DAY 8 /2

Vito schaut mich mit einem Ausdruck an, der irgendwo zwischen Scham und Panik liegt. "Yuna, beruhig dich bitte. Lass es mich erklären", stammelt er, aber seine Worte kommen so bruchstückhaft und leise, dass sie meine Wut nur noch weiter anheizen.

Ihm ist die Situation sichtlich unangenehm, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

"Erklären?" Meine Stimme überschlägt sich fast. "Was gibt es da zu erklären, Vito? Sag mir einfach die Wahrheit, verdammt! Wer ist Mia?"

"Wie kommst du denn auf Mia?", fragt er ratlos, seine Augen huschen unruhig über mein Gesicht.

"Weil sie dir geschrieben hat, Vito! Dass sie dich vermisst und dich wiedersehen will. Also sag mir jetzt die Wahrheit. Wer ist Mia? Betrügst du mich mit ihr?"

Mein Herz hämmert in meiner Brust und ich merke, wie meine Hände zittern, während ich sie zu Fäusten balle.

Vito fährt sich mit einer Hand durch die blonden Haare und atmet schwer aus. "Bist du verrückt? Ich würde dich niemals betrügen! Mia ist.. Mia und ich hatten.."

Er stockt und sieht kurz weg, als würde er nach den richtigen Worten suchen. "Wir hatten ein paar Monate lang eine Freundschaft plus. Es war nichts Ernstes. Es war eher eine zwanglosa Affäre. Keine Gefühle, kein Drama."

Seine Worte treffen mich wie ein Schlag. "Freundschaft plus? Keine Gefühle?" Ich starre ihn ungläubig an, meine Stimme ein scharfes Flüstern. "Soll das jetzt eine Entschuldigung sein?"

"Das war, bevor du und ich wieder Kontakt hatten", sagt er hastig und hebt beschwichtigend die Hände, als wolle er mich beruhigen. "Als wir uns auf Mallorca wiedergetroffen haben, und sich abgezeichnet hat, dass sich wieder etwas zwischen uns entwickelt, habe ich das mit ihr beendet. Ich wollte nie eine Beziehung mit ihr, sie wollte auch keine mit mir. Es war einfach ein Arrangement zur gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung." Er klingt fast verzweifelt, als wolle er sich rechtfertigen.

Seine Wangen sind leicht gerötet, seine grüngrauen Augen flackern unruhig.

"Bedürfnisbefriedigung", wiederhole ich mit kalter Stimme und spüre, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. Tränen steigen mir in die Augen, aber ich schlucke sie mühsam hinunter.

"Wenn du das mit ihr beendet hast, warum schreibt sie dir dann heute Morgen, dass sie dich vermisst und bald wiedersehen will, Vito?"

Er seufzt schwer und reibt sich über das Gesicht. "Ich weiß es nicht, Yuna. Ich schwöre dir, ich habe seit Monaten keinen Kontakt mehr mit ihr gehabt. Schon auf Mallorca habe ich ihr geschrieben, dass wir uns zukünftig nicht mehr treffen können, weil ich eine Freundin habe. Ich lüge dich nicht an. Ich kann dir den ganzen Verlauf zeigen, wenn du willst. Da steht alles schwarz auf weiß. Ich habe das mit Mia beendet, als wir beide uns wieder angenähert haben, und danach gab es auch keinen Kontakt mehr zwischen uns."

Ich starre ihn an, die Tränen fließen jetzt unkontrolliert über meine Wangen. "Das erklärt trotzdem nicht, wieso sie dir an Neujahr so eine Nachricht schickt."

"Das weiß ich doch auch nicht! Vielleicht war sie einfach betrunken, okay?", sagt er jetzt gereizt, fast frustriert. "Ich habe keinen blasssen Schimmer, warum sie mir schreibt. Ich habe die Nachricht im Gegensatz zu dir bisher noch nicht einmal gesehen, Yuna!"

Ich will ihm glauben. Ich will, dass das alles ein Missverständnis ist und es eine harmlose Erklärung gibt. Aber in meinem Kopf schwirrt immer wieder dieser eine Gedanke: Was, wenn er lügt?

Vito greift nach meiner Hand und ich lasse ihn geschehen. Er zieht mich diskussionslos mit sich ins Schlafzimmer, drückt mich behutsam aufs Bett und nimmt sein Handy vom Nachttisch.

Ohne zu zögern entsperrt er das Display und öffnet den Verlauf. Kurz fliegen seine Augen über den Bildschirm, er scheint ihre Nachricht zu lesen, dann dreht er das Smartphone zu mir.

Mit dem Finger deutet er auf die vorherigen Nachrichten. "Hier, die letzte Nachricht ist von Juli. Dazwischen gab es keinen Kontakt, wie du siehst. Ich habe ihr zuletzt geschrieben: "Mia, ich muss unsere Liaison beenden. Ich habe endlich eine zweite Chance bei der Frau, die ich liebe, und das darf ich unter keinen Umständen versauen. Ich wünsche dir alles Gute." Sie hat geantwortet: "Das klingt schön, Vito. Ich wünsche dir von Herzen viel Glück mit ihr. Wenn es nicht klappt, weißt du ja, wie du mich erreichst."

Peinlich berührt über den letzten Satz legt er sein Handy achtlos neben sich auf die Bettdecke.

"Wie kannst du nur denken, dass ich das, was wir haben, was wir endlich wiedergefunden haben, für belanglosen Sex ruinieren würde? Denkst du wirklich, ich wäre so dumm, dich zu betrügen, Yuna? Du bist die Liebe meines Lebens. Für mich bist du die perfekte Frau: wunderschön, liebevoll, loyal, ehrliche, eine Granate im Bett.." Er grinst schief. "Was soll ich denn bei einer anderen Frau, wenn ich dich habe? Vor allem, wenn ich dich vier Monate lang so schmerzlich vermisst habe? Denkst du, dann habe ich nichts besseres zu tun, als fremdzugehen?"

