Gasly x Ocon - Anthoine

Widmung: Sophia_16_06

Pierres PoV

Jedes Rennen verlangte uns alles ab. Jedes Rennwochenende war einzigartig und doch irgendwie gleich. Jedes mal, wenn wir in unser Cockpit stiegen, konnte uns Niemand garantieren, dass wir es auch lebendig wieder verlassen würden. Doch wir alle waren bereit dieses Risiko einzugehen, um unseren Traum leben zu dürfen. 

Meistens blendete ich diese Gefahr einfach aus. Doch in Belgien war das unmöglich, denn auf dieser Strecke hatte ich einen meiner besten Freunde aus Kindheitstagen verloren. Der Todestag von Anthoine jährte sich bereits zum fünften Mal und wie jedes Jahr wünschte ich mir, dieses Rennen nicht fahren zu müssen. 

Ich saß in meinem Fahrerzimmer und starrte einfach in die Dunkelheit. Draußen war längst die Nacht angebrochen. Eigentlich sollte ich längst im Hotel sein, um am nächsten Tag für das freie Training ausgeschlafen zu sein. Doch schaffte ich es nicht mich zu bewegen. 

Normalerweise hätte mich längst Jemand vom Team rausgeworfen, doch die besonderen Umstände schienen sie davon abzuhalten. Ich wusste nicht einmal, ob außer dem Sicherheitsdienst noch Jemand vor Ort war. Es könnte durchaus sein, dass das Paddock komplett verlassen war. 

Ein leises Klopfen an der Tür bewies mir wenig später das Gegenteil. Ich gab keine Reaktion von mir. Langsam öffnete sich die Tür und Schritte näherten sich. Vom Flur fiel Licht in den Raum. Charles trat in meinen Blickfeld.

  "Kommst du mit ins Hotel?", fragte er leise. Ich wusste, dass auch er litt, doch fehlte mir die Kraft, um für ihn da zu sein. Da ich jedoch wusste, dass er nicht allein war, sondern Max an seiner Seite hatte, hatte ich schon vor zwei Jahren entschlossen, dass es in Ordnung war. Charles brauchte mich nicht. Er kam zurecht, wofür ich Max unglaublich Dankbar war. 

Schweigend schüttelte ich den Kopf. 

  "Pierre...", setzte Charles an. 

  "Ich möchte lieber allein sein", murmelte ich. 

  "Ich möchte aber nicht, dass du allein bist. Wir können doch ..." Ich brachte ihn mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. 

  "Geh bitte zu Max", bat ich. 

  "Max braucht mich gerade nicht, aber du", widersprach Charles. 

  "Bitte, Charles, geh einfach zu Max." Charles seufzte und sah mich unschlüssig an, ehe sein Blick Richtung Tür glitt, da sich zögerlich Schritte näherten. Ich hob irritiert den Kopf, um ebenfalls die Tür zu fokussieren. Der Sicherheitsdienst würde nicht ins Motorhome kommen und da Charles bereits vor mir stand, hatte ich keine Ahnung, wer noch hier sein könnte. 

Esteban erschien im Türrahmen.

  "Was machst du denn hier?", fragte Charles überrascht, während ich meinen Blick wieder senkte. Seit Anthoines Unfall hatte sich einiges zwischen Esteban und mir verändert. Als Kinder waren Anthoine, Charles, Esteban und ich Freunde. Während die Freundschaft mit Charles und Anthoine blieb, hatte sich das mit Esteban und mir über die Jahre in eine andere Richtung entwickelt. Zwischen uns war immer mehr gewesen, was uns als Teenager schwer fiel zu verstehen und erst recht es zu akzeptieren. Erst 2019 begannen wir zu begreifen, dass wir Gefühle füreinander hatten und das mit uns so viel mehr als nur Freundschaft sein könnte. Wir nährten uns einander weiter an. Begannen auf Dates zu gehen. Es gab die ersten Küsse. Das alles war noch so Neu und unschuldig, als Anthoines Unfall alles änderte. 

Wir  verloren beide einen guten Freund. Wir hätten für einander da sein können, um diese schwere Zeit irgendwie zu überstehen. Doch stattdessen verloren wir das mit uns und irgendwie hatten wir danach nie wieder zueinander gefunden. Obwohl wir uns immer wieder über den Weg liefen und seit längerer Zeit nun schon fürs gleiche Team fuhren, hatten wir nie wieder ein Wort über das mit uns verloren. Offiziell hatten wir es eigentlich nie beendet. Es war ein stilles Abkommen gewesen, dass wir Abstand und Zeit brauchten. Keiner von uns beiden hatte je ein Wort darüber verloren. 

Je mehr Zeit verging, umso häufiger dachte ich darüber nach, ob wir damals nur eine Pause oder eine Trennung vereinbart hatten. Wir hätten miteinander reden sollen, statt schweigend auseinander zu gehen. Vielleicht wüsste ich dann, welchen Platz ich derzeit in Estebans Leben hatte. Spürte er die Verbindung zwischen uns noch immer, so wie ich es tat? Bestand die Chance das Abkommen zwischen uns zu beenden und wieder da anzusetzen, wo wir aufgehört hatten? Wäre ein Neustart vielleicht die bessere Idee? Oder wäre es besser privat auch zukünftig getrennte Wege zu gehen. 

