Kimmich x Goretzka - hohe Erwartungen
Joshuas PoV
Es gab Tage an denen ich mich einfach vor der Welt verstecken wollte. Tage, an denen mir alles zu viel wurde.
Die Erwartungen an mich stiegen. Die Öffentlichkeit baute Druck auf. Sie sahen mich als zukünftigen Kapitän des FC Bayern, sowie der Nationalmannschaft und erwarteten eine stets gute Leistung. Wenn ich mal einen schlechten Tag hatte oder mir ein Fehler passierte, wurde ich von der Presse und in den sozialen Netzwerken auseinander genommen. Fehler waren menschlich, doch ich durfte sie mir nicht erlauben. Nach jedem Spiel wurde die erbrachte Leistung benotet und kommentiert.
Ich stürzte mich ins Training, um meine Schwächen zu korrigieren und um zukünftige Fehler zu vermeiden. Die Fans sollten mit meiner Leistung zufrieden sein. Ich wollte nicht, dass sie an mir zweifelten. Ich wollte die Fans, die Mannschaft, den Verein und meine Familie stolz machen. Dafür würde ich gerne alles geben ... doch ich konnte nicht mehr.
Ich war am Ende meiner Kräfte. Die Fans des RB Leipzig hatten mich zur Kapitulation gebracht. Zwei Jahre hatte ich beim RB Leipzig gespielt und war 2014 mit dem Verein in die 2. Bundesliga aufgestiegen. In den zwei Jahren konnte ich viele Erfahrungen sammeln, an meinen Fähigkeiten arbeiten und mich weiterentwickeln. Zudem wäre ohne den RB Leipzig Pep Guardiola vielleicht nie auf mich aufmerksam geworden und ich hätte nie die Chance erhalten, beim FC Bayern zu spielen. Ich war dankbar für die Zeit beim RB Leipzig und würde sie nicht missen wollen. Meinen Wechsel zum FC Bayern bereute ich nicht, doch die Fans des RB Leipzig nahmen mir meine Entscheidung auch fünf Jahre später noch übel.
In Leipzig gelernt zu siegen und nun der bayrischen Arroganz verfallen.
Reibt euch die Hände und lacht. Einen Namen habt ihr euch hier sowieso nie gemacht.
Die beiden an mich bzw. auch an Julian Nagelsmann gerichteten Banner waren mir beim Betreten des Stadions direkt aufgefallen. Während des Spiels hatte ich noch versucht mir nichts anmerken zu lassen und die von mir verlangte Leistung zu erbringen, um nicht auch noch die Fans des FC Bayern zu verärgern. Schweigend hatte ich mich nach dem Spiel in der Kabine umgezogen und hatte mich anschließend direkt zum Mannschaftsbus begeben, wo ich mich mit Kopfhören auf einen der hinteren Sitze gesetzt hatte. Ich schloss die Augen, lehnte den Kopf an die Scheibe und versuchte weiterhin stark zu sein.
Das erste Lied war noch nicht vorbei, als sie eine Hand auf meine Schulter legte. Daraufhin öffnete ich die Augen. Leon stand im Gang zwischen den Sitzen. Er nahm seine Hand von meiner Schulter, um mir mein Handy samt Kopfhörer abzunehmen und zur Seite zu legen.
"Alles in Ordnung?", fragte er. Als Antwort nickte ich lediglich. Mit einem Seufzen setzte sich mein Freund zu mir. "Du weißt, dass du mit mir jederzeit über alles reden kannst, oder? Ich bin immer für dich da."
"Ich weiß", antwortete ich knapp.
"Was hält dich davon ab, es auch zu tun? Ich merke doch, dass du dich seit einiger Zeit zurückziehst. Irgendwas belastet dich und ich würde dir gerne dabei helfen, aber du lässt mich nicht. Du verrätst mir ja nicht einmal, was genau in deinem Kopf vor sich geht." Schweigend wandte ich mich vom Größeren ab und schaute statt zu antworten lieber raus in die Dunkelheit. Ich hatte es also geschafft, dass nun auch mein Freund unter mir litt. Er sollte glücklich sein, doch ohne es zu wollen, schien ich ihn daran zu hindern. "Josh...", setzte Leon an, jedoch unterbrach ich ihn.
