Schäfer/Mintal

Zeitungsinterview vom 14.06.2021

„Das Leben als schwuler Fußballprofi ist die Hölle!“ – Raphael Schäfer bricht nach seinem Outing das Schweigen

Vor einem Monat schockte der Ex-Profi und jetziger Torwarttrainer des 1. FC Nürnberg die Fußballwelt mit seinem Geständnis. „Ich bin schwul!“, gab der ehemalige Bundesligaprofi preis. Als Fußballprofi erlebter er glorreiche Zeiten. Wurde mit dem FCN Pokalsieger. Mit unserer Reporterin spricht er nun über seine Beziehung zu Marek Mintal, seinen Kindern und seine Vergangenheit.

Huber: Herr Schäfer, jahrelang haben sie geschwiegen, ihr Leben im Verborgenen gelebt. Warum haben sie sich ausgerechnet jetzt dazu entschieden an die Öffentlichkeit zu gehen?

Schäfer: In meiner Leben hat sich in letzter Zeit viel verändert. Marek und ich hielten es jetzt für sinnvoll diesen Schritt zu gehen.

Huber: Von welchen Veränderungen sprechen sie?

Schäfer: Mareks und meine Kinder sind jetzt nicht mehr so klein, dass sie einem jede Geschichte glauben. Wir wollten ihnen auch nicht länger immer irgendwelche Lügen erzählen. Meine Tochter Anna (14) wollte von ihrer Mutter zu mir ziehen. Es wäre einfach nicht mehr länger tragbar gewesen.

Huber: Also haben sie sich beide vor ihren Kindern geoutet?

Schäfer: Ja haben wir. Marek hat mit seinem Großem zu erst gesprochen. Das ist gut gelaufen. Sebastian und meinen Mädels haben wir es dann zusammen gesagt.

Huber: Gab es dabei Probleme?

Schäfer: Ja die gab es. Für die Kinder war das ein großer Schock. Das steckt man natürlich nicht einfach weg, aber inzwischen haben wir in der Familie viel darüber geredet und die Probleme aus der Welt geschaffen.

Huber: Wie haben ihre Frauen das aufgefasst?

Schäfer: Für sie war das na klar ein riesen Schock. Sauer waren sie nicht aber glücklich waren sie nicht unbedingt. Wir haben ihnen quasi erklärt das wir ihnen für eine gewisse Zeit "fremdgegangen" sind. Nach ein paar tagen haben wir uns aber zusammen gesetzt und sie wollten uns auch nicht im Stich lassen.

Huber: Leben Sie und Herr Mintal zusammen?

Schäfer: Nein, noch nicht. Wir konnten uns noch nicht einigen, wer sein Haus verkauft. (lacht) Aber wir wollen das so schnell wir möglich nachholen.

Huber: Werden sie dann mit den Kinder zusammenleben?

Schäfer: Jakub (17) und Anna (14) werden mit bei uns leben. Sebastian (14) möglicherweise auch. Das weiß er noch nicht so genau. Lara (15) wird bei ihrer Mutter bleiben aber regelmäßig zu uns kommen. Lena (10) ist sich noch nicht sicher. Sie wird aber voraussichtlich bei Anja bleiben und auch regelmäßig vorbei kommen.

Huber: Verstehen sich die Kinder untereinander?

Schäfer: An sich ganz gut. Man darf nie vergessen, dass alle fünf gerade in der Pubertät sind oder kurz davor. Da fliegen schon mal die Fetzen, aber im Großen und Ganzen haben sie sich alle gern. Sie kennen sich ja auch schon von klein auf. Sie verhalten sich wie Geschwister. Diskutieren zusammen aber beschützen sich auch. Jakub verteidigt Lena wie eine Löwenmutter ihr Kind. Wirklich sehr schön anzusehen.

Huber: Zurück zum Fußball. Wie waren für sie die Jahre in denen sie nicht zu ihrer Sexualität stehen durften?

Schäfer: Das Leben als schwuler Fußballprofi ist die Hölle! Man hat immer Angst entdeckt zu werden. Ich bin mit der Zeit richtig paranoid geworden. In jedem hab ich nur das Schlechteste vermutet und hab mich in Lügengebilde verstrickt. Die Jahre haben sehr an mir gezerrt. Ich war seelisch ein Wrack.

Huber: Wie konnten sie das seelische Tief überwinden?

Schäfer: Mit Liebe (grinst)

Huber: Aber nicht die Liebe zur Frau. Sie führten mit ihr über Jahre hinweg eine Scheinbeziehung. Haben sogar Kinder mit ihr. Wie belastend ist das?

