DAY 8 /1

Ich habe keine Ahnung, wann wir gestern im Bett waren, doch als mich ein tiefes Brummen aus dem Schlaf reißt, war die Nacht definitiv noch zu kurz.

Verschlafen blinzele ich gegen das helle Licht. Auf einmal brummt es erneut, dreimal kurz hintereinander. Vitos Handy, das auf dem Nachttisch liegt, vibriert und signalisiert eine neue Nachricht.

Wer schreibt ihm denn um diese Uhrzeit?

Mehr aus Reflex als aus Misstrauen werfe ich einen Blick auf das aufleuchtende Display und bereue es sofort. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich "Mia" lese. Neben ihrem Namen ist ein kleines Profilbild zu sehen. Eine dunkelhaarige Frau mit leuchtenden, braunen Augen und einem strahlenden Lachen auf den roten Lippen. Bevor ich sehen kann, was sie Vito geschrieben hat, wird der Bildschirm schwarz.

Mein Herz schlägt schneller.

Wer ist Mia? Und was will sie um diese Uhrzeit von Vito?

Ich liege wie erstarrt da, während mein Blick immer wieder zu seinem Handy auf dem Nachttisch wandert.

Soll ich nachsehen, was sie ihm geschrieben hat? Mir ist klar, dass sich das nicht gehört, und dass Vito das zurecht als Vertrauensbruch werten wird.

Andererseits sind irgendwelche morgendlichen Nachrichten von Mia mit dem roten Kussmund für mich auch ein Vertrauensbruch.

Das ungute Gefühl in meinem Bauch lässt nicht nach. Ich kämpfe mit mir selbst, drehe mich weg, schüttele den Kopf. Aber im nächsten Moment sehe ich doch wieder auf sein Smartphone.

"Nur ein Blick. Nur auf den Sperrbildschirm. Mehr nicht", rede ich tonlos auf mich selbst ein. "Wenn ich schneller gewesen wäre, hätte ich die Nachricht ohnehin gerade schon gelesen", relativiere ich mein eigenes Fehlverhalten.

Mit zitternden Händen nehme ich das Handy und drücke vorsichtig auf den Knopf, um den Bildschirm aufleuchten zu lassen.

Die Nachricht erscheint sofort: "Frohes neues Jahr, Vito! 🥂 Ich hoffe, du bist gut reingerutscht. Ich vermisse dich.. Hoffentlich können wir uns bald mal wiedersehen. Kuss, Mia."

Mein Herz sackt in die Tiefe. Die Worte blitzen vor meinen Augen auf wie ein Warnsignal.

"Ich vermisse dich." Die Gewissheit, dass eine andere Frau ihm so etwas schreibt, lässt mich kaum atmen. Wer ist sie? Eine Ex-Freundin? Jemand, mit dem er heimlich Kontakt hat? Und warum vermisst sie ihn?

Mir wird schlecht. Mein Griff um das Handy lockert sich und ich ziehe wie in Trance meine Hand wieder zurück. Der Bildschirm erlischt, doch der Knoten in meiner Brust bleibt.

Ich kann keine Sekunde länger hier neben ihm liegen bleiben und so tun, als wäre nichts.

Leise schlüpfe ich aus dem Bett, um Vito nicht zu wecken, und ziehe mir hektisch einen Jogginganzug über. Mein Herz rast, während ich versuche, keinen Laut von mir zu geben. Mias Worte brennen sich in meinen Kopf ein und das ungute Gefühl in meinem Magen wächst sekündlich.

Als ich die Schlafzimmertür hinter mir leise schließe, schlinge ich die Arme um meinen Körper. Die kalte Luft im Flur tut gut, aber gleichzeitig zittere ich - vor Kälte oder vor Wut weiß ich nicht genau.

"Wer ist Mia?", schießt es mir immer wieder durch den Kopf. Ich habe noch nie von einer Mia in seinem Leben gehört.

Ich gehe in die Küche, greife mechanisch nach einem Glas Wasser und setze mich auf einen der Stühle am Tisch.

Der Rest der Gruppe scheint zum Glück noch zu schlafen, denn es ist totenstill im Chalet.

