Brandt x Havertz - Karriere vs Liebe
Wunschsatz: "Du bist mir mehr viel mehr wert als meine verdammte Karriere"
Julians PoV
Ich hatte das Video gestoppt, um einen Moment länger den Anblick genießen zu können. Eigentlich interessierte mich gar nicht, was in der Premier League geschah und auch der Tabellenplatz vom FC Chelsea war mir relativ egal, dennoch schaute ich mir die Spiele des Vereins an oder zumindest Teile davon. Mein Fokus lag dabei jedoch völlig auf der Nummer 29. Ich fieberte mit ihm mit, hielt jedes mal angespannt die Luft an, wenn er zu Boden ging und regte mich über jede Entscheidung des Schiedsrichter gegen ihn auf. Für jede Nahaufnahme war ich den Leuten vor Ort dankbar und ganz besonders, wenn es in solchen Momenten geschah.
Kai hatte wenige Sekunden zuvor mit seinem Tür dafür gesorgt, dass seine Mannschaft bei einem wichtigen Spiel in Führung gegangen war. Er grinste übers ganze Gesicht und seine Augen strahlten. Er war glücklich und mehr wollte ich gar nicht. Ich musterte jeden Zentimeter seines Gesichtes. Mir war bewusst, dass mir dieser Anblick nur für einen kurzen Augenblick blieb, umso dankbarer war ich für die Stopp-Funktion. Sobald ich das Video fortsetzen würde, würde die Kamera mit Sicherheit irgendwo anders hin schwenken, die anderen Spieler würde Kai durch eine Umarmung verbergen oder es würde eine Wiederholung vom Tor gezeigt werden.
Diese kurze Aufnahmen reichte jedoch, um mir zu versichern, dass ich mich richtig entschieden hatte. Hätte ich Kai von meinen Gefühlen erzählt, wäre es vielleicht nie zu diesem Tor gekommen. Wenn ich ihm damals gesagt hätte, dass ich seine Gefühle erwiderte, wäre er vielleicht in Deutschland geblieben. Es war seine Entscheidung gewesen, das Land zu verlassen. Bayer Leverkusen hätte ihn liebend gern behalten, doch nachdem ich behauptet hatte, dass Kai für mich nicht mehr als mein bester Freund sei, hatte er Deutschland verlassen.
Ich wollte ihn und seine Karriere schützen. Die Fußballwelt war noch nicht bereit für ein Outing und ein Versteckspiel würde Kai nur belasten. Er sollte sich auf seine Karriere konzentrieren können, diese nicht gefährden und vor allem die Möglichkeit haben, ganz offen zu seiner Liebe zu stehen. Mit der Entscheidung, meine eigenen Gefühle zu verheimlichen, hatte ich mir selbst das Herz gebrochen, dennoch bereute ich meine Entscheidung nicht. Die Hauptsache war, dass Kai glücklich war. Natürlich hatte ich ihn im ersten Moment damit verletzt, doch ich wusste, dass er Jemand viel besseres als mich finden würde und auch verdient hatte.
Seit der Jüngere nach London gezogen war, beschränkte sich unser Kontakt auf gelegentliches Schreiben. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt noch meinen besten Freund nennen durfte.
"Du bist wirklich ein hoffnungslosen Fall", ertönte die Stimme von Marco hinter mir, weswegen ich zusammenzuckte. Am vorherigen Abend hatte ein Mannschaftsabend stattgefunden und Marco hatte entschieden, dass er die Nacht in meinem Gästezimmer verbringen wollte. Der Mannschaftsabend war auch Schuld daran gewesen, dass ich Kais Spiel am Abend nicht sehen konnte und erst Stunden später das Strahlen von Kai zu sehen bekam. Schweigend musterte ich ein letztes Mal Kais Gesicht, dann schloss ich den Laptop. "Erzähl ihm von deinen Gefühlen", forderte der BVB-Kapitän.
