T w e nt y - t h r e e

Kapitel: Verborgene Wunden

Leylas POV

6:45 Uhr. Ein kalter Lichtstrahl fällt durch das Fenster und trifft mein Gesicht. Ich wache auf, eingewickelt in eine Decke auf der Couch. Mein Nacken schmerzt, und meine Gedanken schwirren immer wieder zurück zum gestrigen Abend. Nash. Sein Gesicht, seine Stimme, die Tränen in seinen Augen – und dann die Ohrfeige.

Ich schlucke hart und setze mich auf. Es war ein Unfall, sage ich mir zum zehnten Mal. Er war betrunken und wusste nicht, was er tat. Doch der rote Fleck auf meiner Wange, den ich im Spiegel sehe, erzählt eine andere Geschichte.

Die Wange brennt leicht, und die Rötung ist nicht zu übersehen. Ich kann so nicht in die Schule. Wenn Grayson das sieht, wird er ausflippen. Er wird Nash ohne zu zögern zur Rede stellen, und ich weiß, dass das eskalieren würde. Ethan? Noch schlimmer. Ich wische mir die aufkommenden Tränen ab und ziehe mich hoch in mein Zimmer zurück.

Mit zittrigen Händen greife ich nach meinem Make-up. Vielleicht kann ich den Fleck überdecken, ihn unsichtbar machen. Doch kaum berühre ich die gereizte Haut mit der Foundation, brennt es unerträglich. Frustriert schnappe ich mir ein Abschminktuch und entferne alles. Der Fleck bleibt. Sichtbar. Unerbittlich.

Ich kann nicht in die Schule. Nicht so.

Mit klopfendem Herzen schreibe ich Grayson eine Nachricht, dass ich krank bin und zu Hause bleibe. Er wird sich Sorgen machen, das weiß ich. Doch ich brauche Zeit. Zeit, um mich zu beruhigen, um zu verstehen, was gestern wirklich passiert ist.

Graysons POV

Seit zwei Stunden sitze ich im Unterricht, doch meine Gedanken schweifen immer wieder zu Leyla ab. Sie hat mir geschrieben, dass sie krank ist. Wahrscheinlich liegt es an dem Stress wegen ihres Opas. Ich kann es ihr nicht verdenken, aber irgendetwas fühlt sich seltsam an. Sie klang ... anders.

Nach der Schule werde ich zu ihr fahren. Vielleicht bringe ich ihr etwas mit – etwas, das sie aufmuntert. Doch jetzt habe ich erst einmal Biologie. Unser Baby-Projekt steht auf dem Plan, und ich muss sicherstellen, dass wir keine Punkte verlieren.

Ich schließe mein Schließfach, als ich plötzlich einen Finger auf meiner Schulter spüre. Ich drehe mich um – und sehe Nash.

Sein Anblick lässt mich erstarren. Seine Augen sind gerötet, die Haare zerzaust, und seine Kleidung ist dieselbe wie gestern. Der Gestank von Alkohol hängt schwer in der Luft. Er sieht aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen.

„Wo ist Leyla?" Seine Stimme ist rau und gebrochen, ein Schatten seiner üblichen Selbstsicherheit.

„Junge, hast du getrunken?" frage ich, angewidert von seinem Zustand.

Er ignoriert meine Frage und kommt näher. „Wo ist sie?"

„Warst du so im Unterricht?" Ich versuche, die Situation zu begreifen, aber er schüttelt ungeduldig den Kopf.

„Nein! Jetzt sag mir, wo Leyla ist!" Seine Stimme wird lauter, und ich spüre die Blicke der anderen Schüler, die neugierig herüberschauen.

„Sag mir zuerst, was du von ihr willst – in diesem Zustand", entgegne ich ruhig, doch mein Tonfall lässt keinen Widerspruch zu.

„Das geht dich nichts an! Sag mir einfach, wo sie ist!" Seine Stimme überschlägt sich beinahe, und ich sehe, wie seine Hände zu Fäusten geballt sind.

