13

"Wer ist da?", frage ich durch die Sprechanlage.

"Frank", ertönt die Antwort. Mein Mund zieht sich zu einem freudigen Grinsen. Wie lange ist das bloß her? Bestimmt ein halbes Jahr schon wieder. Ich drücke beide Knöpfe gleichzeitg, um die Tür unten zu öffnen. Ungeduldig warte ich, bis Frank nach oben kommt.

"Hey!", ruft er, nimmt mich in den Arm und wirbelt mich einmal herum. "Wie geht es euch? Alles gut?"

"Komm rein, Mia ist im Wohnzimmer. Sei nicht enttäuscht, wenn sie keine Luftsprünge macht, sie hat Fieber." Gemeinsam gehen wir den kleinen Flur entlang ins Wohnzimmer. "Okay, die Begrüßung muss warten, sie schläft."

Kurz betrachten wir die kleine Prinzessin, ehe wir uns in die Küche zurückziehen.

"Erzähl, was treibt dich nach Berlin?", will ich wissen.

"Ach nur der Job und meine nervigen Eltern, die mich regelmäßig hier haben wollen. Außerdem heiratet meine Ex nächste Woche und ihr Mann ist ein Geschäftspartner von mir." Frank verzieht das Gesicht, weshalb ich laut auflachen.

"Du hast wohl keine große Lust darauf", frage ich noch immer lachend.

"Ja ja, lach du nur. Vielleicht nehme ich dich als mein 1+ mit?!"

"Untersteh dich! Ich konnte Natascha wirklich immer gut leiden, aber das sie dich so hintergangen hat ... Das hast du wirklich nicht verdient." Nachdenklich hole ich eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und gieße uns etwas in zwei Gläser, die in dem Schrank über der Spüle stehen.

"Weißt du, wären wir Topf und Deckel gewesen, dann hätte sie nicht ihn gewählt."
Tja, da hat Frank allerdings recht. Wir unterhalten uns noch lange über seine Pläne in Berlin und wann wir uns noch mal sehen können. Mia verschläft seinen Besuch gänzlich. Erst, als ich Frank zwei Stunden später verabschiede und gerade die Küche aufräume, kommt sie angetappst.

"Mama, kann ich Grießbrei haben?", fragt sie mit Kulleraugend. Zwinkernd deute ich auf einen kleinen Topf auf dem Herd.

"Ich hatte die gleiche Idee und wollte gerade anfangen." Ich hebe Mia auf die Arbeitsplatte und setze die Milch auf. Sie sieht schon viel fitter aus. "Bleibst du hier ganz lieb sitzen, damit ich das Fieberthermometer holen kann?" Als sie nickt gehe ich schnell ins Bad. "So erst das linke Ohr", weise ich meine Tochter an. Sie streicht ihr Haar zurück und neigt leicht den Kopf, wie ich es ihr gezeigt habe.

Ich messe in beiden Ohren und bin überrascht - das Fieber ist wieder runter. Noch nicht weg, aber so weit runter, dass ich mit Mia morgen trotzdem kurz auf den Spielplatz gehen kann.
Wir essen zusammen den Grießbrei mit Kirschen, dazu bekommt Mia ein Glas des Kirschsafts. Ein alter Trick meiner Mutter, um das Fieber zu senken.

Am nächsten Morgen geht es Mia wieder gut. Sie hat kein Fieber mehr und auch sonst scheint sie richtig fit zu sein.

"Wann gehen wir zu Max?", fragt sie mich immer und immer wieder, nachdem sie die Augen richtig auf hatte.

"Schatz, du hast gestern Fieber gehabt. Eigentlich wollte ich nur mit dir auf den Spielplatz an der Ecke und dann wieder auf die Couch."
Mia schaut mich mit großen Augen an. Ich sehe, wie sie zu glänzen beginnen, kann den Anblick kaum ertragen. "Hier, frag Max, was er dazu meint." Ich wähle für meine Tochter, schalte den Lautsprecher ein und lege mein Handy vor Mia auf den Esstisch.

