Emre Can x Nico Schulz [improvisation]
words: 2125
Nico POV:
Meine Hände flogen nur so über die schwarzen und weißen Tasten und spielten eine Melodie, die vertraut wirkte und die ich doch noch nie zuvor gehört hatte. Wie auch? Ich improvisierte gerade etwas, eine Sache, die ich öfter tat. Die Klänge der Hämmerchen, die auf die Seiten trafen, halfen mir, der realen Welt etwas zu entfliehen und zu entspannen.
Ich ließ meine Finger weiter über die Tasten wandern, mal höher, mal tiefer. Mal in der Tonika, mal in der Dominante, Subdominante oder einer ihrer Parallelen. Ich war so vertieft in die Musik und die Atmosphäre, die sie erzeugte, dass ich gar nicht mitbekam, wie sich jemand hinter mir in den Türrahmen lehnte und mich lächelnd beobachtete.
Ich spielte immer weiter, versuchte, meine Emotionen in das Gespielte einzubauen. Dabei merkte ich, wie Enttäuschung und Verzweiflung Glück und Freude überwogen. Die Enttäuschung und Verzfeiflung darüber, dass die eine Person, an die ich mein Herz verloren hatte, nie dasselbe für mich empfinden würde.
Niemand würde je auch nur annähernd etwas wie Liebe für mich empfinden. Ich war doch bloß der naive, dumme, schwache Kerl, der sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekam und viel zu schüchtern und introvertiert war. Wie sollte jemand mich lieben können?
Tränenschleier bedeckten meine Augen und vernebelten meine Sicht, doch meine Hände spielten weiter. Auch, als die Tränen begannen über meine Wangen zu laufen, hörte ich nicht auf zu spielen. Erst, als sich zwei Arme um mich legten und ich in eine Umarmung gezogen wurde, ließ ich meine Arme sinken.
Mein Bruder hielt mich fest in seinen Armen und strich mir langsam über den Rücken. Obwohl er knapp sechs Jahre jünger war als ich, hatten Gian Luca und ich schon immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt. Wir vertrauten uns gegenseitig alles an, waren so gut wie immer füreinander da und jetzt gerade war ich extrem froh, dass er bei mir war.
"Er wird mich nie lieben. Niemand wird das.", flüsterte ich gebrochen und blinzelte einige Tränen weg, damit ich eine bessere Sicht hatte. "Erzähl doch nicht so eine Scheiße!", widersprach mir mein Bruder geschockt und sah mir in die Augen, "Die Art, wie er dich ansieht, sagt doch mehr als 1000 Worte und selbst, wenn es nicht so ein sollte, wirst du jemanden finden, der dich glücklich macht und den du genauso glücklich machst.".
Ich wollte den Worten, die der Jüngere an mich richtete, Glauben schenken, aber ich konnte es nicht. Allerdings hatte ich auch keine Lust auf einen Vortrag darüber, dass ich dringend mehr Selbstvertrauen bräuchte, also blieb ich stumm und nickte nur. Dann beschloss ich, aufzustehen, denn ein Klavierhocker war auf Dauer nicht gerade die bequemste Sitzgelegenheit.
Später am Abend, Gian Luca war inzwischen nach Hause gegangen, lag ich auf dem Sofa und durchforstete die Posts des BVB auf allen Accounts. 'Die Art, wie er dich ansieht, sagt doch mehr als 1000 Worte', spukte es durch meine Gedanken. Den ganzen Tag schon war ich nicht von diesem Satz losgekommen und so wollte ich nachschauen, ob es nicht irgendwelche Bilder in den Sozialen Medien gab, die das belegten.
Doch ich konnte weit und breit keine Fotos finden, die mich von den Worten meines Bruders hätten überzeugen können. Stattdessen fiel mir auf, dass zwischen Gio und Erling eine ganz spezielle Chemie zu herrschen schien und dass Reece James auffällig oft rote Herzchen unter Judes Posts schrieb. Ich war gerade am Überlegen, was das wohl zu bedeuten hatte, als mein Handy mit einem "Pling" eine eingegangene Nachricht ankündigte.
Als ich sah, wer der Absender war, verdoppelte sich mein Herzschlang unmittelbar. Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich die Nachricht angeklickt und geöffnet. Ich las den kurzen Text und mein Herz setzte für einen Schlag aus.
Emre 💖
Hey! Ich hoffe, ich störe nicht. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob du Zeit und Lust hättest heute Abend mit mir etwas Essen zu gehen. Ich weiß, das kommt sehr kurzfristig, aber Julian hat gerade eben spontan abgesagt und meinte, ich solle dich mal fragen, du hättest eh nichts vor. Wäre ja schade, wenn die Reservierung verfällt. Also, wenn du magst, würde ich mich sehr freuen, wenn du mich begleitest.
Ungläubig starrte ich die Nachricht an und las sie immer und immer wieder. War das sein Ernst? Wollte er wirklich mit mir zusammen essengehen? Die Tatsache, dass er nur fragte, weil Julian ihn versetzt hatte, blieb eher unbeachtet in meinem Hinterkopf. Schnell tippte ich meine Antwort:
Ich würde dich sehr gerne Begleiten, wann denn?