Die Gedanken kreisen unaufhörlich. Mein Magen rebelliert und ich spüre die Tränen in meine Augen steigen. Ich muss raus. Frische Luft. Bewegung. Irgendetwas, das mich von diesem Gefühl der Machtlosigkeit ablenkt. Mit fahrigen Händen öffne ich die Terrassentür, trete nur mit meinen Pantoffeln hinaus in den weißen Schnee und ziehe die Kapuze meines Pullovers schutzsuchend über den Kopf.

Mein Blick gleitet über die verschneite Landschaft, die so viel friedlicher ist, als das Chaos in mir drin.

Was soll ich jetzt machen? Soll ich Vito mit der Nachricht konfrontieren? Soll ich ihn einfach fragen, wer Mia ist? Aber wer sagt, dass er mir dann die Wahrheit verrät.. Er kann mir schließlich alles erzählen.

Wenn Mia seine heimliche Affäre ist, wird er das wohl kaum eingestehen.

Tränen steigen in meine himmelblauen Augen. Es fröstelt mich so sehr, dass ich Gänsehaut am ganzen Körper bekomme. Verzweifelt fahre ich mir mit den langen Nägeln durch die blonden Haare.

Kann es sein, dass ich mich wirklich so sehr in ihm getäuscht habe?

Ich stehe draußen, keine Ahnung wie lange. Der kalte Schnee unter meinen Pantoffeln und die eisige Luft, die meine Wangen brennen lässt, tun nichts, um die Flut der Gedanken in meinem Kopf zu beruhigen. Mein eigener Atem steigt in kleinen Wölkchen vor mir auf, mein Blick schweift immer wieder in die Ferne.

Plötzlich reißt eine Stimme mich aus meinem Grübeln. "Yuna, da bist du ja!" Vito kommt in einem schwarzen Jogginganzug mit riesigem Nike-Emblem auf der Brust durch die offene Terrassentür auf mich zugelaufen. Seine Stirn ist gerunzelt, sein markanter Kiefer angespannt, seine Stimme klingt erleichtert.

"Ich habe dich überall gesucht! Was machst du hier draußen in der Kälte?" Er bleibt vor mir stehen, zieht seinen Pullover demonstrativ enger um seinen bulligen Körper und mustert mich, als wäre ich verrückt geworden.

"Bist du noch betrunken?" Er lacht, ein weiches, unbekümmertes Lachen, und versucht, mir einen Arm um die Schultern zu legen.

Ich ziehe mich instinktiv zurück und schiebe ihn entschieden weg. "Fass mich nicht an", schieße ich mit scharfer Stimme und sehe ihm direkt in die Augen. Das Lächeln auf seinen Lippen erstirbt und Verwirrung macht sich in seinem Gesicht breit.

"Was ist denn los?", fragt er jetzt deutlich ernster.

Ich verschränke wütend die Arme vor der Brust. "Du fragst mich, was los ist? Vielleicht solltest du mir das sagen." Meine Stimme zittert vor Wut, mehr, als mir lieb ist.

Er starrt mich an, immer noch ahnungslos.. Oder tut er nur so? "Wovon redest du, Yuna?"

Ich sehe ihm richtig an, wie er sich zwingt, ruhig zu bleiben. Seine Augen sind starr, seine markanten Gesichtszüge verhärtet. Dass er es schafft, immer so die Fassung zu wahren, macht mich in dem Moment nur noch wütender.

Am liebsten würde ich ihn an den Schultern packen und schütteln, bis die Wahrheit aus ihm herausfällt, wie die Schneeflocken aus den Wolken.

Ich beiße mir auf die Zunge, heiße Tränen steigen in meine Augen. Meine Fingerspitzen sind eiskalt, sodass ich sie selbst durch den dicken Pullover spüren kann.

Dann formen meine Lippen voller Verachtung einen Namen, drei Buchstaben, eine Silbe: "Mia."

Sein Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig. Das leichte Zucken seines Augenlids entgeht mir nicht. Er wirkt überrascht und völlig überrumpelt. Er schluckt schwer, und ich merke, wie sich mein Herz zusammenzieht.

Fuck, es stimmt wirklich. Vito betrügt mich.

"Wie kommst du denn auf Mia?"

Ist er so blöd, oder tut er nur so?

Wut kocht in mit hoch, schießt Adrenalin durch meine Blutbahn. Mein Herz rast, mein Mund wird ganz trocken.

"Erklär mir doch erstmal, wer zur Hölle Mia ist?"

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