"Hallöchen!", ertönt Max fröhliche Stimme. Heute haben wir ihn zumindest nicht geweckt.

"Ich bin gar nicht mehr krank", erklärt Mia sofort, ohne ihren Patenonkel zu begrüßen. Der wiederum kichert nur blöde am anderen Ende des Leitung. "Wirklich!", beteuert Mia, als Max noch immer nichts sagt.

"Prinzessin, warum sagt du mir das und nicht deiner Mama?"

"Weil sie es weiß", erklärt Mia. "Und sie will nicht nachher mit mir zu dir fahren. Ich verspreche, ich werd nicht wieder krank."

"Mama entscheidet, Prinzessin. Aber wenn ihr euch entschließt, doch vorbei kommen zu wollen, ich bin zu Hause. Es kommen nur ein paar Freunde zum grillen vorbei. Aber meine beiden Lieblingsfrauen dürfen gern dazu kommen."
Mia springt begeistert auf. Sie liebt grillen und besonders die Marshmallows, die Max immer da zu haben scheint. Ich nehme das Telefon in die Hand, schalte den Lautsprecher aus und verlasse die Küche.

"Wer kommt?"

"Als ob du das nicht wüsstest", seufzt Max. "Die Jungs haben Dienstag einen Auftritt und wir wollen nochmal zusammen sitzen."

"Ich dachte das Konzert wäre heute", gebe ich kleinlaut zurück.

"Kommt ihr?" Wie immer ignoriert Max mein unterschwelliges Nörgeln. Mir ist klar, dass ich damit noch nie wirklich weit bei ihm gekommen bin. Und er weiß ganz genau, dass ich Mia nun nicht mehr dazu bewegen kann, zu Hause bleiben zu wollen.

"Okay", sage ich resigniert. "Aber wir werden nicht bei dir schlafen und ich bringe noch jemanden mit."

"Klar, dann sehen wir uns so gegen vierzehn Uhr."

Nachdem wir aufgelegt haben, schreibe ich Frank eine Nachricht, frage, ob er mit zu Max kommen will. Sofort sagt er zu, freut sich, seinen alten Freund wieder zu sehen.

Wieder einmal steigt in mir nur Nervosität auf. John wird da sein, mit seinem Cousin und seinem besten Freund. Ob sie die Ähnlichkeit zwischen ihm und Mia auch sofort sehen? Oder hat er es ihnen erzählt?
Alles grübeln hilft nichts, schließlich kann ich John auch gar nicht einschätzen. Wir sind noch immer praktisch Fremde.

Als wir uns schließlich auf den Weg machen, ist Mia ganz hibbelig. Einerseits, weil ich ihr erzählt habe, dass Frank in der Stadt ist und und begleiten wird. Andererseits freut sie sich sehr, John wieder zu sehen. Sie hat ihn sofort in ihr Herz geschlossen, ohne zu ahnen, dass er ihr Vater ist.

Vor Max Einfahrt treffen wir auf Frank, der extra auf uns gewartet hat. Als er uns erblickt, bildet sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.
"Du zwingst sie, die gleichen Klamotten zu tragen?"

"Es war ihre Idee!", beteuere ich und deute auf Mia. Wir beide tragen blaue kurze Hosen, die bei mir wohl eher Hotpants sind, dazu ein Shirt in einem ähnlichen rosa Ton und rosa Zehentreter.

"Ich glaub dir kein Wort", grinst Frank, nimmt dann erst mich, dann Mia in den Arm.

Ohne zu klingeln oder mich sonst wie bemerkbar zu machen, öffne ich mit meinem Zweitschlüssel die Haustür und gehe vor Frank hinein. Mia rennt an mir vorbei, ruft lautstark nach ihrem Patenonkel.

