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Sanft rascheln die Blätter im Wind, während Sunghoon immer tiefer in den Wald hineingeht und warme Sonnenstrahlen ihn ab und zu durch die Baumkronen hindurch blenden. Das Zirpen hunderter Zikaden dringt aus dem Waldinneren an seine Ohren und vermischt sich mit dem Klang der raschelnden Blätter. Der kleine Fuchs tapst vor ihm her und scheint dabei ein ganz bestimmtes Ziel anzusteuern Was genau er allerdings vorhat, kann Sunghoon sich absolut nicht ausmalen. Er könnte davon nicht mal jemandem erzählen. Was soll er auch sagen? Dass er einem Tier gefolgt ist, weil es ihm eventuell zugenickt hat?

Kräftig schüttelt Sunghoon mit dem Kopf und hält inne, als er bemerkt, dass sein Begleiter verschwunden ist. Er dreht sich verwirrt um und versucht das plüschige Kerlchen irgendwo zu entdecken, aber er wird nicht fündig. Sunghoon steht ganz allein mitten im Wald.

Auch wenn es Sunghoon klar gewesen ist, dass der Fuchs einfach keiner der besagten Geister sein kann – denn so etwas wie Geister gibt es ja nicht – ist er dennoch ein wenig enttäuscht und sein Herz wird wieder ganz schwer. Er fühlt sich erbärmlich, weil er für die wenigen Minuten wirklich glauben wollte, dass die Erzählungen aus seinen Kindheitstagen wahr werden. Und er hat kurz die Hoffnung gehabt, dass man ihn von dem Leid befreien würde.

Aber es ist nicht wahr und niemand kann den Schmerz von ihm nehmen. Er muss damit zurechtkommen und lernen damit umzugehen. Sunghoon hat so vieles ausprobiert und wohin hat es ihn letztendlich geführt? Richtig. In den Wald hinein.

Erneut lässt Sunghoon seinen Blick durch die Gegend schweifen und versucht irgendetwas auszumachen, das ihm bekannt vorkommt, aber da ist nichts. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er behaupten, dass er das erste Mal in diesem Abschnitt ist. Dabei kennt er eigentlich jeden Quadratmeter.

Das laute Zikaden-Zirpen fühlt sich mittlerweile so laut an, dass es beinahe in den Ohren wehtut. Es wird immer lauter und in Sunghoon kommt plötzlich das Gefühl von Panik hoch. Er weiß nicht warum, aber der Gesang dieser Insekten wirkt fast schon wie eine Warnung.

Gerade als Sunghoon wirklich denkt, dass sein Kopf platzt, wenn die Zikaden nicht endlich Ruhe geben würden, reißt ihn ein Rascheln aus seinen Gedanken. Erschrocken dreht er sich um und starrt mit großen Augen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Zwei kleine, flauschige Ohren gucken zwischen den Zweigen eines Gebüschs hervor und Sunghoon wird sofort klar, dass es sich um den kleinen Fuchs handeln muss, der ihn hierhergeführt hat.

Wie in Trance geht Sunghoon langsam auf das Gebüsch zu, aus dem nun auch der halbe Kopf des Tieres hervorlugt. Er geht immer näher heran und versucht dabei sehr vorsichtig zu sein, um ihn nicht zu verschrecken.

Als er dann seine Hand ausstreckt und beinahe den Kopf des Fuchses berühren kann, macht sein Fellfreund kehrt und läuft weiter in den Wald hinein. Sunghoon braucht noch ein paar Sekunden und blinzelt einige Male, ehe er sich selbst in Bewegung setzt und ihm folgt.

Dieses Mal bewegt er sich allerdings außerhalb der Hauptwege und Sunghoon weiß, dass man diese niemals verlassen sollte. Aber es beschleicht ihn das seltsame Gefühl, dass er es einfach tun muss. Er befindet sich immer noch in einem tranceartigen Zustand. Es ist wie ein Drang, tief in seinem Inneren, dem er nicht widerstehen kann.

Also steigt Sunghoon durch die Gebüsche und bleibt darauf fixiert dem Fuchs zu folgen. Er zieht sich auf seinem Weg einige kleine Schürfwunden zu, die er jedoch nicht weiter beachtet. Sein Verstand ist einzig allein auf die Verfolgung fokussiert, weshalb er weiterhin einen Fuß vor den anderen setzt und das nur um es einige Sekunden später zu bereuen.