"Du weißt, dass das nicht geht", murmelte ich, während ich den Laptop zur Seite legte.
"Falsch, ich weiß, dass es euch beiden besser gehen würde, wenn du es endlich tun würdest."
"Wie sollte es Kai besser gehen mit einer Fernbeziehung, die geheim bleiben muss und seine ganze Karriere gefährdet?", hinterfragte ich.
"Weil das Risiko besser ist als eine unerwiderte Liebe."
"Du bist ein hoffnungsloser Romantiker und denkst nicht realistisch." Marco setzte sich zu mir aufs Sofa.
"Nein, ich spreche aus Erfahrung." Fragend blickte ich ihn an. "Ich habe den gleichen Fehler gemacht wie du. Ich hatte eine Entscheidung getroffen, weil ich der Meinung war, dass es das Beste für eine andere Person wäre und habe diese Entscheidung einfach durchgezogen ohne die betroffene Person zu fragen, ob wir einer Meinung sind. Das Ergebnis war, dass es uns beiden schlecht ging."
"Warum hast du nie etwas gesagt? Wir sind Freunde. Ich hätte dir vielleicht helfen können."
"Du hast doch den gleichen Fehler wie ich gemacht. Vielleicht hätte ich eine Person gebraucht, die anderer Meinung gewesen war, aber da Niemand davon wusste, hat mir natürlich auch keiner seine Meinung zu meiner Entscheidung gesagt. Erst ein Wiedersehen mit der betroffenen Person hat mich einsehen lassen, dass ich ein Idiot war. Es ist nie richtig, für eine andere Person zu entscheiden. Du kannst nicht über Kais Leben entscheiden, weil du nicht weiß, was er wirklich denkt oder fühlt."
"Aber seine Karriere ..." Marco unterbrach mich.
"Auch seine Karriere ist nicht deine Entscheidung. Du kannst ihm deine Meinung sagen, aber du kannst nicht bestimmen, dass deine Meinung auch seine ist."
"Es ist das Beste für ihn."
"Lass ihn das selbst entscheiden." Marco griff nach meinem Handy, entsperrte dieses und tippte dann einige Mal darauf herum, ehe er es sich vors Gesicht hielt.
"Was machst du?", wollte ich wissen.
"Dafür sorgen, dass Kai und du endlich glücklich werdet."
"Du hast mir gerade erzählt, dass ich nicht für Kai entscheiden darf. Warum darfst du dann für mich entscheiden?", verlangte ich zu erfahren, während ich nach meinem Handy griff, welches Marco jedoch rechtzeitig wegzog, aufstand und sich einige Schritte von mir entfernte.
"Weil du, wie bereits erwähnt, ein hoffnungsloser Fall bist", erklärte der Ältere währenddessen. "Guten Morgen, Kai", wandte er sich meinem Handy zu.
"Ist irgendwas passiert?", ertönte im nächsten Moment Kais verschlafene Stimme.
"Warum sollte etwas passiert sein?", hörte ich im Hintergrund Timo Werner fragen.
"Ich rede mit Marco und nicht mit dir, Timo."
"Marco?" Das Rascheln von vermutlich Bettwasche war zu hören, dann sprach Timo weiter. "Oh, guten Morgen, Marco. Was gibt's neues in Dortmund? Bereitet ihr euch schon vor auf das Spiel gegen uns? Wollen wir vorher noch Wetten abschließen, wie hoch Leipzig gewinnen wird?"
"Hast du einen Moment Zeit, Kai?", fragte Marco ohne auf Timos Fragen einzugehen.
"Ich habe bis zu deinem Anruf geschlafen, du kannst also davon ausgehen, dass ich für diesen Moment nichts im Kalender eingetragen habe."
"Es wäre besser, wenn das Gespräch ohne Timo stattfindet."
"Du kannst beim Telefonieren ja schonmal Kaffee kochen und Frühstück vorbereiten. Sag einfach Bescheid, wenn alles fertig und das Telefonat beendet ist", schlug Timo vor.