  "Esteban?", riss Charles Stimme mich aus meinen Gedanken. Unbewusst hatte ich den Blick offenbar wieder angehoben und meinen Teamkollegen angestarrt, der meinen Blick jedoch erwiderte und scheinbar ebenfalls durchs Charles zurück in die Realität geholt wurden war. Irritiert blinzelte er, ehe er zu Charles blickte. Dieser schaute irritiert zwischen Esteban und mir hin und her. 

Nicht einmal Charles wusste, was damals zwischen uns war. Ich hatte mit Niemanden drüber gesprochen. Es war über all die Jahre unser kleines Geheimnis geblieben, welches uns verband. 

  "Charles, du kannst wirklich zu Max gehen. Ich komme klar", griff ich unser vorheriges Gespräch wieder auf, weswegen ich skeptisch gemustert wurde. Gleichzeitig war Charles jedoch anzusehen, dass er das Angebot liebend gern annehmen würde. Lediglich die Sorge um mich hielt ihn davon ab zu seinem Niederländer zu gehen. Charles schaute zurück zu Esteban. 

  "Bleibst du bei ihm?" Kurz schaute Esteban in meine Richtung, ehe er leicht nickte. "Okay", gab Charles nach. "Wenn irgendwas ist, ruft ihr mich aber sofort an und ihr solltet auch bald ins Hotel, immerhin liegt noch das komplette Rennwochenende vor uns." Als Reaktion erhielt er von Esteban und mir nur ein Nicken. Für einige Sekunden musterte er uns noch, ehe er zögerlich das Zimmer verließ und mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Hotel zurückkehrte. 

Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die schließlich durch Esteban beendet wurde. 

  "Draußen ist es zum ersten Mal heute trocken. Wollen wir die Regenpause vielleicht nutzen und noch etwas rausgehen, bevor wir uns aufm Weg zum Hotel machen?" Nickend stand ich auf und folgte Esteban nach draußen. 

Der Boden war noch nass, doch hatten sich die Wolken zumindest soweit verzogen, dass vereinzelt Sterne zu sehen waren. Ich blieb stehen, um den Kopf in den Nacken zu legen und die Sterne zu betrachten. 

  "Meine Oma hat mir als Kind mal erzählt, dass jeder Mensch nach seinem Tod weiterlebt. Als Stern am Himmel und von dort den Hinterbliebenen den Weg leuchtet", erzählte Esteban, der ebenfalls stehen geblieben war und in den Nachthimmel blickte. Ich wandte meinen Blick von den Sternen ab, um stattdessen den Jüngeren zu mustern. Langsam ging ich auf ihn, weswegen nun auch Esteban seinen Blick wieder senkte und mich fragend ansah. 

Direkt vor ihm blieb ich stehen. Zögerlich hob ich eine Hand, um mit dieser nach der von Esteban zu greifen und anschließend unsere Finger miteinander zu verschränken. Sein Blick senkte sich auf unsere Hände. Für einen Moment befürchtete ich falsch gehandelt zu haben, doch drückte Esteban dann sanft meine Hand und lächelte mich, als sich unsere Blicke trafen, schüchtern an. Ich wagte es noch einen Schritt näher zu treten ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. 

Esteban legte seine freie Hand an meine Wange. Zeitgleich lehnte er sich zu mir vor. Ganz langsam kamen wir uns näher bis unsere Lippen schließlich zaghaft aufeinander trafen. Es fühlte sich vertraut und gleichzeitig komplett anders an. Wir waren nicht mehr die gleichen Personen wie vor fünf Jahren, aber das bedeutete nicht, dass nicht noch immer unsere Herzen füreinander schlugen. 

Vielleicht hätten wir damals miteinander reden sollen. Vielleicht hätten wir schon früher wieder zueinander finden können. Doch es spielte keine Rolle, was vielleicht gewesen wäre. Entscheidend war nur, dass wir nun wieder beieinander waren. Egal was das zwischen uns war, scheinbar spürten wir es beide und bestand zumindest die Chance gemeinsam herauszufinden, wohin uns das führen würde. 

Als wir den Kuss lösten, sahen wir uns einfach lächelnd in die Augen. Unsere Finger waren noch immer miteinander verschränkt, während Estebans zweite Hand an meiner Wange ruhte. Ich hatte mich mit meiner freien Hand haltsuchend an Estebans Jacke geklammert. 

Esteban hob den Blick Richtung Himmel, wo sich die Wolken nun komplett verzogen hatten und den Sternenhimmel in seiner vollen Pracht präsentierte. 

  "Wenn deine Oma Recht hat, würde ich das als Zustimmung interpretieren", lächelte ich. 

  "Omas haben immer Recht", erwiderte Esteban, ehe er mir einen kleinen, unschuldigen Kuss auf die Lippen hauchte, der mein Lächeln jedoch sofort noch breiter werden ließ. Ich ließ seine Jacke los, um die Hand stattdessen in seinen Nacken zu legen. Sanft zog ich den Größeren wieder näher zu mir, um ihn erneut zu küssen. 

  "Ich hab dich vermisst", flüsterte ich zwischen einzelnen Küssen.

  "Ging mir genauso." Ein weiterer Kuss folgte. 

  "Dann sind wir uns hoffentlich auch einig, dass wir es nicht nochmal dazu kommen lassen werden, oder?" 

  "Nie wieder", stimmte Esteban zu, wobei er mich enger an sich drückte und den Abstand zwischen unseren Lippen wieder überbrückte. 

Einander sanft küssend standen wir Hand in Hand unterm Sternenhimmel und ich schwor mir, ihn nie wieder gehen zu lassen. 

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