"Wow, Max scheint erwachsen geworden zu sein", staunt Frank, als wir weiter ins Haus hineingehen. "Und reich."
Wir müssen beide laut lachen, weil Max schon früher sehr sparsam war und sich daher mehr leisten konnte als wir.

"Frank!" Mein bester Freund kommt, mit Mia auf dem Arm, von der Terrasse herein und begrüßt seinen alten Kumpel. "Was treibt dich denn hierher?"

In kurzen Sätzen erklärt Frank seine Situation. Da ich die Geschichte nun schon kenne, gehe ich in die Küche, hole für mich und Mia Limonade und für Frank ein Bier.
Ich höre mehrere Stimmen von draußen, John und die Jungs müssen schon da sein.

"Hey", erklingt eine tiefe Stimme hinter mir. Marten steht lächelnd im Türrahmen. "Kommst du gar nicht Hallo sagen?"

"Doch, doch", versichere ich, stelle die Flaschen ab und umarme Marten kurz. Zumindest will ich es kurz halten, jedoch lässt er nicht gleich wieder los.

"Gut siehst du aus", sagt er, als er sich, mich musternd, von mir löst. "Wo sind die Tattoos?" Grinsend fährt er auf meinen Körper mit den Augen rauf und runter.
Da ich nichts zu verbergen habe, ziehe das Top ein wenig nach oben und zeige ihm das kleine Buch. "Und das M?"

"Du nervst, Marten", sage ich und gehe, wieder mit den Flaschen bewaffnet, an ihm vorbei.

"Warum machst du ein solches Geheimnis daraus? Hast du es etwa auf der Muschi stehen? Für mich vielleicht? Als Reviermarkierung?" Anzüglich wackelt der arrogante Mann mit den Augenbrauen. Hätte ich ihn nicht schon kennengelernt und beim Essen im Steakhaus herzlich über seinen Humor gelacht, ich würde mich beleidigt fühlen.

"Das hättest du wohl gern, mein Lieber." Ich zwinker ihn an, lasse es zu, dass er seinen Arm über meine Schultern legt. Gemeinsam treten wir auf die Terrasse hinaus.
Als ich zwei große Kampfhunde erblicke, erstarre ich.

"Das sind nur Skittlez und Chopper", erklärt Marten, als würde das alles aussagen. Doch bevor ich darauf antworten kann, entdecke ich Mia auf Johns Schoß.

"Guck, Mami, wer da ist", strahlt sie mich an. Sie muss einen richtigen Narren an John gefressen haben. "Und guck, ich hab die Kette wieder."

Ich nicke John kurz zu, der meinen Blick festhält. Oder fixiert er Martens Arm, der noch immer auf meinen Schultern ruht?

"Die gehört zu dir?", flüstert Marten. "Und ich hab mich schon gefragt, wie diese Flitzpiepe da drüben ein so hübsches Kind zeugen konnte." Mein Blick wandert in Franks Richtung. Ich empfinde ihn nicht als hässlich, könnte mir sogar recht gut vorstellen, wie seine Kinder aussehen würden.

"Nein, sie ist mein Kind", bestätige ich und vermeide es, John anzusehen.
Marten zieht mich zum Tisch, bietet mir einen Stuhl an und setzt sich neben mich. Auf meiner anderen Seite ist ein freier Stuhl, vermutlich für Mia und daneben sitzt John.
"Wo sind die anderen?", frage ich in die Runde, reiche Frank dabei die Bierflasche.

"Kris und Raphael sind ein wenig verkatert von gestern Abend. Sie lassen sich entschuldigen", klärt Marten mich auf. "Wo ist das M?"

"Meine Güte", seufze ich. "Du bist eine richtige Nervensäge!"

"Meint er das mit den Blüten drumherum?", mischt sich Frank ein. Im Augenwinkel nehme ich wahr, wie sich Johns Blick verfinstert.

"Ja, genau das meine ich", springt Marten sofort drauf an. John wendet sich seinem Cousin zu, die Augen schon fast zu Schlitzen zusammengekniffen, eine tiefe Falte auf der Stirn.

