DAY 1 /1

"Endlich wieder Urlaub", seufzt Asya und breitet sich neben mir auf der Rückbank von Pepes SUV aus. Die schöne dunkelhaarige Türkin trägt für die lange Autofahrt einen bequemen hellgrauen Jogginganzug und hat ihre Haare notdürftig zu einem Dutt gebunden.

Ihr Freund Pepe hat sich bereit erklärt, die rund 400 Kilometer bis ins Salzburger Land zu fahren, wo wir einen gemütlichen Winterurlaub miteinander verbringen wollen. Sein bester Freund Nino, der auf dem Beifahrersitz sitzt, ist der Ersatzkandidat, falls er einen Fahrerwechsel braucht.

Gestern war Heiligabend und wir haben zu dritt gefeiert - meine Mutter, ihr aktueller Freund, der vierte, falls ich mich nicht verzählt habe, seit sie sich endlich von meinem Vater getrennt hat, und ich.

Thorsten ist ein langweiliger Bürohengst mit rahmenloser Brille und einer Schwäche für belanglose Smalltalk-Themen. Er ist keine Katastrophe, es ist eher die Tatsache, dass er überhaupt da war, die mich stört.

Zum Essen gab es trockene Ente, Rotkohl und Klöße aus dem Discounter. Der Wein war billig, aber immerhin stark genug, um den Abend erträglicher zu machen. Es war eine Anstandsveranstaltung, ein Pflichttermin, den ich wohlwollend überstanden haben, weil an Weihnachten allein zu sein die noch schlechtere Option gewesen wäre.

Mein Wunschweihnachten hätte ganz anders ausgesehen. Umso mehr freue ich, dass wir schon heute, am ersten Weihnachtstag, aufbrechen, raus aus der Stadt, in die verschneiten Berge, und es uns zehn Tage lang im Salzburger Land gutgehen lassen.

Die Stimmung im Auto ist ausgelassen und ich freue mich auf einen entspannten Winterurlaub mit der selben Truppe, mit der wir im Sommer zehn wunderschöne Tage auf Mallorca verbracht haben.

Zumindest fast, denn wir haben uns beinahe auf die Hälfte reduziert. Sean und Kayla mussten wegen familiärer Verpflichtungen passen, Vito ist noch im Auslandseinsatz in Afghanistan.

Ich schiebe den Gedanken an ihn beiseite und lasse stattdessen meinen Blick über die Landschaft schweifen, die am Auto vorbeizieht.

Vor uns windet sich die schmale Straße durch einen zauberhaft verschneiten Wald und ich kann mich kaum sattsehen an den großen, schneebedeckten Tannen, die aussehen, als wären sie einem Wintermärchen entsprungen. Die Bäume stehen so dicht und hoch, dass kaum Sonnenlicht hindurch fällt, weshalb die Umgebung in einem gemütlichen Dämmern liegt. Nur hier und da blitzt ein Sonnenstrahl durch die Baumkronen, tanzt auf dem Schnee und wirft kleine funkelnde Sterne auf den Weg vor uns.

Die Stille, die der Schnee über alles legt, hat etwas Magisches. Fast wie ein Versprechen auf Ruhe, auf Entspannung und auf eine Auszeit, die ich mehr brauche, als ich mir eingestehen möchte.

Als wir nach guten vier Stunden Fahrt endlich an unserem Ziel angelangen, und am Gut Wenghof Resort parken, verschlägt mir die Schönheit dieses Ortes beinahe die Sprache.

Die imposante Anlage erstreckt sich großzügig, eingebettet in die umliegenden weißen Berge, als wäre sie Teil des Winterwunderlands. Das Hauptgebäude mit seiner imposanten Holzkonstruktion, den großen Fenstern und den warm leuchtenden Lichtern wirkt einladend und idyllisch. Ringsum stehen die edlen Chalets, verstreut wie kleine Tannenzapfen im Schnee.

