Brandt x Havertz - Es ist alles in Ordnung

Wunschsatz: "Ich bleibe bei dir, du bist nicht alleine."

Julians PoV

Es ist alles in Ordnung ... Eine Lüge, die vermutlich jeder schon einmal ausgesprochen hat. Doch wieso benutzt man sie? Um seine Mitmenschen nicht zu belasten? Um sich selbst zu schützen? Weil es für alle einfacher ist als sich mit der Wahrheit auseinander zu setzen? 

Warum fällt es einem manchmal schwer Hilfe anzunehmen? Wieso versucht man einen Kampf allein auszutragen, wenn man Mitstreiter haben könnte?

Es ist alles in Ordnung ... Eine Lüge, die eigentlich alles nur komplizierter macht. 

Nur ich weiß, was in mir vor sich geht. Meine wahren Gefühle und Gedanken kenne nur ich. Wenn ich schweige, mache ich es den Menschen, denen ich wichtig bin, unnötig schwer mir zu helfen. 

Mir war bewusst, dass ich nur ein Wort sagen musste, um nicht mehr alleine kämpfen zu müssen. Es würde ausreichen, wenn ich die Frage, ob alles in Ordnung sei, wahrheitsgemäß mit einem nein beantworten würde. Alternativ würde auch ein einfaches hilf mir reichen. 

Stattdessen versuchte ich stark zu sein. Ich wollte es alleine schaffen und ging damit das Risiko ein, dass es vielleicht zu spät sein würde, wenn ich eines Tages endlich mutig genug wäre, um nach einer helfenden Hand zu greifen. 

Ich wusste, dass ich mich falsch verhielt, doch ich änderte mein Verhalten nicht. 

Beim Verlassen meiner Wohnung setzte ich ein Lächeln auf und versuchte die Menschen, die vermutlich alles für mich tun wollten, zu täuschen. Sie sollten mir glauben, dass alles in Ordnung war. Ich wollte es selber glauben. 

Die Wahrheit war jedoch, dass sobald ich wieder allein in meiner Wohnung war, das Lächeln fiel. Wenn ich allein war, musste ich nicht mehr stark sein. Ich ließ die Tränen, den Schmerz und die Angst zu. Eigentlich wollte ich nichts lieber, als in die schützenden Armen einer geliebten Person zu flüchten. Ich wollte, dass mich Jemand festhielt und mich vor meinen eigenen Gedanken und Gefühlen rettete. 

Die Wahrheit war ... Es war nicht alles in Ordnung. 

Ich fühlte mich allein, obwohl ich ständig unter Menschen war. 

Ich fühlte mich verloren, obwohl ich eigentlich wusste, welchen Weg ich gehen wollte.

Ich fühle mich schwach, obwohl ich wusste, was ich in meiner Leben schon alles erreicht hatte. 

Ich sollte glücklich sein, doch stattdessen regierte die Angst vorm Allein sein mein Leben. Meine Familie war großartig und ich wusste, dass sie mich bedingungslos liebte. Sie würden mich niemals im Stich lassen. Ich hatte unzählige Freunde, denen ich blind vertrauen konnte. Freunde, die alles stehen und liegen lassen würden, wenn ich sie brauchte. Ich hatte einen Freund, dem ich ansah, dass er mir meine Lüge nicht mehr glaubte. Er wusste, dass nicht alles in Ordnung war und ich wusste, dass ich ihn nicht mehr anlügen bräuchte, tat es jedoch weiterhin. 

Kai war derjenige, der Licht in die Dunkelheit brachte. Er vertrieb problemlos all meine Ängste, indem er einfach bei mir war. Doch genau dort lag das Problem. Zwischen uns lagen über 600 Kilometer. Ich konnte mich nicht in seine Armen fallen lassen, wenn mir alles zu viel wurde. Ich konnte ihm nicht das Versprechen entlocken, dass das mit uns für immer war, um ihn dann zu küssen. Ich konnte mich nachts nicht an ihn kuscheln mit dem Wissen, dass er die Albträume fernhalten würde oder zumindest nach dem Aufwachen für mich da wäre. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen und mir von ihm das Gefühl geben lassen, dass wir zusammen alles hinbekamen. Kai war derjenige, der mir die Stärke gab, jeden Kampf aufzunehmen. Bei ihm musste ich nicht perfekt sein, sondern konnte einfach ich selbst sein. Doch gleichzeitig war er auch derjenige, der in mir die Angst auslöste, eines Tages allein zu sein. Es war egal, wie viele Menschen es gab, denen ich wichtig war. Ich brauchte Kai in meinem Leben. Erst mit ihm war ich vollständig. Meine größte Angst war es, Kai eines Tages zu verlieren. Er war mein Freund, aber er konnte nicht immer vor Ort sein, wenn ich ihn brauchte. Manchmal würde mir eine kleine Umarmung, ein kurzer Kuss oder ein einfaches Lächeln von ihm reichen, um alles etwas leichter zu machen. Das Fehlen dieser Kleinigkeiten machte stattdessen alles schwerer. Mit jedem Tag ohne den Jüngeren schien mein Herz etwas weiter zu zerbrechen und meine Gedanken etwas düsterer zu werden. 