"Du wirst es nie erfahren", mischt John sich mit tiefer Stimme in das Gespräch ein. Doch das stachelt Marten natürlich nur noch mehr an.

"Du weißt also, wo es ist?"

Ich schalte ab, will mich nicht mehr an diesem albernen Gespräch beteiligen. Stattdessen beobachte ich Mia, wie sie auf John herumklettert, rauf und runter, immer mehr Bücher holt und ihm jedes Bild bis ins kleinste Detail erläutert. Er schafft es tatsächlich, sich dabei weiter mit uns zu unterhalten.

Der Nachmittag ist lustig, Frank hat sich irgendwann direkt mir gegenüber gesetzt, wodurch wir uns schließlich angeregt mit Marten über Tattoos unterhalten. Er selbst hat gar keine, Marten hingegen scheint kein Fleckchen freie Haut mehr zu haben.

Ich lehne mich irgendwann, amüsiert über Franks Angst vor Nadeln nach hinten, merke zu spät, dass Martens Arm über meiner Lehne liegt. Seine Hand streift wie zufällig über meinen Arm, bleibt dort liegen.
So gern ich Marten habe, so unangenehm ist mir diese Berührung. Angst kommt in mir auf, er könnte vielleicht ein anderes Interesse an mir haben.

"Entschuldigt mich", sage ich, stürme förmlich in das Haus. Ich gehe geradewegs in das Gäste-WC, doch bevor ich die Tür schließen kann, hält John sie auf. Er schiebt mich ins Innere, drückt die Tür zu und bleibt davor stehen.

"Was soll die Scheiße?", fragt er leise, wodurch es äußerst gefährlich wirkt.

"Was?" Seine plötzliche Nähe vernebelt meinen Kopf. Auch wenn wir draußen Gespräche mit den anderen geführt haben, miteinander haben wir kein einziges Wort gesprochen.

"Machst du dich jetzt an meinen Cousin ran?"

"Bitte? Er legt die ganze Zeit seinen Arm um mich", fange ich an, mich zu rechtfertigen. Als mir bewusst wird, dass er kein Recht hat, den eifersüchtigen zu spielen, gehe ich auf Abwehr. "Aber selbst wenn, ginge dich das ja auch gar nichts an. Oder habe ich da etwas verpasst?"

John rückt näher an mich heran, sodass ich in die kleine bodentiefen Dusche ausweiche. Doch auch hierher folgt er mir, bis ich mich nicht mehr entfernen kann.
"Komisch ist doch, dass ich ganz genau weiß, dass das Tattoo, von dem er die ganze Zeit spricht, auf deiner anderen Hüfte liegt. Nur weiter zum Rücken hin. Aber vor ihm machst du so ein Geheimnis daraus."

"Das ist kein Geheimnis", erwidere ich. "Es geht ihn nur nichts an."

"Seh ich auch so", raunt John. "Und was soll der Typ hier? Ist das dein Freund? Dein Stecher? Fickt er dich?"

"Du bist ekelhaft", zische ich, will mich an ihm vorbei drängen, doch John keilt mich regelrecht zwischen seinen Armen, die auf beiden Seiten von mir auf der Wand gestützt sind, ein.

"Suchst du jemanden, der dich so fickt, wie ich?" Sein Mund kommt meinem Ohr gefährlich nah. "Tja, Baby, da hast du kein Glück, denn keiner fickt wie ich." Bevor seine Lippen meine Wange berühren, schlüpfe ich unter seinem Arm durch.

"Du bist so widerlich!" Ich drehe mich noch mal zu John um, habe die Türklinke schon in der Hand. "Nur zu deiner Information: Frank ist mein Cousin. Und ganz so nötig, wie du vielleicht meinst, habe ich es nicht. Du solltest von deinem Höhenflug herunter kommen. Denn das, was du mit mir gemacht hast, kann mein rosa Freund in meiner Schublade daheim besser."

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