6. Fortsetzung von "Nicht erreichbar"

Kais PoV 

Gemeinsam mit Timo stand ich im noch fast leeren Stadion. Die Fans mussten noch etwas auf ihren Einlass warten, während im Stadion die letzten Vorbereitungen getroffen wurden. 

Plötzlich grinste Timo mich an, weswegen ich ihn irritiert ansah. Als Antwort deutete er lediglich auf eine Stelle hinter mir. Um den Grund für das Grinsen meines Mannschaftskollegen in Erfahrung zu bringen, drehte ich mich um und entdeckte sofort Julian, der mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und Marco im Schlepptau auf uns zu kam.  Sofort musste ich ebenfalls lächelnd. Ich lief den Beiden entgegen, damit ich meinen Freund, den ich einige Wochen lang nur auf einem Bildschirm betrachten konnte, möglichst schnell in die Arme schließen konnte. 

Kaum hatten wir einander erreicht, lagen wir uns auch schon in den Armen und ich drückte den Blonden eng an mich.

  "Ich hab dich vermisst", murmelte Julian gegen meine Schulter. 

  "Ich bin froh, dass du hier bist."

  "Mein Freund spielt im Champions-League-Finale, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen." Der Kleinere hob den Kopf, um mich anzusehen. "Außerdem musste ich schon viel zu lang auf deine Berührungen verzichten. Ich hätte es keinen Tag länger ohne deine Nähe ausgehalten."

  "Ich liebe dich, Jule."

  "Und ich dich." Lächelnd küsste er mich. Ich erwiderte den Kuss nur zu gern, besonders da der Letzte bereits eine gefühlte Ewigkeit her war. Wir schmiegten uns eng aneinander, während sich unsere Lippen sanft aufeinander bewegten. Für einen Augenblick genossen wir einfach nur die Nähe des Anderen ... bis Marco sich zu Wort meldete. 

  "Ihr könnt nachher weiter knutschen", störte er uns grinsend. Widerwillig lösten Julian und ich uns voneinander. Während Julian seinem Mannschaftskollegen einen bösen Blick zu warf, umarmte mich dieser zur Begrüßung. Timo stand inzwischen auch neben uns, um die beiden BVB-Spieler zu begrüßen. 

  "Habt ihr schon ne Einladung zur Hochzeit von Joshua und Leon bekommen?", erkundigte sich Timo. 

  "Bisher noch nicht. Ich hoffe, es gibt überhaupt noch eine Hochzeit", antwortete Marco. 

  "Warum sollte es die nicht geben?", hakte ich nach.  

  "Wir haben vor einigen Wochen gegen die Bayern gespielt, da wirkten die Beiden ziemlich distanziert. Normalerweise sieht man sie ja doch häufiger irgendwo zusammen, besonders wenn man bewusst drauf achtet, aber außerhalb des Spiels schienen sie sich schon beinahe aus dem Weg gegangen zu sein."

  "Sie haben trotzdem noch gut als Team zusammen gespielt, aber mir ist auch aufgefallen, dass sie sich ansonsten anderes verhalten haben", ergänzte Julian. 

  "Und was ist da passiert?", stellte Timo die nächste Frage. Fragend blickte ich ihn an, wodurch mir auffiel, dass er woanders hinsah. Ich folgte seinem Blick. Einige Spieler vom FC Bayern München, gegen die wir im Champions-League-Finale spielen würden, hatten gerade das Spielfeld betreten. Leon war ebenfalls dabei, jedoch auf Krücken. 

  "Das ist im letzten Spiel passiert", meinte Jule. 

  "Josh wurde ständig gefoult. Er hatte gerade den Ball. Ein Gegenspieler wollte ihm mit einer Grätsche den Ball abnehmen ..."

  "Oder Josh gezielt treffen. So wie die drauf waren, hatte ich beinahe das Gefühl, dass sie Josh absichtlich verletzten wollten", warf mein Freund ein.

  "Ich weiß nicht, ob es Zufall war oder Absicht, um Josh zu schützen, jedenfalls ist Leon dazwischen gegangen und wurde dabei am Sprunggelenk verletzt."

  "Das war kein Zufall. Fürs Spiel hat es überhaupt keinen Sinn gemacht, dass Leon dort lief. Anfangs haben sie ja auch noch weiter auseinander gespielt. Erst nach dem was-weiß-ich-wievielten Foul hat Leon angefangen in Joshs Nähe zu bleiben. Das spricht ja auch dafür, dass sie noch zusammen sind oder dass Josh zumindest Leon noch wichtig ist", ergänzte Julian. Nachdenklich sah Timo zwischen Leon, der mit Sven Ulreich redete, und Joshua, der einige Meter entfernt mit Serge stand, hin und her. Ohne ein Wort der Erklärung lief mein Mitspieler schließlich in deren Richtung. Julian, Marco und ich sahen uns kurz an, dann entschlossen wir ihm zu folgen. 