Emre 💖
Die Reservierung ist zu 19:30, aber wir können gerne auch etwas später hingehen, schließlich wisst du dich bestimmt vorher noch frischmachen.
Verwirrt warf ich einen Blick auf die Uhr, verstand allerdings, was er meinte, als ich sah, dass es schon fast 19:00 Uhr war. Gerade wollte ich antworten, da ploppte noch eine Nachricht auf meinem Bildschirm auf.
Emre 💖
Wie wäre es, wenn ich dich so in einer Dreiviertelstunde abhole?
Ja, das wäre gut
Meine Nachricht schien ruhig, in Wirklichkeit war ich allerdings nervös wie fast nie zuvor in meinem Leben. Schnell sprang ich auf und eilte ins Badezimmer, um zu duschen. Das hatte ich zwar heute früh schon getan, aber es war Emre, mit dem ich mich treffen würde und für ihn wollte ich perfekt sein.
Gute fünfzehn Minuten später trat ich mit nassen Haaren und einem Handtuch um die Hüfte gewickelt aus meinem Bad und bahnte mir meinen Weg zum Kleiderschrank. Kritisch beäugte ich nahezu jedes Kleidungsstück, was ich besaß, und entschied mich nach gut zehn Minuten für eine schwarze Jeans und eine hellgraues Hemd.
Jetzt mussten nur noch meine Haare gebändigt werden. Schnell hatte ich mich dafür entschieden, sie einfach wie immer zu einem Dutt zusammenzubinden. Viel Anderes konnte ich eh nicht damit machen und Emre hatte sich noch nie negativ über die Frisur geäußert, was auch dumm wäre, schließlich trug er seine Haare oft in ähnlicher Form.
Kritisch begutachtete ich mich selbst im Spiegel. Würde ich Emre gefallen? Sollte ich mich doch noch einmal umziehen? Doch dazu kam es nicht, weil es genau in diesem Moment an der Tür klingelte. War es wirklich schon 19:45 Uhr? Anscheinend, denn Emre war kein großer Fan des zu früh kommens, er war meistens genau pünktlich.
Es klingelte ein weiteres Mal und ich bemerkte, dass ich für bestimmt eine Minute wie erstarrt dagestanden hatte. Schnell löste ich mich aus meiner Starre und öffnete die Tür, vor der, wie erwartet, Emre stand. "Hey!", hauchte ich atemlos, denn sein Anblick verschlug mir wortwörtlich den Atem. "Hi!", grinste er zurück und zog mich in eine kurze Umarmung. Augenblicklich raste mein Puls, na das konnte ja was werden.
"Du siehst übrigens toll aus!", zwinkerte er mir zu, während er mir die Tür aufhielt und hinter mir das Restaurant betrat. Ich wurde rot. "Danke", nuschelte ich und wollte am liebsten auf der Stelle im Erdboden versinken. Jedes Mal, wenn rot anlief, war mir das höllisch unangenehm, aber jetzt, vor Emre, war es noch schlimmer.
Dieser schmunzelte jedoch bloß und meinte: "Du bist süß, wenn du rot wirst.". Dann wandte er sich für einen kurzen Moment ab und fragte nach einer Reservierung auf den Namen Brandt. In diesem Moment wurde mir wieder klar, dass er eigentlich mit Jule hier her hatte gehen wollen und ich nur seine zweite Wahl war. Es tat weh.
Doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen und wahrte ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen. Die Kellnerin führte und daraufhin zu unserem Tisch, der etwas abeschieden von den anderen lag, sodass wir etwas Privatsphäre hatten. Außerdem brachte sie uns die Speisekarten. Dann ließ sie uns für einen Augenblick alleine, damit wir uns das Menü ansehen konnten.
Kaum war sie weg, sprach Emre mich an: "Was ist los?". Irritiert sah ich ihn an, tat so, als wüsste ich nicht, was er meinte. Dabei wusste ich es ganz genau. "Was soll sein?", nuschelte ich leise und versuchte, ihm nicht in die Augen zu sehen, da ich wusste, dass diese sehr verräterisch waren. "Ich weiß es nicht, aber irgendetwas ist los. Das merke ich doch, Nico, du kannst mir nichts vormachen.".
Ich zuckte mit den Schultern, mein Blick haftete dabei stets auf der Tischplatte. "Warum hat Jule dir eigentlich abgesagt?", fragte ich dann schroffer, als es ursprünglich geplant gewesen war. Emre wollte etwas sagen, doch plötzlich schien ihm ein Licht aufzugehen. "Du denkst, du bist nur meine zweite Wahl.", stellte er dann fest. "Bin ich das denn nicht?", erwiderte ich und hob endlich meinen Blick um ihn anzusehen.
"Nein, bist du nicht.", antwortete er entschieden, "Denn um ehrlich zu sein...Jule hat mir nie abgesagt. Ich war einfach nur zu feige, um dich direkt zu fragen...und so schien es einfacher zu sein. Ich wollte die ganze Zeit nur mit dir ausgehen. Jule hat nie eine Rolle gespielt.", erklärte der Deutschtürke.