Beim Aussteigen trifft uns die klare, kalte Winterluft. Der Boden knirscht unter unseren Schuhen, und Asya wirft ihren dicken Daunenmantel über, während ihr Freund uns zur Eingangstür des Hauptgebäudes lotst, wo wir einchecken.

Unsere Unterkunft liegt etwas abseits vom Hauptgebäude, inmitten von Nadelbäumen, die schwer von Neuschnee bedeckt sind.

Das Chalet ist eine perfekte Mischung aus modernem Design und traditioneller Alpen-Ästhetik: außen massives, unbehandeltes Holz, das im sanften Licht des frühen Abends warm schimmert. Große Panoramafenster lassen den Blick auf den Schnee und die Berge dahinter frei und spiegeln das orange Licht der untergehenden Wintersonne.

Pepe öffnet die schwere Eingangstür und wir betreten einen offenen Wohnbereich. Die Einrichtung ist modern und dennoch gemütlich. Dunkles massives Holz, kombiniert mit hellen weichen Stoffen. In einer Ecke des Raumes wartet ein riesiges Sofa mit dicken, plüschigen Kissen, direkt gegenüber brennt bereits ein gemütliches Feuer im Kamin, der eine behagliche Wärme ausstrahlt. Ein großer Holztisch mit Ledersesseln für uns alle lädt zu langen Abenden ein, und über allem hängen stylische Leuchten, die ein sanftes Licht werfen.

Unser Chalet hat drei Schlafzimmer, jedes in warmen, gedämpften Farben gehalten, mit hohen Fenstern und Türen, die auf kleine Balkone oder Terrassen hinausführen. Die Betten sind mit dicken Decken und Kissen bestückt, alles wirkt einladend und perfekt für erholsame Nächte.

Im hinteren Bereich entdecke ich die kleine Sauna und draußen, direkt neben der Terrasse, wartet ein privater, beheizter Whirlpool - ein blauer Kontrast zum Schnee ringsum, dessen aufgeheizte Oberfläche wegen der Kälte der Umgebung leicht dampft.

"Es ist so schön hier", spricht Asya mit glänzenden Augen aus, was ich denke. "Ich will nie wieder in einen Urlaub fahren, den ihr nicht geplant habt", schwärme ich begeistert. "Die Finca auf Mallorca war schon ein Traum, aber das hier.." Ich lasse den Satz offen in der Luft hängen.

"Ich spiele ja nur ungern den Partycrasher, aber ich sterbe fast vor Hunger", grätscht Nino nörgelnd dazwischen und rauft sich durch die blonden Haare. "Sollen wir uns frisch machen, was anständiges anziehen und uns ein Restaurant fürs Abendessen suchen, bevor wir keinen Tisch mehr bekommen?"

Ein sanftes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich lege dem Schönling eine Hand auf die Schulter. "Natürlich. Wir wollen ja nicht, dass du uns vom Fleisch fällst", necke ich ihn.

Wir teilen schnell die Zimmer unter uns auf, was unkompliziert ist, da sie sich lediglich in der Wandfarbe unterscheiden und sonst nahezu identisch geschnitten und ausgestattet sind, und packen unsere Koffer aus.

Ich frische mein dezentes Make-up auf, bürste meine blonden Haare und schmeiße mich in eins meiner schönsten Winteroutfits. Eine enganliegende schwarze Hose, ein cremefarbener Pullover, dazu dunkelbeige Boots mit Schnürung von Inuikii und einen farblich passenden, langen Mantel aus Teddyfell. Auf den Kopf setze ich mir noch eine Mütze, dann stoße ich zu den anderen.

Wir entscheiden uns dazu, zu Fuß durch das kleine Dörfchen zu spazieren, um einen Eindruck der Umgebung zu gewinnen. Der glitzernde Schnee knirscht unter unseren Füßen, als wir durch die malerischen Straßen schlendern. Irgendwann entdecken wir ein bezauberndes Brauhaus, in das wir einkehren und uns zum Abendessen niederlassen.