Statt heil auf der anderen Seite anzukommen, rutscht Sunghoon am Rand einer gigantischen Grube ab und landet hart auf der Erde. Er verzieht schmerzerfüllt das Gesicht und versucht sich aufzurichten. Dabei versucht er nicht direkt wieder das Gleichgewicht zu verlieren, was sich als schwieriger herausstellt als gedacht. Er meistert es erst nach mehreren Anläufen, bei denen er sich erheben will, dass er nicht direkt wieder nach hinten umfällt. Nur gut, dass er nicht mit dem Kopf voraus gefallen ist. Das hätte für wesentlich größere Schmerzen und Probleme gesorgt.

„Folg dem Fuchs, haben sie gesagt", meckert Sunghoon vor sich hin und wischt sich die Hände an der Hose ab, als er es geschafft hat wieder auf seine Füße zu kommen, „Das verdammte Ding hat mich geradewegs in eine Grube gelockt!"

Genervt sieht Sunghoon sich um und findet eine Stelle, an der er aus der Grube herausklettern kann. Zwar eignet sie sich besser, aber es ist dennoch verdammt anstrengend. Mit aller Kraft hievt er sich das letzte Stück hinauf und atmet schwer, als er auf dem Boden am Rand der Grube sitzt und hinunter starrt.

Das ist doch alles ein schlechter Witz.





„Ich muss verrückt sein...", murmelt Sunghoon vor sich hin, als er langsam den Weg entlang schlendert. Er ist geradewegs dabei wieder in den Wald hineinzugehen, dem er ab heute ursprünglich nicht mehr zu nahekommen wollte.

Nachdem er gestern wirklich Schwierigkeiten hatte aus dieser verdammten Grube zu kommen, wollte er kein zweites Mal so etwas erleben. Wer weiß, was passiert wäre, wenn er sich ernsthaft verletzt und nicht herausgekommen wäre? Immerhin ist Sunghoon nur mit einigen Kratzern und blauen Flecken davongekommen.

Warum hat er also seine Meinung geändert? Heute Nacht ist ihm der kleine Fuchs in seinem Traum erschienen. Genau der, der ihn in dieses Loch befördert hat. Nachdem er dann eine ganze Weile innerlich versucht hat gegen das Bedürfnis gegen an zu kämpfen, ist er am frühen Abend dann doch wieder hierhergekommen.

Sunghoon hat sich geschworen dieses blöde Ding zu finden, aber was er dann mit dem Fuchs anstellen möchte, weiß er selbst noch nicht. Er kann ja schlecht mit einem Tier diskutieren und es tadeln, dass es sowas nicht noch einmal tun soll. Wenn er jemandem davon erzählen würde, würde man denken, dass er den Verstand verloren hat. Ein verrückter, der mit Füchsen redet. Wirklich fantastisch.

Als er an der Grube angekommen ist, sieht sich Sunghoon um. Es ist still und im Gegensatz zu gestern kann er weder den Wind spüren noch das Zirpen der Zikaden hören, die sich sonst zu hunderten in diesen Wäldern tummeln. Alles um ihn herum scheint stillzustehen, als hätte jemand die Zeit angehalten, als er den Hauptweg hinter sich gelassen hat. Da es schon dämmert, fällt nur noch wenig Licht durch die dichten Baumkronen, was das Sehen etwas schwieriger gestaltet als mitten am Tag.

Angestrengt sucht Sunghoon die Umgebung ab. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet derselbe Fuchs an diesem Ort auftauchen wird? Vermutlich ist sie gleich null, wenn man es genauer betrachtet. Allerdings ist dieses kleine Tier das Einzige, was Sunghoon davon abhält durchzudrehen und zu sehr in Gedanken an seinen besten Freund zu versinken. Vielleicht liegt es ein bisschen daran, dass er ihn an Sunoo erinnert, was wirklich seltsam ist, denkt sich Sunghoon, und geht langsam um die Grube herum, um sich weiter umzusehen. Doch es ist nicht nur dieser seltsame Vergleich, der in seinem Kopf stattfindet. Dieses kleine Abenteuer ist gerade so aufregend, dass Sunghoons Trauer bei seiner Suche ein wenig in den Hintergrund rückt.

Doch als er schon zweimal um die Grube herumgegangen ist, wird ihm bewusst, dass hier nichts ist. Absolut nichts. Er macht sich doch selbst etwas vor, wenn er wirklich dachte, dass der Fuchs wieder hier auftauchen würde.