Schäfer: Sehr. Man lebt eine Lüge. Jeden Tag und jede Minute. Auch nachts. Es geht einem sehr an die Substanz, aber ich liebe meine Mädels. Sie haben mir immer Kraft geben. Ich bin stolz Vater zu sein.

Huber: Wie hat ihre Frau darauf reagiert als sie ihr klar gemacht haben,dass sie auf Männer stehen?

Schäfer: Anja war keines Weges verstört. Eigentlich war es so das sie mir durch die Blume  gesagt  hat das ich Männer anziehender finde als Frauen. Sie hat mir ihre Unterstützung versprochen. Klar hatte ich ein schlechtes gewissen. Schließlich hab ich es selbst nicht glauben wollen.

Huber: Sie erlebten gleichzeitig zu dieser schweren Phase, aber mit dem „Club“ ihre besten Jahre? Wie ist das möglich?

Schäfer: Ich hab mich in den Sport geflüchtet. Wenn ich auf dem Platz stand war mein Kopf leer. All die Gedanken, die mich sonst zerfressen haben waren dann auf einmal wie verschwunden. Ähnlich ging es mir im Training. Ich hab viele Stunden im Kraftraum verbracht oder bin im Wald laufen gegangen, um den Kopf frei zu bekommen.

Huber: Wussten Teamkollegen vor ihrer Homosexualität?

Schäfer: Hin und wieder gab es mal Kollegen, die ich eingeweiht hab. Das war aber eher die Ausnahme. Man muss sehr vorsichtig sein wem man was erzählt. Man wusste nie ob der scheinbare Freund nicht gleich am nächsten Tag auspackt. Es gab dementsprechend nur wenige, denen ich es erzählt habe.

Huber: Marek Mintal war einer von ihnen? 

Schäfer: Ja richtig. Er hat auf mich, vom ersten Moment als wir uns trafen, einen guten Eindruck hinterlassen. Marek ist, und war, immer ein wahnsinnig sympathischer und offener Mensch. Ich habe ihm blind vertraut und ich bin nicht enttäuscht worden (lächelt)

Huber: So wie so von ihm schwärmen war es wohl Liebe auf den ersten Blick?

Schäfer: (lacht) Nein, Nein. Das hat schon eine Weile gedauert. Zuerst war er nur ein guter Freund. Irgendwann wurde aus Freundschaft mehr.

Huber: Wie lange sind sie schon zusammen?

Schäfer: Wir sind 2012 kurz nachdem Marek wieder aus Rostock zum Club kam zusammen gekommen. Also jetzt seit fast 10 Jahren.

Huber: Wie genau sind sie und Herr Mintal zusammen gekommen? 

Schäfer: Es ist auf einer Geburtstagsfeier eines früheren Kollegen passiert. Mehr sag ich dazu nicht. (lacht)

Huber: Sie haben also immer noch Geheimnisse?

Schäfer: Selbstverständlich: Wir haben einfach mit der Zeit gelernt nicht allzuviel privates in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Aus dem einfachen Grund das sowohl Marek und Katka als auch Anja und ich unsere Kinder so normal wie möglich aufwachsen lassen wollten. Natürlich war ihren Mitschülern schnell klar wenn ich die Mädels mal abgeholt hab wer ich bin. Nürnberg ist zwar groß aber mindestens genauso groß ein die Liebe zum Club. Nur weil jetzt die Öffentlichkeit weiß das Marek und ich ein Paar sind heißt das nicht das wir in Zukunft alles an die Medien tratschen werden. 

Huber: Wie hat sich ihr Leben durch das Outing verändert?

Schäfer: Wir müssen uns jetzt nicht mehr verstecken. Ich kann jetzt auch mal mit Marek Hand in Hand durch den Stadtpark laufen oder ich kann ihn küssen wann mir danach ist und nicht wenn uns keiner sieht. Es gibt natürlich auch Schattenseiten. Freunde die sich abgewendet haben oder Fans die einen beschimpfen, aber im Großen und Ganzen ist unsere Leben durch das Outing besser geworden.

Huber: Sie haben ja im Vorfeld intern im Verein geäußert, dass sie sich outen möchten. Wie waren da die Reaktionen?