Müde vom Heimspiel, aber auch von meinem kompletten Leben schleppte ich mich die Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Draußen war es schon längst dunkel geworden. Ich wollte mich einfach nur noch in meinem Bett verkriechen in der Hoffnung, dass ich in den nächsten Stunden von Albträumen verschont bleiben würde. Dass das ziemlich unwahrscheinlich war, war mir bewusst, dennoch wünschte ich mir, endlich mal wieder eine Nacht durchschlafen zu können. 

Während ich die Treppen hinaufstieg, bereute ich es wieder einmal, dass ich eine Wohnung im fünften Stockwerk angemietet hatte. Seufzend kramte ich den Schlüsselbund aus meiner Sporttasche. Als ich ihn zu fassen bekam, hob ich meinen Blick von der Tasche. Auf der obersten Treppenstufe und somit direkt vor meiner Wohnungstür entdeckte ich eine Person. Den Kopf, welcher von der Kapuze eines Hoodie verdeckt wurde, hatte die Person an die Wand gelehnt. Bevor ich entscheiden konnte, was ich tun sollte, hob die Person den Kopf und ich blickte in die blauen Augen meines Freundes. 

  "Kai", hauchte ich. Achtlos ließ ich meine Sporttasche, sowie den Schlüsselbund zu Boden fallen. Für einen kurzen Augenblick starrte ich den Jüngeren noch ungläubig an, ehe ich die letzten Stufen hinaufstürmte. Den Moment nutzte Kai, um auszustehen. Als ich mich in seine Arme warf, schlang er diese fest um mich und drückte mich an sich. Ich vergrub das Gesicht an seiner Schulter. Ohne es zu wollen, begann ich zu weinen. In Kais Armen fiel meine aufgebaute Schutzmauer sofort in sich zusammen. "Ich hab dich vermisst", murmelte ich gegen den Stoff seines Hoodies, woraufhin sich Kais Griff noch etwas verfestigte. 

  "Ich habe dich auch vermisst, Julchen." 

  "Du sollst mich nicht so nennen", beklagte ich mich, konnte aber gleichzeitig ein Lächeln nicht unterdrücken, als Kai leise lachte. Seine Lippen legten sich an meine Schläfe, wodurch ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Ich drängte mich enger an meinen Freund, während ich mich mit beiden Händen in seinen Hoodie krallte. 

  "Julian?" Als Antwort kam ich ein Brummen von mir. Als Kai jedoch nicht weitersprach, hob ich meinen Kopf etwas, um ihn ansehen zu können. Ohne noch etwas zu sagen, legten sich seine Lippen sanft auf meine. Uns zärtlich küssend standen wir einfach im Treppenhaus. Für den Moment war es egal, dass uns meine Nachbarn sehen könnten. Es war nur wichtig, dass Kai bei mir war. 

Früher als mir lieb war, beendete Kai den Kuss wieder und löste sich im Anschluss komplett von mir. Jedoch krallte ich mich weiterhin an seinem Hoodie fest, wodurch ich verhinderte, dass er Abstand zwischen uns bringen konnte. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, löste Kai meinen Klammergriff, ehe er mich noch einmal kurz küsste. 

  "Ich gehe mal davon aus, dass du die Nacht nicht im Treppenhaus verbringen möchtest, oder?", fragte er, wobei er sich komplett von mir löste. Schweigend beobachtete ich, wie er die Treppe hinunterlief. Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen, während ich ihm nachsah. Fragend sah Kai zu mir auf, als er meine Sporttasche erreicht hatte und diese gemeinsam mit dem Schlüsselbund aufhob. "Wenn es dir lieber ist, können wir auch hier schlafen. Aber ich glaube, dass das deine Nachbarn verwirren könnte und außerdem unbequem wäre." Mit meinen Sachen kam Kai die Treppe wieder hinauf.  Die Sporttasche hing er sich über die Schulter. Die dadurch freigewordene Hand legte er, nachdem er wieder oben angekommen war, an meine Wange. "Alles in Ordnung?" Statt etwas zu sagen, lehnte ich mich einfach an Kai, der direkt einen Arm schützend um mich schlang und mir einen Kuss auf die Stirn drückte. Mit der anderen Hand, in der er den Schlüsselbund hielt, schloss er meine Wohnungstür auf, um mich anschließend sanft in den Wohnungsflur zu schieben. Die Tür fiel hinter uns zurück ins Schloss. 