"Ich hatte, glaub ich, noch nie so einen nervigen Übernachtungsgast wie dich. Hättest du deine Wohnung in London nicht einfach behalten können?"
"Mir gefällt Hotel Havertz eigentlich ganz gut. Werde ich gerne häufiger buchen. Und jetzt geh endlich Frühstück machen." Marco verfolgte einen Moment das Geschehen auf dem Display meines Handy, während Niemand etwas sagte. Den Geräuschen nach war Kai gerade dabei, das Schlafzimmer zu verlassen.
"Dann erklärt mir mal bitte, warum du mich weckst, was du ohne Timo besprechen möchtest und wieso du von Jules Handy aus anrufst", bat Kai.
"Julian möchte dir etwas erklären." Marco hielt mir mein Handy hin. Ich schüttelte jedoch den Kopf und nahm das Handy nicht entgegen. "Entweder du sagst ihm das oder ich tue es."
"Du machst es schon wieder. Du willst schon wieder für mich entscheiden. Du kannst mir nicht erzählen, dass das falsch ist und es dann selbst machen", warf ich ein.
"Du hast etwas entschieden ohne Kais Meinung zu kennen. Ich kenne deine Meinung und weiß, dass du dich irrst. Das ist etwas anderes."
"Eben, du kennst meine Meinung. Du hast aber nicht das Recht, einfach das Gegenteil von dem zu machen, was ich für richtig halte."
"Du liegst aber falsch."
"Nur weil du mit deiner Entscheidung falsch gelegen hast, heißt es noch lange nicht, dass es bei mir genauso ist."
"Letzte Chance. Sagst du es ihm oder soll ich es tun?"
"Marco, lass es sein." Ich stand vom Sofa auf, um endlich mein Handy wiederzubekommen, bevor Marco alles kaputt machen konnte.
"Glaub mir, du wirst mir noch dankbar dafür sein." Marco wandte sich Kai wieder zu, wobei er sich von mir entfernte. Verzweifelt versuchte ich irgendwie an mein Handy zu gelangen, doch Marco wich mir immer wieder aus. "Kai, Jule hat dich, als du ihm damals von deinen Gefühlen erzählt hast, angelogen. Er hat Gefühle für dich, hielt es aber für besser, wenn du es nicht weißt, damit eine mögliche Beziehung, nicht deine Karriere gefährdet." Für einen Augenblick herrschte Stille, während Marco gebannt auf den Display blickte. Mir gelang es in dem Moment endlich an mein Handy zu gelangen. Sofort beendete ich den Videoanruf, ehe ich Marco wütend anschaute.
"Raus", befahl ich.
"Meld dich, wenn du eingesehen hast, dass es richtig war", erwiderte Marco grinsend, wobei er jedoch freiwillig Richtung Wohnungstür lief. "Wir sehen uns spätestens morgen beim Training." Wenige Sekunden später fiel hinter ihm die Wohnungstür zu.
Ich setzte mich zurück aufs Sofa und wusste nicht, wie es weitergehen sollte.
Ich wusste nicht, was Marco durch seine Aktion ausgelöst hatte.
Vielleicht nahm Kai die Worte auch gar nicht ernst und es würde alles wie bisher bleiben. Wobei ich jedoch nicht abstreiten konnte, dass ein Teil von mir hoffte, dass sich etwas verändern würde. Die Angst, dass es sich zum Negativen verändern würde, war jedoch deutlich größer als die Hoffnung, dass etwas Gutes geschehen würde.
Schließlich entschloss ich, dass ich vorerst einfach abwarten würde. Um mich zumindest vorübergehend abzulenken, begann ich meine Wohnung etwas aufzuräumen.
Frisch geduscht setzte ich mich vier Stunden später mit einer Tasse Tee aufs Sofa. Meine Wohnung war zwar aufgeräumt, doch in meinem Inneren herrschte noch das Gleiche Chaos wie am Morgen. Ich war keinen Schritt weitergekommen, wie es weitergehen sollte.