Schäfer: Die Überraschung war natürlich bei den Meisten groß, aber viele Probleme haben wir dadurch nicht. Der ein oder andere grüßt vielleicht nicht mehr so nett, wenn man sich in der Geschäftsstelle mal sieht, aber damit kann ich leben. Offen gegen uns hat sich niemand geäußert. Herr Bornemann und Herr Grethlein haben mich mehrmals gefragt ob wir uns ganz sicher seine. Als wir ihnen das bestätigten hat er uns seinen Beistand zu gesichert. Es gab davor aber auch lange Gespräche mit Beratern und Vereinsleitung mit Aufsichtsrat. Es wurde wochenlang besprochen. Niemand war dagegen aber man musste das Pro und Contra abwägen und alle Möglichen Situationen durchsprechen. Bei einem Treffen war jemand vom DFB anwesend da lastete schon einwenig Druck auf uns. Schließlich musste er beschließen ob wir das so machen können damit wir mit unsere Mannschaften weiter arbeiten können.Er sah darin kein Problem also war klar das wir uns outen. Von den Reaktionen der Fans und der Medien waren wir beide positiv überrascht. Unsere Frauen haben uns dann den letzten Schubser gegeben und uns ermutigt uns zu outen.

Huber: Sie haben die Fans schon angesprochen. Wie waren da die Reaktionen?

Schäfer: Besser als ich es erwartet hab. Bei meinem ersten Training, dass ich nach der Pressekonferenz gemacht hab, war ich sehr nervös. Ich hab schon beim rauskommen gemerkt, dass mehr Fans da sind als sonst und es sind auch mehr beim Torwarttraining stehen geblieben als normal. Ich wurde an dem Tag viel angestarrt und beäugt: Ich hab auch immer wieder so Satzfragmente wahrgenommen wie „Der ist doch jetzt schwul!“ und ähnliches. Am süßesten war eine Mutter mit ihrem Kind welches gefragt hat was schwul ist. Sie erklärte ihrem Kind das jemand dann zwei Mamas und keinen Papa hat oder zwei Papas und keine Mama hat. Das Kind hat das zu mir geschaut und dann glücklich gesagt Tante Maria hat auch zwei Papas. Als wäre es ganz normal. Es war auch die ein oder andere negative Aussage dabei, aber damit muss man rechnen. Das war uns im vornherein aber klar. Nach dem Training waren viele Fans mir gegenüber sehr schüchtern: Als Torwarttrainer schreibt man eh wenige Autogramme. Irgendwann hat mich dann einer angesprochen und nach einem gefragt. Danach ist aber ein Damm gebrochen. Ich glaub an diesem Tag hab ich so viele Autogramme geschrieben wie schon lang nicht mehr. (lacht wieder)

Huber: Die Nürnberger Ultras haben das ganze bei letztem Heimspiel thematisiert. Sie hatten ein Banner mit der Aufschrift: „Marek und Rapha, eine Liebe, die ein Leben hält!“ Und zusätzlich kleine Fahnen mit Regenbogen Print drauf. Haben sie Choreographie mitbekommen und vorallem haben sie mit so einer Choreo gerechnet ?

Schäfer: Ja, ich war sehr bewegt. Marek, der auf der Tribüne saß, ging es nicht anders. Es war sehr beeindruckend. Es ist ja eine Anspielung auf einen Fangesang aus der Kurve. Es hat uns sehr gerührt, dass die Fans sich so zu uns bekennen. Damit hatten wir vorher nie gerechnet. Das sich die Ultras mit kleinen Bannern unterm Spiel zu verschieden Sachen bekenne hab ich mitbekommen. Aber niemals hätten wir  damit gerechnet so eine große Choreo zu bekommen.

Huber: Gibt es etwas was sie der Welt gern noch sagen würden. Vielleicht auch anderen Fußballern, die weiterhin schweigen?

Schäfer: Ja gerne. Mir ist wichtig noch mal zu erwähnen, dass jeder für sich selbst wissen muss wann und ob er sich überhaupt outen will. Es ist ein großer und schwerer Schritt und wenn man nicht hundert Prozent dazu steht ist es keine gute Entscheidung.

Beyer: Vielen Dank für das Interview!

Am Esstisch versammelt war die ganze Familie Schäfer/Mintal. Anna und Basti stritten, Jakub starrte auf sein Handy, Lena klapperte mit dem Geschirr, Rapha schaute entspannt seinen Kindern zu und Marek und Lara trugen die letzten Töpfe zum Tisch. Ein typisches Sonntag Mittag Treiben. Chaotisch und laut so verläuft  jeder Tag in diesem Haus. Aber alle  sind froh das es so ist, wie es ist.

Ich musste dieses Pair nehmen. Am Sonntag wurde Rapha verabschiedet, mir kamen die Tränen. In der nächsten Zeit wird nochmal ein OS kommen mit dem Pair. Sie sind aber auch klasse.
Ich würde mich sehr über eure Meinungen freuen.
Bis bald und lots of love
Eure Princess28

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