"Es ist alles okay."
"Das ist es nicht und das wissen wir beide. Rede bitte endlich mit mir." Ich schwieg. Hätten einige unserer Mannschaftskollegen nicht in dem Moment den Bus betreten, hätte Leon sicherlich nicht zugelassen, dass ich ohne eine Erklärung wieder die Kopfhörer aufsetzte. Gerade als ich meinen Kopf zurück an die Fensterscheibe lehnen wollte, zog Leon mich sanft zu sich und platzierte meinen Kopf auf seiner Schulter. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn, ehe er seinen Kopf gegen meinen lehnte.
Seit drei Jahren durfte ich Leon meinen Freund nennen. Er war zu meinem Zuhause geworden und egal was während unserer Beziehung um uns herum passiert war, er war immer für mich dagewesen. Ich war gut darin eine Schutzmauer um mich herum aufzubauen, doch Leon wusste wie er diese durchbrechen konnte. Was Fluch und Segen zugleich war.
Leons Nähe ließ auch dieses Mal meine Mauer langsam bröckeln. Genau aus diesem Grund hatte ich mich in den letzten Wochen von Leon zurückgezogen. Eine einzelne Träne kullerte über meine Wange. Eilig wischte ich sie weg, während ich mich gleichzeitig von meinem Freund löste und mich zurück an die Fensterscheibe lehnte. Leon ließ es zu.
Er griff nach meiner Hand, um sie einmal kurz zu drücken, dann ließ er sie jedoch wieder los und ließ mich während der kompletten Heimfahrt in Ruhe.
Erst als wir in München aus dem Mannschaftsbus gestiegen waren und in die Richtung von Leons Auto liefen, sprachen wir wieder miteinander.
"Wollen wir uns unterwegs noch etwas zu essen holen und es uns damit im Wohnzimmer gemütlich machen?" Skeptisch sah ich den Größeren an, der normalerweise nach einem Spiel, welches abends stattfand, höchstens noch eine Kleinigkeit aß.
"Ich würde lieber direkt ins Bett gehen", lehnte ich das Angebot ab. Schweigend nickte Leon und schloss sein Auto auf. Wir stiegen beide ein. Die Fahrt nach Hause, sowie der Weg ins Schlafzimmer verliefen schweigend.
Gerade als ich mir mein Shirt ausziehen wollte, wurde ich von Leon, der sich aufs Bett gesetzt hatte, an der Hüfte gepackt und auf seinen Schoss gezogen. Ich sah meinen Freund erschrocken an, der den Blick jedoch mit besorgten Gesichtsausdruck erwiderte. Er platzierte einen kleinen Kuss auf meinen Lippen, ehe er mich so platzierte, dass mein Kopf auf seiner Schulter lag. Einen Arm hatte Leon fest um meine Hüfte geschlungen, während er mit der anderen Hand begann sanft über meinen Rücken zu streichen.
"Können wir schlafen gehen?", erkundigte ich mich.
"Nein, ich habe mir lang genug mit angesehen, wie du leidest. Rede bitte endlich mit mir, Josh. Wenn du leidest, tue ich es auch. Also erlös uns bitte beide und verrat mir, was dich so belastet." Ich schwieg. "Ich liebe dich und wir sind ein Team, egal was passiert. Du belastest mich nicht, wenn du deine Sorgen mit mir teilst, aber es ist eine Qual für mich, wenn ich sehe, dass es dir nicht gut geht und ich machtlos dagegen bin, weil du nicht mit mir redest. Du kannst deine Gefühle meinetwegen vor der kompletten Welt verbergen, aber tue es bitte nicht vor mir. Ich kenne dich gut genug, um zu merken, wenn du versuchst mich zu täuschen. Es ist nicht alles in Ordnung, aber was auch immer dich belastet, ich bin mir sicher, dass wir es zusammen hinbekommen können." Eine Träne kullerte über meine Wange, die ich direkt wegwischen wollte, jedoch hinderte Leon mich daran, indem er meine Hand festhielt. "Versteck deine Gefühle nicht vor mir. Schließ mich nicht aus deinem Leben aus. Halt dich nicht von mir fern."
