DAY 2 /2

Schon bald nähern wir uns der Gipfelstation. Asya und Pepe steigen vor uns aus, dann schieben Nino und ich uns aus dem Lift und landen sanft auf der Piste. Ich atme erleichtert auf, als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen habe. So schön die Aussicht auch war, so mulmig war das Gefühl in meinem Magen zwischenzeitlich.

"Okay, Yuna, diesmal machen wir es richtig", motiviert Nino mich, als wir am Start der Abfahrt stehen. Seine blauen Augen funkeln vorfreudig. "Ich fahre direkt vor dir und du bleibst in meiner Spur. Alles mit Gefühl, locker bleiben und keine Panik, wenn es mal schneller wird. Du schaffst das."

Ich nicke entschlossen und richte meinen Blick nach vorne. Die sanft geschwungene Abfahrt liegt vor uns, die Sonne glitzert auf der makellos weißen Schneedecke, und ich spüre, wie mein Puls steigt. Neben uns stehen Asya und Pepe, die uns kurz zuwinken, bevor sie losfahren. Pepe gibt sein übliches Tempo vor, das eher einem Raketenstart gleicht, doch Asya kommt erstaunlich gut hinterher. Ich schüttele schmunzelnd den Kopf und konzentriere mich auf Nino.

"Bereit?", fragt er. "Bereit!", antworte ich. Kaum, dass ich es ausgesprochen habe, stößt er sich ab. Ich folge ihm, meine Skier gleiten über den Schnee. Am Anfang bin ich noch etwas zögerlich, aber ich spüre, wie mein Körper sich zunehmend an die Bewegungen gewöhnt.

"Beuge die Knie ein bisschen mehr!", ruft Nino über seine Schulter. "Ja, genau so! Jetzt in die Kurve gehen, schön geschmeidig."

Ich tue, was er sagt, und zu meiner Überraschung klappt es wirklich. Die Kurve fühlt sich natürlich an, fast wie eine Bewegung im Tanz. Der Schnee knirscht leise unter meinen Skiern, während ich das Tempo steigere. Der Wind streicht an meinem Gesicht vorbei, und ich spüre, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.

Nino hebt einen Daumen nach oben, während er leicht vor mir den Hang hinunterzieht. Seine Bewegungen sind mühelos, fast spielerisch, und ich versuche, seine Schwünge zu imitieren.

Je weiter wir fahren, desto sicherer fühle ich mich. Die Unsicherheit, die ich am Anfang hatte, verfliegt, und an ihrer Stelle kommt dieses berauschende Gefühl der Freiheit. Ich beuge mich tiefer, gehe flüssig in die nächste Kurve und spüre, wie mein Körper sich mit den Skiern zu einer Einheit verbindet.

"Perfekt!", höre ich Nino, als ich ohne Probleme die nächste Kurve nehme und ihm dicht auf den Fersen bleibe. Unten am Hang sehe ich Asya und Pepe, die schon auf uns warten.

"Okay, jetzt ein bisschen schneller, einfach gleiten lassen", fordert Nino mich auf. Ich atme tief durch, neige mich leicht nach vorne und lasse die Schwerkraft arbeiten. Meine Skier gleiten mit Leichtigkeit über den Schnee, das Tempo nimmt zu, doch anstatt Angst zu haben, fühle ich mich kraftvoll und frei.

Als wir unten ankommen, dreht sich Nino zu mir und grinst breit. Ich schieße hinter ihm her, bremse etwas wackelig ab und halte direkt neben ihm. Er streckt die Hand aus und ich klatsche lachend ein High Five mit ihm ab.

"Das war der Hammer!", rufe ich außer Atem, während ich die Arme triumphierend in die Luft strecke.

"Siehst du, ich habe es dir doch gesagt", erwidert Nino sichtlich zufrieden.

Pepe hebt anerkennend eine Augenbraue. "Nicht schlecht, Yuna. Wenn du so weitermachst, kannst du morgen mit mir eine schwarze Piste ausprobieren."

Ich lache und schüttele energisch den Kopf. "Bleiben wir erstmal bei blau, okay? Aber ich muss zugeben, dass es mir viel mehr Spaß macht, als ich für möglich gehalten hätte."

Wir stehen noch einen Moment zusammen, reden und lachen, bevor es wieder nach oben geht, bereit für die nächste Abfahrt.

Nachdem wir zum dritten Mal durch den Schnee bergab ins Tal gerast sind, gönnen wir uns eine Pause und lassen uns in einer Berghütte nieder, wo wir heiße Schokolade mit Sahne und dampfende Suppen genießen. Wir sitzen auf rustikalen Holzbänken in der Sonne, im Hintergrund dudelt leise Musik und ich schaufele ausgehungert eine riesige Portion Erbsensuppe in mich herein.

Als ich den Löffel auf dem leeren Suppenteller ablege und mich entspannt zurücklehne, werfe ich einen Blick auf mein Handy.