"Aber...warum ich?", flüsterte ich unsicher, da mir plötzlich der Gedanke an meinen Zusammenbruch am Morgen kam, "Ich bin schwach...und kaputt...". Doch Emre schüttelte den Kopf und griff nach meiner Hand. "Du bist nicht schwach. Im Gegenteil, du bist extrem stark. Du bekommst so viel Hate ab und trotzdem bist du noch hier, trotzdem hast du nicht aufgegeben für deinen Traum zu kämpfen. Und sieh dir an, wo du heute stehst. Du spielst für eine der besten Mannschaften Deutschlands, wenn nicht Europas. Und was dass Kaputtsein angeht: Mein Opa hat immer gesagt, nichts ist so kaputt, dass man es nicht wieder reparieren könnte. Also bitte, lass mich dir dabei helfen, wieder vollkommen und glücklich zu werden.".
Ungläubig sah ich ihn an. So hatte ich ihn noch nie reden hören. "Ich...meinst du das ernst?", wisperte ich und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. Verdammt, ich konnte doch nicht jetzt anfangen zu heulen. Panisch sprang ich auf, rannte zu den WC-Räumen und ließ einen perplexen Emre am Tisch zurück.
Zu meinem Glück war das Herren WC wie leergefegt, auf die Blicke anderer Leute hatte ich jetzt wirklich keinen Bock. Ich lehnte mich über das Waschbecken, stellte das Wasser an und klatschte mir eine eiskalte Ladung davon ins Gesicht. Was sollte ich jetzt tun? Zurück gehen und so tun, als sei nichts passiert? Doch diese Entscheidung wurde mir abgenommen, als die Tür aufging und Emre mit einem besorgten Gesichtsausdruck hereinkam.
"Nico!", rief er erleichtert aus, als er mich erblickte, "Warum bist du weggelaufen?", wollte er dann wissen und sah mich fast flehend an, während er vorsichtig seine Arme um mich legte, jedoch einen gewissen Abstand wahrte. Ich schwieg. War zu beschäftigt damit, dem Drang zu widerstehen, mich einfach eng an ihn zu drücken und ihn zu küssen. "Nico?", wiederholte Emre sorgenvoll und riss mich somit aus meiner Trance.
"Ich wollte nicht, dass du denkst, ich sei ein Weichei. Ich meine...wer fängt schon in einer solchen Situation an, zu heulen?", sagte ich und sah nach unten. "Nico, das muss dir nicht unangenehm sein! Ehrlich nicht. Ich würde nie so von dir denken, denn es wäre falsch, du bist kein Weichei. Du bist der süßeste, ehrlichste und heißeste Typ, den ich je getroffen habe!", sprach Emre und sah mir so tief in die Augen, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.
Ich zog ihn ein Stück zu mir herunter und küsste ihn. Schon damit rechnend, dass er mich wegschubsen würde, kniff ich die Augen zusammen, doch zu meiner Überrschung ging der Deutschtürke auf den Kuss ein und zog mich sogar noch näher zu sich. So standen wir für einige Zeit uns küssend auf der Restauranttoilette, bis die Luft knapp wurde.
"Wow!", hauchte Emre, "Das war besser als in meinen Träumen!". Prompt riss ich die Augen auf. "Du hast davon geträumt?" "Ja, ich hab mich nämlich in dich verliebt!", lächelte er und mir blieb die Luft weg. "Ich mich auch in dich.", erwiderte ich und war überfordert mit der Situation. Was sollte ich tun? Ihn nochmal küssen? Oder nicht? Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, spürte ich wieder die weichen Lippen des Jüngeren auf meinen.
Es war schon der nächste Tag angebrochen als Emre mit seinem Auto vor meiner Haustür hielt. "Na dann.", meinte ich und schon war die Unsicherheit, die ich im Laufe des Abends hatte ablegen können wieder da. "Bis morgen, Babe.", lächelte er und drückte mir einen kurzen Kuss auf. Bei diesem Spitznamen fing sofort alles in mir an zu kribbeln. "Bis morgen.", hauchte ich und öffnete die Beifahrertür, um auszusteigen.
Noch lange schaute ich in die Richtung, in die der Wagen mit meinem Freund darin verschwunden war. Ja, ich durfte Emre nun offiziell als meinen Freund bezeichnen. Wir hatten lange darüber geredet und beschlossen, dass wir es versuchen wollten, gemeinsam etwas aufzubauen. Etwas, das vielleicht für die Ewigkeit gemacht war. Vielleicht auch nicht, aber das wäre nicht schlimm.
Schließlich würde unsere gemeinsame Zeit wunderschön werden, dessen war ich mir sicher. Und auch das schönste Improvisationsstück hatte mal ein Ende. Aber vielleicht auch nicht.
Okay, wow. Das ist viel länger geworden als erwartet und irgendwie geht es am Ende alles ziemlich schnell, verzeiht mir das.
Lasst gerne Feedback da!
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