Timo steuerte Josh an. Als dieser uns jedoch bemerkte, verzog er das Gesicht, sagte irgendwas zu Serge und lief mit diesem zurück zu den Katakomben. Sich davon nicht abschreckend lassend, schlug Timo einfach den Weg in Leons Richtung ein. Da Leon damit beschäftigt war, Josh besorgt nach zu sehen, bemerkte er uns erst, als wir bereits vor ihm standen. Von besorgt wechselte Leons Gesichtsausdruck zu skeptisch. 

  "Das mit deiner Verletzung ...", begann Timo, wurde jedoch direkt vom Bayern-Spieler unterbrochen. 

  "Was wollt ihr?"

  "Da hat Jemand schlechte Laune", flüsterte Julian mir zu. 

  "Hätte ich auch, wenn ich kurz vorm Champions-League-Finale aufgrund eines Fouls verletzt wurden wäre", erwiderte ich in der gleichen Lautstärke. 

  "Wir wollten eigentlich nur fragen, ob alles in Ordnung ist", erklärte Marco Leon. 

  "Die Frage könnt ihr euch jawohl selbst beantworten", antwortete Leon gereizt. 

  "Aber zwischen dir und Josh ...", setzte ich vorsichtig an. 

  "Das geht euch nichts an." Timo wollte noch etwas erwidern, als Serge auf der Treppe zu den Katakomben auftauchte und Leons Namen rief. Bei seinem Gesichtsausdruckt war sofort klar, dass irgendwas passiert war. Leon schien dies auch direkt zu begreifen, da er sich so schnell es mit den Krücken möglich war in Serge Richtung bewegte. Gemeinsam verschwanden die Beiden vom Feld. 

  "Vielleicht können wir ja helfen", meinte Timo, der ihnen einfach folgte. Wir anderen drei zögerten kurz, liefen ihnen dann ebenfalls hinter her. Bereits auf der Treppe blieben wir wieder stehen, da wir von dort alle zuvor Verschwundenen, sowie einige weitere Bayern-Spieler sehen konnten. 

Josh saß mit einer Wasserflasche aufm Boden und lehnte mit dem Rücken an der Wand. Manuel hatte sich vor ihn gekniet. Er sagte irgendwas zum Mittelfeldspieler, jedoch zu leise, um es aus unserer Position aus zu verstehen. 

  "Was ist passiert?", fragte Leon besorgt, der hinter Manuel stehen geblieben war. 

  "Nichts, alles in Ordnung", sagte Josh sofort, wobei er sich aufrappelte. "Ich geh mich fürs aufwärmen schon mal umziehen", schob er hinterher, nachdem er kurz in unsere Richtung geschaut hatte. Leon folgte ihm, während Serge zu uns kam 

  "Ihr wollt bestimmt nur helfen, aber lasst die Beiden bis nach dem Spiel bitte einfach in Ruhe. Das was sie gerade durchmachen reicht schon vollkommen aus, dann brauchen sie nicht auch noch euch mit euren komischen Plänen", bat uns der Bayern-Spieler. 

  "Ist mit Joshua alles in Ordnung?", erkundigte sich Julian. 

  "Er setzt sich selbst extrem unter Druck, wofür es verschiedene Ursachen gibt. Das Ganze ist ihm gerade einfach nur zu viel geworden. Mehr sag ich dazu auch nicht, weil es seine Angelegenheit ist. Wir kümmern uns als Mannschaft schon darum, ihr braucht euch darum also keine Gedanken machen." Bevor wir noch irgendwas sagen oder fragen konnten, hatte Serge sich von uns abgewandt und ging weg. 


Leons PoV

In mir herrschte sowieso schon das reinste Chaos, da konnte ich nicht auch noch Marco, Timo, Kai und Julian gebrauchen. Als kurz nach dem Auftauchen der Vieren Serge mit besorgten Gesichtsausdruck meinen Namen rief, verschwand das innere Chaos und ließ nur noch einen einzigen Gedanken zurück ... Joshua. 

