Brandt x Havertz - Okay

Wunschsatz: "Ich wünschte du wärst damals geblieben"

Kais POV

Es gab in meinem Leben keine größere Lüge als den Moment in dem ich Jule sagte, es sei okay, wenn er zum BVB wechseln würde. Ich konnte verstehen, dass er sich weiterentwickeln wollte und der BVB eine große Chance für ihn war, doch ich brauchte ihn. Ich brauchte die Gewissheit, dass er bei mir war. Seine Nähe gab mir die Kraft, meinen Alltag irgendwie zu überstehen. Ohne es zu wissen, war Jule immer meine Motivation gewesen, um überhaupt am Morgen das Bett zu verlassen. An schweren Tagen war er die Stützte, die mich auf den Beinen hielt. Für ihn kämpfte ich immer weiter und versuchte jeden Tag mein Bestes zu geben. Ohne Julian fehlte dieser Ansporn. 

Die Entfernung zwischen Leverkusen und Dortmund war zwar grundsätzlich überbrückbar gewesen, doch sie war dennoch zu groß, um sich weiterhin jeden Tag zu sehen. 

Es war also nicht nur, dass mit Jule meine Motivation gegangen war, sondern es kam eine neue Last dazu. Die Sehnsucht nach ihm. Ich zählte die Tage und Stunden bis wir uns wiedersahen. Wie oft hatte ich mich bei einem Wiedersehen einfach Minutenlang an ihn geklammert, weil ich in den Moment einfach nichts anders konnte. Jule hatte mein Verhalten nie hinterfragt, sondern mich einfach festgehalten. Wie dringend ich ihn in solchen Augenblicken wirklich brauchte, hatte er vermutlich nie begriffen. 

Eines Tages kam ein Angebot von Chelsea. 

Es war eine Chance, um als Fußballer weiterzukommen, aber auch auf ein neues Leben. Vielleicht musste es ein Leben komplett ohne Julian werden, um die Sehnsucht nach ihm abzustellen. Es könnte ja sein, dass es leichter war, ihn gar nicht mehr zu sehen, als mir mit jedem Abschied das Herz brechen zu lassen. Ich hatte die Hoffnung, dass ich mich irgendwann daran gewöhnen würde, dass Jule nicht mehr Teil meines Lebens war. Es würde nicht einfach werden, ihn zu vergessen, doch es könnte meine einzige Chance sein. Ich musste eine neue Motivation finden, doch dafür musste ich zunächst von Jule loskommen. 

Ich zog nach London. Ließ Julian, meine Familie und all meine Freunde in Deutschland zurück. Es sollte ein Neustart werden. 

Es funktioniert oder zumindest redete ich mir das ein. Die Schlaflosen Nächte und die Appetitlosigkeit blendete ich aus. Ich realisierte nicht, dass meine Energie sank und mein Körper sich veränderte.  Die besorgten Blicke nahm ich gar nicht wahr. Wenn mich Jemand fragte, ob alles in Ordnung sei, war mir der Ernst der Frage gar nicht bewusst. 

Meine Vereinskollegen waren sich unsicher, ob wir uns gut genug kannten, für solche Gespräche, während meine engsten Vertrauten in Deutschland saßen. 

So wie die Veränderungen, konnte ich auch die Warnzeichen meines Körpers hervorragend ausblenden. Ich nahm den immer häufiger auftauchenden Schwindel nicht ernst, suchte für die ständigen Kopfschmerz andere Ursachen und schob die Müdigkeit auf den anstrengenden Start in Chelsea. 

Als ich Jule sagte, es sei okay, wenn er zum BVB wechseln würde, war ich mir meiner Lüge bewusst. 

In London sagte ich jedem, der mich fragte, dass alles okay sei, doch log ich dabei ohne es zu wissen. Ich war von meiner eigenen Lüge überzeugt. 

  "Kai!", brüllte Mason quer übers Feld, wodurch er mich aus meinen Gedanken riss. Gerade noch rechtzeitig, denn unsere Mannschaft hatte gerade einen Angriff gestartet, um ein Ausgleichstor zu erzielen. Ich musterte die Situation, ehe ich mich für eine Richtung entschied, in die ich lief, um anspielbar zu sein. Den Schwindel und die zum Teil verschwommene Sicht ignorierte ich. Ich musste in dem Moment einfach funktionieren. Ich konnte und wollte niemanden enttäuschen. 

Ben spielte einen hohen Pass in meine Richtung. Ich sah noch den Ball auf mich zukommen. Doch ehe ich überhaupt entschieden hatte, wie ich diesen am besten annehmen sollte, wurde alles schwarz. Ich nahm noch wage wahr, dass ich fiel und spürte noch den Aufprall auf den Boden, dann war alles weg. 

Als meine Wahrnehmungen langsam zurückkehrten, wusste ich zunächst gar nicht, wo ich war und was überhaupt geschehen war. Um mich herum herrschte ein Stimmengewirr, während ich mehrere Berührungen realisierte. 

  "Kai?" Eine Hand legte sich an meine Wange. "Hörst du mich?"

  "Open your eyes", forderte eine andere Stimme. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, der Versuchung, mich zurück in die Dunkelheit fallen zu lassen, einfach nachzugeben. Schließlich entschied ich mich jedoch dagegen. Stattdessen zwang ich mich die Augen zumindest einen Spaltbreit zu öffnen. Neben mir kniete Timo, welcher meine Hand festumklammert hielt. Hinter ihm stand Mason, der sich zu mir runtergelehnt hatte und dessen Hand an meiner Wange lag. Zudem knieten zwei Sanitäter neben mir auf dem Rasen. 

