DAY 5 /1
"Also, was wollt ihr heute machen: Ski fahren, oder die Snowmobiltour?", fragt Pepe am fünften Tag am Frühstückstisch und schmiert sich Honig auf sein Brötchen.
"Wir wollten auch noch Nachtrodeln", erinnert Asya ihren Freund.
"Nackt rodeln?", hakt Nino nach, seine blauen Augen weiten sich amüsiert. Asya verdreht die Augen. "Kannst du gerne machen, aber ohne mich."
"Wir müssen vor allem besprechen, was wir an Silvester machen", werfe ich ein, bevor ich einen Schluck Kaffee trinke.
"Was steht denn zur Auswahl?", erkundigt Vito sich unwissend.
"Entweder wir gehen zu diesem Galadinner auf der Festung Hohensalzburg, das habe ich damals gleich mit dem Chalet reserviert, oder wir fahren nach Zell am See, dort finden einige Après-Ski-Silvesterfeiern direkt auf den Pisten statt", erklärt Pepe, unser passionierter Reiseleiter.
"Achso, dann ist doch klar, was wir machen", entgegnet Nino schulterzuckend. "Après-Ski natürlich."
Asya hebt den Zeigefinger und schüttelt energisch den Kopf. "Oh nein, nein, nein, Don Juan. Après-Ski gab's gestern, und meinetwegen auch heute nochmal, aber an Silvester können wir uns richtig schick machen und zu diesem feinen Galadinner gehen."
Ich nicke zustimmend. "Ich fänd das auch schön, das ist mal was anderes. Wann hat man schon mal die Chance, auf einer echten Burg Silvester zu feiern? Außerdem hab ich mir extra für diesen Anlass ein heißes neues Abendkleid gekauft."
"Da hab ich doch eh nix von. Wenn ich zulange gucke, haut Vito mir eine rein", schmollt Nino.
Vito lacht auf, dementiert aber auch nicht.
"Ich bin tatsächlich auch für das Galadinner und damit ist das eine Mehrheitsentscheidung", beschließt Pepe kurz und schmerzlos. "Kommen wir zurück zu unseren heutigen Plänen."
"Wenn ich schon Silvester im steifen Anzug bei klassischer Musik und Rotwein verbringen muss, statt mir gnadenlos zu billiger Schlagermusik den noch billigerem Alkohol reinzuorgeln, will ich wenigstens heute nochmal zum Après-Ski. Vorgestern, ohne Yuna, war das nur halb so spaßig."
"Tz", zischt Asya gespielt beleidigt und zieht einen theatralischen Schmollmund.
Ich schenke ihm ein ehrliches Lächeln. "Also Ski fahren und Après-Ski, wie wir es eigentlich vorgestern geplant hatten, bis etwas dazwischen kam.."
"Boah!", entfährt es Vito entsetzt und er lacht auf. "Es kam etwas dazwischen? Da komme ich aus einem Kriegsgebiet, fliege um die halbe Welt für dich, um dann zu hören, dass ich dir dazwischen gekommen bin?"
Beschwichtigend lege ich meine Hand auf seine und drücke ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. "Das habe ich nicht so gemeint, und das weißt du auch."
Er verdreht die Augen, gibt sich aber geschlagen. "Außerdem könnt ihr alle gerne Ski fahren, ich gehöre zu den Coolen und die fahren bekanntlich Snowboard."
Pepe reißt begeistert die Hände in die Luft. "Stimmt, du bist ja ein Boarder. Ich bin dabei. Endlich Action!" Seine braunen Augen leuchten vor Begeisterung.
Nino schüttelt sofort den Kopf, beißt beherzt in sein Brötchen und lehnt sich zurück. "Viel Spaß euch beiden, ich bleibe bei meinen Skiern."
"Ach komm schon, Nino", sagt Vito und lehnt sich mit einem Grinsen über den Tisch. "Snowboarden ist viel cooler. Das wird auch den Mädels besser gefallen, wenn du da über die Kicker springst."
"Mädels hin oder her, die überzeuge ich auch mit meinem Charme und meinem guten Aussehen", kontert Nino mit gespielter Überlegenheit. "Außerdem will ich Geschwindigkeit, keine albernen Tricks."
Pepe schnaubt. "Geschwindigkeit? Du? Bisher bist du immer nur mit Yuna über die Piste geschlichen."
"Ey!", schimpfe ich und hebe mahnend einen Zeigefinger.
"Ja, ich hatte doch den Auftrag, sie im Auge zu behalten", ruft Nino entrüstet. Ich werfe Vito einen kurzen Seitenblick zu, doch seine Miene ist unergründlich.
Asya bricht in Lachen aus und versucht, die Wogen zu glätten. "Also, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber Yuna und ich haben uns die letzten Tage mühsam ans Skifahren gewöhnt, da bleiben wir auch dabei."