  "Können wir ins Bett?", fragte ich leise. 

  "Du weißt, dass ich dir überall hin folgen würde, wenn du mich drum bittest." Uns war beiden bewusst, dass Kai damit etwas viel wichtigeres als unseren Aufenthaltsort für die nächsten Minuten oder Stunden meinte. Für einen Augenblick war ich tatsächlich kurz davor, den Jüngeren zu bitten für immer zu bleiben. Entschied mich dann jedoch dagegen, weil ich nicht so egoistisch sein konnte. Chelsea war eine großartige Chance für Kai, die ich ihm unmöglich nehmen konnte, nur weil ich ihn vermisste. Ohne ihn ging es mir schlecht, doch irgendwann würden unsere Karrieren enden und ich könnte ihn wieder jeden Tag an meiner Seite haben. Irgendwann würde es besser werden. Ich musste nur solange durchhalten. "Rede mit mir", bat Kai. 

  "Ich vermisse dich einfach, wenn du nicht bei mir bist. Es ist alles in Ordnung, solange du bei mir bist."

  "Ich mache mir Sorgen um dich, Jule."

  "Das brauchst du nicht." 

  "Du bist mein Freund und ich liebe dich. Natürlich mache ich mir Sorgen, wenn ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Aber ich bin ziemlich machtlos, wenn du mir nicht verrätst, was in deinen hübschen Köpfchen vor sich geht." Sanft tippte Kai mit einem Finger gegen meine Stirn, weswegen ich leicht schmunzeln musste und nach seiner Hand griff, die ich festhielt und unsere Finger miteinander verschränkte. Kai lehnte seine Stirn gegen meine. "Rede mit mir." 

  "Ich will nicht allein sein. Ich weiß, dass ich das nicht bin, aber es fühlt sich manchmal so an. Hin und wieder wird mir einfach alles zu viel." Ich senkte meinen Blick, jedoch legte Kai seine Hand, welche ich nicht festhielt, an mein Kinn und brachte mich dazu, ihn wieder anzusehen. 

  "Ich bleibe bei dir, du bist nicht alleine", sagte er, ehe er mich zärtlich küsste. Ich lehnte mich an ihn und genoss die Nähe meines Freundes, solange sie mir vergönnt war. 

  "Ich liebe dich, Kai."

  "Liebst du mich denn genug, um mich bald wieder jeden Tag zu ertragen?" 

  "Was?" Irritiert hob ich den Kopf, welchen ich an Kais Schulter gelehnt hatte, um den Größeren ansehen zu können. 

  "Wie eben gesagt, ich bleibe bei dir ... Vorausgesetzt, du möchtest das." 

  "Kai, du kannst nicht einfach spontan entscheiden in Dortmund zu bleiben. Du stehst beim FC Chelsea unter Vertrag." 

  "Noch." 

  "Du redest Schwachsinn." 

  "Das ist keine spontane Entscheidung, sondern schon länger in Planung und Klärung. Ich kann morgenfrüh einen Vertag beim BVB unterschreiben und würde dann im Sommer wechseln. Beide Vereine haben bereits zugestimmt. Es fehlt nur noch deine Zustimmung."

  "Nein", brachte ich heraus, obwohl ich mir in Wahrheit nichts mehr wünschte, als Kai bei mir zu haben. Der Jüngere sah mich verwirrt an, wobei ich ihm jedoch auch ansah, dass meine Antwort ihn verletzt hatte. "Es läuft gerade richtig gut für dich in Chelsea. Ich will nicht, dass du das wegen mir aufgibst. Wir bekommen diesen Fernbeziehung schon irgendwie hin. Es sind nur ein paar Jahre."

  "Aber ...", setzte Kai an, jedoch brachte ich ihn mit einem Kuss zum Schweigen. 

  "Wir bekommen das hin. Es ist alles in Ordnung." In dem Moment war ich von meinen Worten überzeugt. In Kais Armen war ich mir sicher, dass wir zusammen alles schaffen konnten. Es würde nicht einfach werden, das war mir bewusst, aber ich war bereit zu kämpfen. Ich wusste, dass egal wie schlecht es mir mal ging, Kai immer für mich da war. 

Auch wenn er nicht immer bei mir war, war ich nie allein. 

Es ist alles in Ordnung, ist nicht immer eine Lüge. 

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