Irgendwas musste passiert sein. So schnell es mit meiner Verletzung möglich war folgte ich Serge in die Katakomben, wo ich sofort Joshua aufm Boden sitzend sah. Ich lief zu ihm und Manu, der beruhigend auf meinen Freund einredete, und fragte nach, was geschehen war. Josh schien mir meine Frage jedoch nicht beantworten zu wollen, weswegen er mich ohne Erklärung stehen ließ. Schweigend folgte ich ihm in die Umkleide, welche komplett leer war, da alle Spieler noch irgendwo im Stadion herumliefen. 

Hinter mir schloss Josh die Tür, während ich mich auf die Bank setzte und meine Krücken zur Seite legte. Der Kleinere kam in meine Richtung. Kaum war er in meiner Reichweite, zog ich ihn auf meinen Schoss. Seufzend lehnte Josh sich gegen mich, wobei er den Kopf auf meiner Schulter ablegte. Die Augen schloss er. Ich drückte ihm einen Kuss auf den Kopf und schlang meine Arme fest um seinen Körper.

  "Ich liebe dich", flüsterte ich ihm zu. 

  "Ich liebe dich auch." 

  "Du weißt, dass wir das nicht machen müssen?"

  "Ich weiß, aber ich möchte."

  "Baby, es geht dir nicht gut. Die letzten Nächte hast du kaum geschlafen und eigentlich auch viel zu wenig gegessen. Unter normalen Bedingungen wären das schon schlechte Voraussetzungen für ein Spiel. Aber heute setzt du dich selbst noch extrem unter Druck, weil es das Champions-League-Finale ist, wegen uns und wegen meiner Verletzung an der du überhaupt keine Schuld hast."

  "Du hattest da überhaupt nichts verloren", merkte Joshua an ohne auf  meine restlichen Worte einzugehen. 

  "Stimmt, hatte ich nicht und wir haben auch immer gesagt, dass wir unsere Beziehung nicht mit aufs Spielfeld nehmen, aber ich schaue mir sicherlich nicht tatenlos mit an, wenn du gefühlt im Minutentakt gefoult wirst. Es war meine Entscheidung, dass ich dazwischen gehe und der Gegenspieler hat entschieden, dass er die Grätsche macht. Du kannst nichts dafür, dass es passiert ist und auch nichts dafür, dass es mich statt dich erwischt hat. Hör also bitte auf dir deswegen Vorwürfe zu machen."

  "Du freust dich seit feststeht, dass wir im Finale sind, auf das Spiel", merkte an Josh an. 

  "Natürlich hätte ich heute gerne gespielt, aber das geht halt nicht und das lässt sich nicht ändern."

  "Ich kann leider nicht dafür sorgen, dass du heute spielen kannst, aber ich kann zumindest versuchen dein gewünschtes Goretzka-Tor wahr werden zu lassen ... allerdings anders als eigentlich von dir gemeint." 

  "Warum sollte mein Name mit einem Tor in Verbindung gebracht werden, wenn ich gar nicht spiele?", hakte ich verwundert nach. Josh richtete sich etwas auf und griff neben uns nach seinen Klamotten-Stapel. Er zog sein Trikot raus, welches er mir anschließend reichte. Verwirrt blickte ich es an, da ich den Sinn nicht verstand. Abwartend wurde ich von Joshua angesehen, weswegen ich das Trikot auseinander faltete. Über der Rückennummer 6 stand wie immer der Vereinsname. An der Stelle, wo sonst Kimmich stand, stand nun jedoch Goretzka. Lächelnd strich ich über den Schriftzug. "Wie lang hast du mit denen herum diskutiert, um das Trikot fürs Spiel zu bekommen?", erkundigte ich mich. 

  "Sie können mir schlecht verbieten, dass ich ein Trikot mit meinem Namen tragen möchte. Da Goretzka auf meinem Ausweis steht, haben sie es mir ohne Diskussion angefertigt."

  "Ich liebe das Trikot jetzt schon und später an dir erst recht. Vergiss das Tor, dass du nachher zum ersten Mal mit meinem Nachnamen aufm Rücken das Spielfeld betreten wirst, macht das Spiel schon unvergesslich."

  "Erklärst du unseren Trainern dann, dass ich heute nicht versuchen werde Tore zu schießen, weil ich damit beschäftigt sein werde, das Trikot zu präsentieren?", fragte Josh grinsend. 

  "Das sollten wir denen lieber nicht verraten, sonst machen die uns noch einen Strich durch die Rechnung, weil sie unbedingt elf Spieler aufm Platz haben möchten, die auch aktiv am Spiel teilnehmen", lachte ich, wurde dann aber wieder ernst. Sanft nahm ich Josh Gesicht zwischen meine Hände. "Es ist ganz egal, was heute passiert, ich werde dich immer lieben und immer hinter dir stehen. Sollten wir heute nicht gewinnen, werde ich trotzdem immer lächelnd an dieses Spiel zurück denken, weil du das Trikot mit meinem ... unserem Namen tragen wirst. Wenn wir nicht die Champions-League gewinnen, wird es trotzdem ein besonderes Jahr bleiben, weil ich dich seit März meinen Ehemann nennen darf."