Ich nicke energisch. "Genau. Ich habe gerade erst heraus gefunden, wie man ohne Sturz den Lift verlässt. Ich fange nicht noch mit Snowboarden an. Danke, aber nein danke. Ich will den Urlaub mit allen Knochen heil beenden."
"Dann machen wir es so", schlägt Asya versöhnlich vor, um die Diskussion zu beenden. "Vito und Pepe fahren Snowboard und wir anderen bleiben bei Skiern, aber wir fahren alle zusammen. Einverstanden?"
Kollektive Zustimmung hallt durch den Raum. Wir beenden guter Laune das Frühstück, bevor wir uns fertig machen und wenig später dick eingemummelt zum Skigebiet aufbrechen.
Auf dem Weg zur Talstation sind alle voller Vorfreude. Die verschneite Landschaft gleitet an uns vorbei, die Sonne scheint warm auf unsere Gesichter und der frische Schnee glitzert im Licht. Pepe und Vito tauschen sich aufgeregt über ihre letzten Snowboarderfahrungen aus, während wir in unseren schweren Skischuhen zum Sessellift stapfen.
Nino, mein Partner der letzten Tage, lässt Vito den Vortritt, sodass wir gemeinsam in einem Sessel fahren können.
Der Sessellift setzt sich ruckelnd in Bewegung, und wir gleiten langsam den Berg hinauf. Neben mir sitzt Vito, in seiner schwarzen Skihose und der grauen Jacke. Seine blaue Skibrille ist nach oben auf den Helm geschoben, sodass ich seine grünen Augen sehen kann, die mit der Schönheit der Landschaft zu konkurrieren scheinen. Das Snowboard baumelt sicher an seinen Füßen, während wir durch die Luft schweben.
Ich lehne mich leicht an ihn und spüre die wohlige Wärme, die von ihm ausgeht und selbst durch die Schichten unserer Kleidung dringt. "Ich bin so froh, dass du jetzt auch hier bist", sage ich leise und sehe ihn von der Seite an. "Ohne dich hat einfach etwas gefehlt."
Unter uns gleitet eine Märchenlandschaft vorbei. Dichte, schneebedeckte Wälder und weite weiße Hänge wechseln sich ab. Der Himmel ist strahlend blau, nur ab und zu ziehen kleine weiße Wolken wie Wattebäusche über den Horizont.
"Bist du schon oft Snowboard gefahren?", frage ich neugierig.
Er nickt. "Ja, seit vier Jahren fahre ich jedes Jahr mit Nino und Pepe zusammen in den Skiurlaub."
Plötzlich kommt mir ein Geistesblitz und ich frage schmunzelnd: "Apropos Nino: Sollte er wirklich auf mich aufpassen?"
Vito zieht eine Augenbraue hoch. "Klar. Denkst du, ich will, dass du dir das Genick brichst?"
"Oder dir das Herz?", schieße ich zurück.
Er grinst breit, der Wind spielt mit einer losen Haarsträhne, die unter meinem Helm hervorschaut. "Er sollte auch ein Auge darauf haben, dass dir niemand zu nahe kommt, ja", räumt er ein, seine Stimme tief und rau.
Ein angenehmer Schauer fährt mir über den Rücken. Der neue Vito ist fürsorglich und aufmerksam, das gefällt mir so gut an ihm.
Oben angekommen ist die kalte Winterluft erfüllt von Gelächter, dem Knirschen des Schnees und lebhaften Gesprächsfetzen, die aus allen Himmelsrichtungen schallen.
Die Männer stecken ihre Köpfe zusammen und planen unsere Route. "Wie wär's mit der Panorama-Abfahrt? Die ist lang und nicht zu schwierig", schlägt Pepe vor. Alle nicken, und die Gruppe macht sich auf den Weg.
Mein Blick liegt natürlich auch während der Fahrt auf Vito. Es imponiert er, wie wahnsinnig gut der muskulöse Mann fährt. Ich habe seine Fähigkeiten auf dem Board definitiv unterschätzt.
Er ist eins mit dem Snowboard, legt sich athletisch in die Kurven und kann auf den Kicks, den kleinen Rampen im Schnee, sogar einige Tricks, wie einen Ollie, Slash oder Tripod. Er bewegt sich geschickt und athletisch. Ich muss ihn unbedingt mal fragen, ob er in seiner Jugend auch Skateboard gefahren ist. Anders kann ich mir seine Fähigkeiten nicht erklären.
Auch ich werde immer besser, nehme die Kurven noch dynamischer, fahre schneller und sicherer. Das Freiheitsgefühl, dass das Ski fahren in mir auslöst, ist unbeschreiblich und ich bereue, nicht schon viel eher das Ski fahren ausprobiert zu haben.
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