein Frühstück nach ihrem Geschmack - Cornflakes und Marmeladen-Toast - zu und ziehen uns anschließend Sommerkleider an.
Mia holt ihr Lieblingskleid, ein lila Kleid mit einem Motiv aus Frozen darauf, aus dem Schrank. Da mir das lila so gut gefällt, hole ich ein kurzes Sommerkleid in einem ähnlichen Ton heraus. Es ist wirklich sehr knapp, Schulterfrei und durch eine Raffung gut ohne BH zu tragen. Da ich aber bei Max zu Hause bleiben werde, störe ich mich nicht daran. Dieses Mal entscheide ich mich auch für einen String darunter. Ich muss nicht einkaufen gehen und da ich den Garten ein paar Stunden für mich haben werde, will ich die Sonne wirklich voll und ganz genießen. Oben ohne und nur im Tanga.
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