Noch immer laufen Tränen über meine Wangen. Plötzlich fühle ich mich wie ein Idiot und schäme mich für meine Gedanken. "Es sah so eindeutig aus", wispere ich und beiße mir auf die Unterlippe.

Vito wischt mit seinen Daumen liebevoll die Tränen von meinen Wangen. "Kann ich verstehen. Aber ich schwöre, ich sage dir die Wahrheit: ich habe keine Ahnung, welcher Teufel sie geritten hat, dass sie mir so eine Nachricht schickt, aber ich habe seit Monaten nichts mehr von ihr gehört. Ich habe dich nie betrogen, und ich werde dich nie betrügen. Ich liebe dich, Yuna, und ich will nur dich."

"Ich liebe dich auch, wirklich. Es tut mir leid, dass ich mich so aufgeführt habe", räume ich ein.

Vito winkt ab. "Falls sowas nochmal passiert, oder du Zweifel hast, frag mich einfach, bevor du dich so in etwas reinsteigerst." Er drückt mir einen liebevollen Kuss auf die Lippen und umarmt mich.

"Weißt du, eigentlich wollte ich dir gestern eine wichtige Frage stellen, aber irgendwie hat sich nicht der richtige Moment ergeben."

Mir wird heiß und kalt zugleich. Vito wird mir doch jetzt nicht etwa einen Antrag machen?

Er nestelt an seinem Koffer herum und zieht eine winzig kleine Schachtel heraus.

Bitte. Kein. Ring.

Mein Herz rast und meine Finger werden feucht. Auch wenn ich für immer mit Vito zusammen sein will, wäre eine Verlobung zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig zu früh.

"Wenn du wirklich an der Ernsthaftigkeit meiner Gefühle zu dir zweifelst, kann ich dir nur sagen, dass du auf dem Holzweg bist", verkündet er dramatisch.

Mein Hals schnürt sich zusammen.

Bitte. Kein. Ring.

Als er die kleine Schachtel öffnet, traue ich mich in der erste Sekunde kaum, hinzusehen. Doch dann entdecke ich einen winzig kleinen, silbernen Schlüssel mit Karabinerhaken.

"Yuna, ich wollte dich fragen, ob du zu mir ziehen willst? Du weißt ja, ich habe mittlerweile Eigentum und auch wenn deine Wohnung viel stilvoller eingerichtet ist - du kannst alles mitnehmen, und es für uns gemeinsam schön machen. Du musst keine Miete mehr zahlen, und ich muss nicht mehr ohne dich sein. Winwin quasi."

Ich sehe ihn ungläubig aus großen Augen an, doch Vito plappert immer weiter. "Ich weiß, dass das schnell ist, und ich habe auch vollstes Verständnis, wenn dir das zu schnell geht, aber ich kann nicht ruhig schlafen, wenn ich es nicht wenigstens versucht habe."

Meine Lippen formen ein zittriges Lächeln, während ich zu dem kleinen Schlüssel in seiner Hand blicke. Die Wärme, die sich in meinem Herzen ausbreitet, lässt die Unsicherheit und die Tränen der letzten Stunde schlagartig verblassen.

"Du willst, dass wir zusammenziehen?", frage ich leise, immer noch überwältigt von der Situation.

Vito nickt entschieden. "Ja, Yuna. Ich will jeden Morgen mit dir aufwachen, mit dir zusammen essen, mit dir abends gemeinsam einschlafen. Ich will einfach mehr Zeit mit dir verbringen, unser Leben teilen. Es fühlt sich für mich richtig an."

Ich schlucke schwer, dann schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. "Das klingt wirklich schön. Ja, ich würde gerne bei dir einziehen."

Sein Gesicht hellt sich auf und er atmet erleichtert aus. "Wirklich?"

Ich lache leise und nicke. "Ja, wirklich. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich denke, wir sind bereit für diesen nächsten Schritt."

Er zieht mich in eine feste Umarmung, seine Arme halten mich, als wolle er mich nie wieder loslassen. "Das ist der beste Start ins neue Jahr, den ich mir wünschen konnte." "

Als wir uns voneinander lösen, reicht er mir die kleine Schachtel. "Hier, der Schlüssel ist für dein Armband."

Er nimmt mein Handgelenk, an dem das zierliche Armband funkelt, das er mir erst vor wenigen Tagen geschenkt hat. "Ich habe doch gesagt, dass du damit unsere gemeinsamen Meilensteine und Erinnerungen sammeln kannst."

Ich nicke, Tränen der Rührung glitzern in meinen Augen. "Der Schlüssel steht also fürs Zusammenziehen?"

Vito grinst und befestigt ihn mit dem kleinen Karabinerhaken an meinem Armband. "Genau."

Ich sehe ihn an, spüre die Wärme in seinem Blick. "Du bist wirklich zuckersüß", flüstere ich und lege meine Hand auf seine Wange.

Er küsst mich sanft, und für einen Moment scheint die Welt stillzustehen. Die Zweifel und die Angst von vorhin verschwinden vollständig, ersetzt durch das Gefühl von Geborgenheit und Liebe.

Vito war mein Leben lang der einzige Mensch, der mir das Gefühl von Familie und Zuhause gegeben hat. Zukünftig mein Zuhause mit ihm zu teilen, scheint da nur der nächste logische Schritt zu sein.

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