Bevor ich in meinen Gedanken versinken konnte, klingelte es an der Wohnungstür. Irgendein Hausbewohner musste beim Verlassen des Gebäudes meinen Besucher in den Hausflur gelassen haben. Ich überlegte, ob ich überhaupt mit irgend Jemanden reden wollte und entschloss schließlich, die Tür einfach nicht zu öffnen. Ich wollte lieber allein sein. Auch ein weiteres Klingeln brachte mich nicht zum Aufstehen.
Das Geräusch des Türschlosses, welches von draußen aufgeschlossen wurde, ließ mich jedoch hellhörig werden. Ich stellte meine Teetasse zur Seite, stand auf und blieb zunächst einfach im Wohnzimmer stehen. Angespannt schaute ich Richtung Flur.
Die Wohnungstür fiel wieder zu, Schritte waren im Flur zu hören und dann tauchte Kai in meinem Blickfeld auf. Sprachlos starrte ich ihn an. Ich hatte mit Marco oder einen meiner Brüder gerechnet, da die Drei Schlüssel für meine Wohnung besaßen. Doch mit Kai, dem ich direkt nach meinem Umzug nach Dortmund einen Schlüssel überlasse hatte, hatte ich nicht gerechnet. Unsere Blicke trafen sich. Der Jüngere schien nicht besonders überrascht darüber zu sein, dass ich Zuhause war, obwohl ich ihm nicht aufgemacht hatte.
Mit einigen großen Schritten war Kai bei mir. Bevor ich wusste, was ich sagen oder tun sollte, lagen plötzlich Kais Lippen auf meinen. Er überrumpelte mich mit der Aktion komplett, doch realisierte ich sofort, wie richtig und vor allem gut sich seine Lippen auf meinen anfühlten. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss.
Unsere Körper schmiegten sich eng aneinander, während wir uns aneinander klammerten und uns einfach küssten.
Kai löste sich ein kleines Stück von mir, wobei er seine Stirn gegen meine lehnte.
"Du bist mir mehr viel mehr wert als meine verdammte Karriere", flüsterte er mir zu.
"Aber ...", begann ich, wurde jedoch durch einen weiteren Kuss unterbrochen, welchen ich liebend gern erwiderte. Nur schweren Herzens löste ich mich nach einige Sekunden wieder von Kai. "Was passiert, wenn irgendwas an die Öffentlichkeit gelangt. Ich möchte nicht Schuld daran sein, dass deine Karriere ..." Kai umschloss mein Gesicht sanft mit beiden Händen und schaute mir in die Augen, weswegen ich meinen Satz abbrach.
"Das ist mir alles egal, wenn ich dafür dich haben kann. Wenn du das Risiko auf Hinblick auf deine eigene Karriere nicht eingehen möchtest, werde ich das Akzeptieren. Doch meine Karriere spielt bei der Entscheidung, ob wir das mit uns versuchen sollten, keine Rolle. Ich habe dir vor zwei Jahren gesagt, dass ich dich liebe, nachdem ich es drei Jahre lang geheim gehalten habe. An meinen Gefühlen hat sich nichts verändert. Ich liebe dich, Julian Brandt." Unschlüssig sah ich Jüngeren einen Momentlang einfach schweigend an, ehe ich nicht anders konnte als zu lächeln.
"Ich liebe dich auch, Kai." Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen und seine Augen begannen zu leuchten. Der Anblick erinnerte mich an den Ausschnitt des Fußballspiels, welches ich mir am Morgen angesehen hatte. Doch wirkte Kai noch glücklicher als nach dem erzielten Tor und vor allem war es tausend Mal schöner, es in live statt aufm Bildschirm zu sehen und dann auch noch der Grund dafür zu sein.
Ich zog Kai zu mir und küsste ihn.
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