Gerade als sich Sunghoon auf den Rückweg machen möchte, hört er das bereits vertraute Rascheln die Stille brechen und mit einem Mal liegt all seine Aufmerksamkeit auf dem Gebüsch vor ihm. Der winzige Kopf des Fuchses guckt daraus hervor und Sunghoon starrt ihn gebannt an. Das Tier erwidert seinen Blick und scheint keine Sekunde wegsehen zu wollen, ähnlich wie Sunghoon.

Wie geht er das jetzt geschicktesten an? Einfach drauf losrennen oder langsam annähern? Lange überlegen darf er nicht, da der Fuchs sonst mit Sicherheit wieder verschwindet. Also entscheidet er sich für die erste Variante und prescht, ohne nachzudenken, auf ihn zu. So schnell er kann rennt er dem kleinen Tier hinterher, als es erschrocken zusammenzuckt und das Weite sucht. Sunghoon merkt sofort, dass er keine Chance hat die Lücke zwischen ihnen zu verkleinern. Trotzdem läuft er immer weiter und weiter, bis er ein Brennen in seinem Hals spüren kann und sein Herz schmerzhaft gegen seinen Brustkorb hämmert.

„BLEIB DOCH ENDLICH MAL STEHEN!", schreit er dem Fuchs verzweifelt hinterher und braucht damit seine letzten Kräfte auf. Er ist beinahe gestolpert und verliert rasant an Geschwindigkeit, während das brennende Gefühl in seiner Lunge immer mehr zunimmt.

Plötzlich bleibt der Fuchs stehen und dreht sich zu Sunghoon um, der mit schweren Schritten hinter ihm hergeht. Mit funkelnden Augen sieht der Rotfuchs ihn an und beobachtet ihn ganz genau. Vollkommen überfordert bleibt Sunghoon abrupt vor dem kleinen Ding stehen und schnappt erschöpft nach Luft. Kraftlos stützt er sich mit den Händen auf seinen Oberschenkeln ab und versucht seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er hätte nicht gedacht, dass die Verfolgung so anstrengend werden würde.

„W-was..." Sunghoon versucht irgendetwas zu sagen, aber kaum verlassen die Worte seinen Mund, muss er sich erneut mit Sauerstoff versorgen und atmet gierig ein. Vielleicht ist der Sprint nicht die beste Idee gewesen.

„Was... willst du eigentlich... von mir?" Er ist völlig aus der Puste und würde sich am liebsten einfach in das weiche Gras legen und die Augen zu machen.

Natürlich erhält er keine Antwort auf seine Frage. Wieso auch? Schließlich redet er nicht mit einem Menschen, sondern einem FUCHS. Es ist offiziell. Seitdem dieses Tier aufgetaucht ist, hat Sunghoon eindeutig seinen Verstand verloren oder auf dem Weg hierher irgendwo zwischen Stock und Stein fallen gelassen. Vielleicht sollte er zurückgehen und danach suchen, statt sich weiter über den Fuchs zu ärgern.

Wieder raschelt es und sofort liegt all seine Aufmerksamkeit wieder auf dem Fuchs. Das kleine Fellknäuel sieht ihn erwartungsvoll an. Es könnte auch Einbildung sein, aber aus irgendeinem Grund wirkt der Ausdruck des Fuchses anders auf ihn als vorhin. Als würde er ihm ganz dringend, vor allem bewusst, etwas zeigen wollen.

Wo er schon mal hier ist, denkt Sunghoon sich, kann er ja noch ein Stückchen mitgehen, ehe er sich auf den Rückweg macht.

Er holt ein letztes Mal tief Luft, bevor er sich aufrafft und dem Tier durch ein weiteres Gebüsch von vielen folgt, um direkt auf der anderen Seite, versteckt zwischen dichten Bäumen und hohem Gras, einen kleinen Teich vorzufinden.

Der Teich ist umgeben von einigen großen Steinen, die ihn beinahe so wirken lassen, als hätte man ihn hier extra angelegt. Aber wieso sollte so ein schöner Ort dann im Verborgenen bleiben? Soweit Sunghoon weiß, hätte er von dem Teich wissen müssen, wenn die Dorfbewohner ihn kennen würden. Doch das scheint nicht der Fall zu sein.