Drinnen herrscht eine gemütliche, urige Atmosphäre. Holzbalken und dunkel gebeizte Wände verleihen dem Raum einen traditionellen, warmen Charme. Große, rustikale Holztische laden zu geselligen Runden ein, während kupferne Braukessel und historische Bierkrüge das Interieur schmücken und an die lange Brautradition erinnern. Gedämpftes, warmes Licht fällt auf die Teller mit deftigen Gerichten. Die Küche ist gutbürgerlich und herzhaft, es gibt Schmorbraten und Haxe, Käsespätzle, Knödel und Sauerkraut, Bier in Masskrügen und zum Nachtisch Germknödel mit Vanillesauce oder Kaiserschmarrn.

"Oh mein Gott", seufze ich und reibe mir wenig später über den runden, vollgefutterten Bauch. "Das war wahnsinnig lecker. Können wir hier jeden Abend hin?"

Asya grinst frech. "Wenn du unbedingt mit fünf Kilogramm mehr nachhause fahren willst", entgegnet sie und zuckt mit den Schultern.

"Das interessiert mich nicht im geringsten", gebe ich selbstbewusst zurück und lehne mich an die Lehne des gepolsterten Holzstuhls.

"Braucht es auch nicht, bei der Figur", stimmt mir Nino zu und hebt seinen Bierkrug, um mit mir anzustoßen. Nur zu gerne lasse ich mich darauf ein. Die Gläser klirren leise, als sie aneinander schlagen.

Asya winkt ab und lacht. "Ist ja gut. Lasst uns mal lieber darüber reden, was wir in den zehn Tagen hier machen wollen. Habt ihr irgendwelche Wünsche oder Pläne?"

"Sauna, Whirlpool und danach nackt vorm Kamin trocknen?", schlage ich grinsend vor. "Und abends dann hier essen, das haben wir verstanden", scherzt Nino und schaufelt sich die letzten Reste der knusprigen, fettigen Bratkartoffeln mit Speck in den Mund.

Ich nicke ihm zu. "Ganz genau. Das sind meine Pläne."

Pepe strafft die Schultern, seine braunen Augen funkeln schelmisch. "Du weißt, dass wir dich nicht so einfach davon kommen lassen, Yuna. Wenn du nur chillen willst, musst du nächstes Mal mit den anderen Omas in deinem Alter eine Kaffeefahrt machen."

"Ja, ja, Junge, komm du mal in mein Alter", ächze ich gespielt.

Pepe winkt ab und hebt die Finger, um aufzuzählen. "Ski fahren, Snowboard fahren, Nachtrodeln, und am besten noch mit so 'nem fetten Snowmobil über die Berge heizen."

"Wird das wieder so ein Trip für Hochleistungssportler?", seufze ich leidend.

"Ich hoffe einfach, wir sehen Polarlichter", verkündet Asya verträumt.

"Ich will nur zum Après-Ski, auch wenn ich davor Sport machen muss. Schlager, literweise Bier, Glühwein und Feuerzangenbowle, Weißwurst mit süßem Senf und viele heiße Skihasen, die mich aufwärmen", klinkt sich Nino ein, grinst schief und legt sein Besteck ordentlich auf den Rand seines Tellers.

"Ja klar, und der Papa kann wieder gucken, wie er das alles unter einen Hut kriegt", stöhnt Pepe und verdreht die Augen.

Asya drückt ihm einen Kuss auf die Wange. "Wir finden schon eine Balance, sodass alle Spaß haben. Im Sommer hat das schließlich hervorragend geklappt, und da waren wir noch mehr Leute."

Wir trinken zum Abschluss noch drei Runden Marillenschnaps, ein fruchtiger, aber starker Obstbrand. Natürlich ist das wieder auf meinen und Ninos Mist gewachsen, wie immer, zumindest schimpfen das die anderen beiden.

Mit jedem Pinneken wird die Stimmung noch ein wenig gelöster, und das warme Brennen des Schnapses vermischt sich mit der behaglichen Müdigkeit, die sich nach dem deftigen Essen einstellt, sodass wir uns allmählich zum Aufbruch überwinden.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top