  "Wenn wir gewinnen, bleibt es aber bei unserem Deal?", versicherte sich der Kleinere.

  "Auf jeden Fall. Ich habe zwar ehrlich gesagt etwas Angst davor, aber die Vorfreude ist eindeutig größer." 

  "Dann sollte ich die Trikot-Präsentation vielleicht doch lieber verschieben und mich aufs Spiel konzentrieren."

  "Ich finde, erstmal solltest du dich auf deinen Ehemann konzentrieren", grinste ich. 

  "Damit der keine Chelsea- und BVB-Spieler mehr anzickt?" Statt noch etwas zu erwidern, zog ich Joshuas Kopf weiter zu mir, lehnte mich gleichzeitig etwas vor und küsste ihn. 


Natürlich war es aufgefallen, dass auf Joshuas Trikot Goretzka stand. Im Internet waren bereits Diskussionen ausgebrochen, wobei Niemand den wahren Grund erriet. Die naheliegendste Erklärung war halt, dass es als Dankeschön gedacht war, weil ich bei der Grätsche, die Josh erwischt hätte, dazwischen gegangen war.  Daran, dass sich Joshuas Nachname aufgrund einer Hochzeit geändert hatte, dachte keiner, weil sie nichts von unserer Beziehung wussten. 

Ich hatte die Diskussion nur kurzzeitig verfolgt, die restliche Zeit der bisherigen Spielzeit hatte ich damit verbracht, meinen Ehemann zu betrachten. Er war komplett aufs Spiel konzentriert. Lediglich wenn es zu kurzen Unterbrechungen im Spielverlauf kam, glitt sein Blick in meine Richtung. Trotz Schlafmangel, sowie dem Gefühls- und Gedankenchaos in ihm drin, spielte er wirklich gut. Die ganze Mannschaft tat das, jedoch leider auch der FC Chelsea. 

Bis zur 83. Minute war noch kein einziges Tor gefallen. Joshua nahm gerade seine Position für einen Eckball ein, während sich ein Großteil der restlichen Feldspieler beider Mannschaften ebenfalls positionierten. Der Anpfiff ertönte. Ein letztes Mal glitt Joshs Blick über den Strafraum, dann schoss er. Der Ball erreichte Serge, der den Ball ins Tor köpfen konnte. Serge stürmte sofort zu Josh, der ihm bereits entgegen kam. Kaum lagen die Beiden sich in den Armen, kamen auch unsere anderen Mannschaftskollegen dazu. 

Es blieb bei diesem einem Tor. Während der regulären Spielzeit, sowie in der Nachspielzeit wurden keine weiteren Tore erzielt. Das Spiel wurde abgepfiffen und somit war es offiziell. Wir hatten das Champions-League-Finale gewonnen.

Ich schnappte mir meine Krücken, um gemeinsam mit den anderen Spielern, die beim Abpfiff nicht aufm Feld gestanden hatten, sowie dem Trainerteam zu unserer Mannschaft zu gelangen. Joshua kam mir zum Glück bereits entgegen gejoggt. Strahlend stoppte er vor mir. Ich ließ die Krücken einfach fallen und schlang stattdessen lieber beide Arme fest um meinen Ehemann, der die Umarmung erwiderte. 

  "Das kann ich als Goretzka-Tor durchgehen lassen", grinste ich glücklich. 

  "Dann bleibt nur noch unser Deal. Das ist die letzte Chance, um es doch noch einmal zu verschieben. Wir können es nicht rückgängig machen", meinte Josh, der sein Gesicht an meiner Schulter vergraben hatte.

  "Möchtest du es verschieben?"

  "Nein." Er hob den Kopf von meiner Schulter. 

  "Ich auch nicht. Dann lass uns das Versteckspiel für immer beenden." Lächelnd lehnte ich mich zu Josh vor, der mir entgegen kam bis unsere Lippen sanft aufeinander trafen. Es war ein ungewohntes Gefühl sich vor so vielen Menschen zu küssen, doch gleichzeitig war es befreiend. 

Ich musste nicht länger verheimlichen, dass Joshua nur mir gehörte. 

Es würde Niemand mehr versuchen, einen von uns mit einer anderen Person zu verkuppeln. 

Wir waren frei.  

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