Weit oben auf dem Hügel im Wald gibt es einen weiteren Teich, allerdings wirkt der dagegen vollkommen normal, während dieser hier eine seltsame Wirkung auf Sunghoon hat. Er ist sich sicher, dass sein Großvater niemals von so einem Ort gesprochen hat. Das wäre ihm niemals entfallen.

Angetan sieht Sunghoon sich um. Nur wenig Licht fällt durch die Bäume auf das Wasser, doch es reicht aus, um es zum Glitzern zu bringen, während der Wind es immer mal wieder in Bewegung setzt, sodass die hineingefallenen Blätter an den Rand getrieben werden. Normalerweise ist ein Teich einfach ein Teich, aber irgendetwas an der Atmosphäre hier ist anders. Er kann es sich nicht erklären, aber es hat sich eben noch so angefühlt, dass die Zeit einfach stehengeblieben wäre. Hier hat er allerdings das Gefühl, dass die Zeit wieder fließt, aber eben anders? Er kann es sich nicht erklären. Was genau daran anders sein soll, wüsste er nicht, aber er ist sich sicher, dass dieser Ort mehr ist als er scheint.

Und da wird Sunghoon bewusst, dass er noch immer keine Zikaden zirpen hört. Als wären sie auf dem Weg hierher verschwunden.

Der Fuchs steht auf der anderen Seite des Teichs und sieht Sunghoon wieder mit diesem durchdringenden Blick an. Möchte er ihm immer noch etwas mitteilen?

„Was möchtest du?", fragt er daher das Tier erneut und wie vorher auch, erhält er keine Antwort darauf.

Stattdessen streckt sich der kleine Fuchs, sodass seine Nasenspitze die Wasseroberfläche berührt. In der Sekunde, in der sie eintaucht, setzt sich das Wasser in Bewegung. Runde Wellen bewegen sich von dort aus in immer größeren Kreisen nach außen zum Rand des Teichs und Sunghoon kann plötzlich eine Art Druckwelle spüren, die durch ihn hindurchgeht, und bei der sein Herz für den Bruchteil einer langsamer schlägt. Es ist beinahe so, als wäre eine Art Mechanismus betätigt worden.



Alles um sie herum wird still. Neben dem fehlenden Zikaden-Zirpen verschwindet das Licht der Sonne immer mehr und der Wind verstummt. Kein Geräusch ist zu hören. Einzig allein der seltsam melodische Klang, der an Sunghoons Ohren dringt, ist noch da. Der Ton scheint von der Stelle auszugehen, an der der Fuchs das Wasser eben berührt hat.

Vollkommen in den Bann gezogen von den magischen Tönen, die wie ein Lied in Sunghoons Kopf widerhallen, starrt er auf die andere Seite des Teichs.

Ganz langsam wird der kleine Fuchs von einer dünnen Schicht des kalten Wassers umhüllt, bis es ihn komplett umschlossen hat. Und wieder hat Sunghoon das Gefühl, dass er eine Art Druckwelle spüren kann, der weitere folgen. Was zur Hölle passiert hier bloß?

Gerade als Sunghoon sich innerlich erneut bestätigt, dass er den Verstand verloren haben muss, fängt ein fahles Licht an von der Hülle auszugehen. Es wird immer heller und auf eine merkwürdige Art beginnt das Wasser um den Fuchs herum leicht zu pulsieren, als wäre es mit dem Herz des kleinen Tieres verbunden. Doch mit einem Mal wird das Licht unbeschreiblich grell, weshalb Sunghoon seine Augen schließen muss und gleichzeitig seinen Arm vor sein Gesicht hält, um nicht geblendet zu werden.

Als er kurz darauf seine Augen wieder öffnet, kann er nicht glauben, was er sieht. Es ist nicht deutlich erkennbar, aber vor ihm befindet sich eine Gestalt, die in ein sanftes Licht gehüllt ist. Nach und nach schwindet das Leuchten dahin und den geisterhaften Umrissen weicht eine Person mit schwarzem Haar.



Und das war auch schon Part 2 meiner kleinen Geschichte :) Nächste Woche Mittwoch folgt dann der finale dritte Teil <3

Ich hoffe, dass euch dieser Part ebenso gefallen hat?

Ich wünsche euch jedenfalls eine schöne Woche und vielleicht sehe ich auch beim nächsten Upload den einen oder anderen ja in den Kommentaren wieder? (:

Eure Himmibeere <3

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