Keine Nachricht.

Ich beiße mir enttäuscht auf die Unterlippe. "Alles okay?", fragt Asya, die neben mir sitzt und mich aufmerksam betrachtet.

"Klar", antworte ich, schlucke den Kloß in meinem Hals herunter und täusche ein Lächeln vor.

Meine beste Freundin lässt sich davon aber nicht täuschen. "Hat er sich heute noch nicht gemeldet?"

Ich schüttele schweren Herzens den Kopf. "An Heiligabend hat er mich angerufen und mir frohe Weihnachten gewünscht. Gestern haben wir noch kurz geschrieben, aber seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört."

"Du weißt doch, dass er sich nicht immer melden kann", gibt sie zu bedenken und streichelt mir liebevoll über den Arm.

"Klar, aber traurig bin ich trotzdem."

Asya legt mir einen Arm um meine Schultern und zieht mich an sich. "Bald seht ihr euch wieder, okay?" Dann drückt sie mir einen Kuss auf die Wange und lächelt mich aufmunternd an. "Wie sieht's aus - fahren wir zur Ablenkung noch eine Runde?"

Ein verhaltenes, aber echtes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. "Na klar, jetzt habe ich Blut geleckt. Ihr werdet mich den restlichen Urlaub nicht mehr ohne Skier an den Füßen sehen."

"Ist das eine Drohung, oder ein Versprechen?", klinkt sich Nio in das Gespräch ein.

"Beides", erwidere ich und strecke ihm frech die Zunge raus.

Wir stehen auf und schlüpfen wieder in unsere Skistiefel, die nach der gemütlichen Pause schwerer erscheinen als zuvor. Doch die frische Winterluft, die uns draußen empfängt, belebt uns sofort. Gemeinsam stapfen wir Richtung Liftstation um den Rest des Tages auszukosten.

Die nächsten drei Abfahrten sind ein Mix aus Spaß und Geschwindigkeit. Pepe und Nino führen uns auf abwechslungsreiche Pisten, und Asya und ich werden immer sicherer. Ich spüre, wie mein Körper die Bewegungsabläufe langsam automatisiert. Selbst die Kurven und das Bremsen bereiten mir immer weniger Probleme.

Pepe schlägt zwischendurch vor, eine der schwereren Strecken auszuprobieren, doch ein kollektives "Morgen!" vom Rest der Gruppe beendet die aufkeimende Diskussion schnell.

Nach der letzten Abfahrt, die uns mit der tiefstehenden Sonne im Rücken den perfekten Abschluss bietet, stehen wir schnaufend am Ende der Piste. Meine Beine fühlen sich an wie Pudding und ich habe die Befürchtung, dass ich mich morgen kaum noch bewegen kann.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Parkplatz. Ursprünglich hatten wir geplant, nach dem Skifahren zum Aprés-Ski zu gehen, doch da sind wir auch noch nicht davon ausgegangen, dass wir so lange und exzessiv Ski fahren werden.

So erschöpft wie wir sind, beschließen wir einstimmig, das Feiern auf morgen zu verschieben.

"Ich muss auf jeden Fall noch was essen, sonst schaffe ich es nicht bis ins Bett", erklärt Pepe, während er seinen dunklen SUV durch die Dämmerung lenkt und deutet auf eine kleine Pizzeria am Straßenrand. "Was haltet ihr von Pizza?"

"Aber zum Mitnehmen", stöhnt Asya leidend, die genauso kaputt ist wie ich.

Zurück im Chalet breitet sich schnell Chaos aus. Wir ziehen die schweren Skistiefel aus, hängen unsere Schneekleidung zum Trocknen auf und lassen uns schließlich auf die Couch fallen, um uns über die köstlich duftende Pizza herzumachen.

Wir sind so ausgehungert, dass wir die Kartons kaum schnell genug auf den Tisch bekommen können. "Ich glaube, das ist die beste Pizza meines Lebens", verkündet Asya, während sie sich eine Serviette auf den Schoß legt und genüsslich ein Stück in den Mund schiebt.

"Das habe ich gerade auch gedacht", stimme ich ihr grinsend zu und nehme selbst einen großen Bissen von meiner Pizza Margherita. Die heiße, würzige Tomatensauce und der geschmolzene Käse sind genau das, was ich jetzt brauche.

Nach dem Essen schaffen wir es gerade noch, die leeren Kartons in die Küche zu bringen, bevor die Erschöpfung uns endgültig einholt und sich jeder müde in sein Zimmer verabschiedet.

Als ich schließlich in meinem warmen Bett liege und die Augen schließe, spüre ich ein schweres Ziehen in meinen Muskeln. Der Tag war anstrengend, aber auch wunderschön. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so viel Spaß am Ski fahren haben werde und freue mich schon darauf, morgen wieder auf der Piste zu stehen.

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