  "Kai", ertönte eine vertraute Stimme. Jules Gesicht erschien verkehrtherum in meinem Blickfeld. Er saß hinter mir und lehnte sich vor bis seine Stirn an meiner lehnte. "Du bist ein verdammtes Arschloch, jag mir nie wieder so eine Angst ein", murmelte er, wobei er eine Hand in meinen Locken vergrub. 

  "Jule", hauchte ich kraftlos. 

  "Ich bin bei dir. Es wird alles gut." Ich schloss meine Augen, weil es mir zu anstrengend wurde, sie offen zu halten. "Hey, bleib wach, Harvey." Ich reagierte nicht drauf. "Das ist der falsche Moment, um die Augen zu schließen. Mach sie bitte wieder auf ... Für mich. Bitte."

  "Ich wünschte du wärst damals geblieben", nuschelte ich. 

  "Ich auch", hörte ich Jule noch leise sagen, ehe ich zurück in die Dunkelheit fiel. 


Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, war ich nicht mehr im Stadion. Statt auf dem kühlen Rasen lag ich in einem Bett. Es handelte sich offensichtlich um ein Krankenhauszimmer. Julian saß auf der Bettkante und hielt mit einer Hand meine Hand festumklammert, während er mit der zweiten immer wieder durch meine Locken strich. Unsere Blicke trafen sich. Er hatte geweint, realisierte ich. Seine Augen waren noch gerötet und einige einzelne Tränen waren noch erkennbar. Mühevoll hob ich die freie Hand, um sie an Jules Wange zu legen. Mit dem Daumen wischte ich einige der verbliebenen Tränen weg. Der Blonde lächelte mich traurig an, wobei er seine Hand aus meinen Haaren nahm, um sie auf meine Hand zu legen und diese festzuhalten. Er drehte den Kopf etwas, dann drückte er einen Kuss auf meine Handfläche. 

  "Hast du Schmerzen?", erkundigte er sich leise. Ich schüttelte minimal den Kopf. "Wie fühlst du dich?"

  "Okay." 

  "Das glaube ich dir nicht ... schon lange nicht mehr. Ich hätte schon viel früher herkommen sollen. Was ist mit dir los, Kai, so kenne ich dich nicht." Ich schloss die Augen. "Du hättest jederzeit mit mir reden können, das weiß du." Ich nickte. "Warum hast du es nicht getan?"

  "Was hätte es geändert?"

  "Es hätte alles ändern können, weil ich alles dafür tun würde, dass du glücklich bist." 

  "Jule", seufzte ich. 

  "Glaubst du, es ist mir damals leicht gefallen nach Dortmund zu gehen? Dass es einfach war, dich in Leverkusen zurückzulassen? Dass ich dich nicht jede freie Minute vermisst habe? Dass es besser wurde, als du nach London gezogen bist? Dann irrst du dich nämlich gewaltig. Ich hätte nichts lieber getan, als einfach bei dir zu bleiben. Es hätte einfach alles so bleiben sollen, wie es war, aber das ging nicht, weil ich kurz davor war, alles kaputt zu machen. Der Wechsel zum BVB schien für mich die einzige Möglichkeit zu sein, um unsere Freundschaft zu retten. Es war nie meine Absicht, dich in Stich zu lassen oder dir wehzutun. Ich wollte einfach nur unsere Freundschaft retten und habe damit alles kaputt gemacht."

  "Du hast nicht kaputt gemacht", murmelte ich. 

  "Ich habe zugelassen, dass du dich selbst kaputt machst. Das kommt aufs gleiche hinaus."

  "Nein."

  "Kai, lass dir bitte helfen. Von mir, von Timo, von irgendjemanden. Ich kann dich nicht verlieren."

  "Ihr habt genug anderes zu tun. Ich komme klar."

  "Ich lasse mich Beurlauben." Irritiert blickte ich den Älteren an. 

  "Was?" 

  "Ich lasse mich beim BVB beurlauben und komm für einige Zeit zu dir nach London. Ich schau mir das nicht länger tatenlos an."

  "Das ist Blödsinn."

  "Ist es nicht. Ich will, dass es dir gut geht und wenn du selbst nicht dafür sorgst, übernehme ich das halt." 

  "Warum?"

  "Weil ich dich liebe." Überfordert blickte ich zu ihm auf. "Ich liebe dich, Kai, deswegen bin ich nach Dortmund gezogen. Ich war kurz davor, es dir zu erzählen und hatte Angst dadurch unsere Freundschaft zu zerstören. Ich dachte, dass etwas Abstand die Situation vereinfachen würde, doch eigentlich ist dadurch alles nur noch schlimmer geworden. Was sich jedoch nicht verändert hat, sind meine Gefühle für dich. Du brauchst nichts dazu zu sagen. Ich wollte nur, dass..."

  "Ich liebe dich auch", redete ich dazwischen, was Julian zum Verstummen brachte. Einige Sekunden sah er mich ungläubig an, ehe sich seine Lippen zu einem glücklichen Lächeln verzogen. 

  "Ja?" Ich nickte. "Wirklich?" Erneut nickte ich. "Hundert Prozentig?"

  "Jule", lachte ich leise. Der Ältere lehnte sich zu mir vor. 

  "Du liebst mich?"

  "Ich liebe dich", bestätigte ich. Im nächsten Moment lagen Julians Lippen auf meinen. Zärtlich küsste er mich, was ich nur zu gern erwiderte. 

Als er sich einige Sekunden später wieder aufrichtete, lächelten wir einander für einen Augenblick einfach nur an. 

  "Jetzt lasse ich mich erst Recht beurlauben. Wir haben einiges nachzuholen." Jules Hand legte sich an meine Wange. "Aber erstmal wirst du wieder fit, versprochen?" Ich nickte. "Und dann wird alles mehr als okay, dafür werde ich sorgen." 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top