"Ich kann nicht mehr", flüsterte ich, während weitere Tränen folgten.
"Was genau meinst du?" Leon drückte mich enger an sich.
"Der ganze Druck ... es ist mir zur Zeit einfach zu viel. Ich will Niemanden enttäuschen, aber ich bin nicht perfekt. Mir kann bei einem Spiel jederzeit ein Fehler passieren oder ich treffe irgendeine falsche Entscheidung und schon wird es unzählige Schlagzeilen und Kommentare dazu geben. Ich habe das Gefühl, dass die Erwartungen an mich so hoch sind, dass ich sie niemals zur völligen Zufriedenheit erfüllen kann."
"Hast du mit dem Fußball spielen angefangen, um die Erwartungen von völlig fremden Menschen zu erfüllen?"
"Natürlich nicht, aber ..."
"Nein, kein aber. Wir spielen Fußball, weil es unsere Leidenschaft ist. Natürlich beeinflussen uns die Meinungen anderer Menschen, das ist okay, aber deren Meinung sollte nicht über deiner eigenen stehen. Es ist dein Leben und deine Karriere. Lass dir das nicht von sowas kaputt machen. Ich weiß, dass du bei jedem Spiel immer alles geben wirst, weil dein Ehrgeiz nichts anderes zulassen würde und mehr kann man von dir nicht erwarten. Jeder hat mal einen schlechten Tag und jeder macht Fehler, das ist menschlich."
"Schon, aber..."
"Hör auf mit deinem Aber", unterbrach Leon mich erneut. "Sollen die Leute doch erwarten, was sie wollen. Was ist, wenn sie irgendwann von dir erwarten, dass du den Verein wechselts und zukünftig im Ausland spielst? Würdest du es tun, nur weil Fremde es von dir erwarten?" Ich schüttelte den Kopf. "Bei allen anderen Sachen ist es nichts anderes. Deren Erwartungen können dir komplett egal sein. Es kann dir auch egal sein, was die Leute im Internet über dich denken. Dein Leben, also auch deine Entscheidungen."
"Hast du nicht gerade entschieden, dass ich hier sitzen soll?", warf ich ein, woraufhin Leon den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, ihn jedoch ohne ein Wort gesprochen zu haben, wieder schloss.
"Ich bin dein Freund", argumentierte er schließlich doch noch.
"Das ist mir bekannt."
"Du hast jeder Zeit die Möglichkeit zu gehen?"
"Also würdest du mich einfach so gehen lassen?", hakte ich nach.
"Niemals. Die Wahrheit ist, du wirst mich nie wieder los."
"Das hast du mir verschwiegen, als ich mich auf dich eingelassen habe."
"Selber Schuld, du hast nicht danach gefragt." Ich seufzte theatralisch, ehe ich jedoch den Kopf von Leons Schulter hob und diesen ansah.
"Danke", sagte ich.
"Wie gesagt, ich bin dein Freund. Wenn du mich brauchst, werde ich immer da sein."
"Ich liebe dich." Ich lehnte mich vor, um den Großen zärtlich zu küssen. Wir nahmen uns einen Moment um einfach die Nähe des jeweiligen Anderen zu genießen. Solche Momente waren in den letzten Wochen viel zu selten gewesen, woran ich die Schuld trug. Immerhin hatte ich mich von Leon ferngehalten, damit er meine Schutzmauer nicht durchbrechen konnte.
Im Nachhinein war ich froh drüber, dass er es dennoch geschafft hatte.
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