Ich verschränke die Arme und halte seinem Blick stand. „Nein."

Seine Schultern beben vor Wut. „Ich muss mit ihr reden!"

„Nicht so", sage ich fest. „Du wirst ganz sicher nicht in diesem Zustand zu ihr gehen. Wenn du es doch wagst, betrunken bei ihr aufzutauchen, werde ich dich ..."

Er unterbricht mich mit einem wütenden Schrei und holt aus, um mich zu schlagen. Doch ich reagiere schnell, ducke mich und packe ihn am Kragen. Mit einem Ruck drücke ich ihn gegen die Schließfächer, mein Unterarm auf seiner Brust.

„Hör auf damit, Nash!" zische ich leise, damit die anderen es nicht hören. „Ich weiß nicht, was dein verdammtes Problem ist, aber du wirst Leyla in Ruhe lassen. Verstanden?"

Sein Blick flackert unsicher. „Du hast mir nichts zu sagen", murmelt er, doch seine Stimme verliert an Stärke.

Ich lasse ihn los – nur, um ihm eine feste Ohrfeige zu verpassen. Sein Kopf zuckt zur Seite, und er starrt mich fassungslos an.

„Doch", sage ich kalt. „Und jetzt geh nach Hause."

Ohne ein weiteres Wort schnappe ich mir meine Sachen und gehe zum Biologieunterricht.

Im Biologie-Unterricht

Im Klassenraum erklärt Mr. Brown mit ernster Miene den nächsten Schritt unseres Projekts. „Heute werden wir den Chip in euren Babys entfernen und die Daten analysieren. Der Chip enthält alle Informationen über eure Pflege und Interaktion mit dem Baby. Wenn ihr die Daten ausgewertet habt, könnt ihr eure Ergebnisse ausdrucken. Das gibt euch die Chance, eure Note bis nächste Woche noch zu verbessern."

Ein Raunen geht durch die Klasse, während alle beginnen, ihre Babys aus den Tragetaschen zu holen. Alle – außer mir.

Ich melde mich zögerlich. „Mr. Brown?"

„Ja, Grayson?"

„Leyla ist heute krank. Sie hat das Baby zu Hause." Meine Stimme klingt schwächer, als ich es wollte.

Mr. Brown seufzt. „Das ist nicht ideal. Du wirst es holen müssen, Grayson. Geh zu ihr. Aber beeil dich."

Ich nicke und mache mich auf den Weg.

Bei Leyla

Als ich bei Leyla ankomme, klingele ich an der Tür. Nach ein paar Sekunden höre ich ihre Schritte, doch sie öffnet die Tür nicht.

„Wer ist da?" Ihre Stimme klingt zögerlich.

„Ich bin's, Sweety."

„Hast du nicht Schule?" fragt sie, ihre Stimme klingt nervös.

„Ja, aber ich brauche das Baby. Ich muss es mitnehmen."

„Warte, ich bringe es dir." Ihre Schritte entfernen sich, und ich höre, wie sie die Treppen hochläuft.

Wieso öffnet sie die Tür nicht?

Nach einigen Sekunden öffnet sich die Tür einen Spalt, und Leylas Hand reicht mir das Baby hinaus. Ich nehme es und sehe, wie sie die Tür schnell wieder schließen will.

„Alles okay, Leyla?" frage ich skeptisch.

„Ja", stammelt sie. „Ich bin nur ungeschminkt."

Ich lächle kurz. „Kein Problem. Ich komme später wieder vorbei."

Sie murmelt ein hastiges „Okay" und schließt die Tür. Doch irgendetwas stimmt nicht.

Als ich mich umdrehe, stoße ich mit meinem Fuß gegen eine leere Schnapsflasche. Mein Herz rast. Ich schnappe mir das Baby, lege es ins Auto und kehre wütend zur Tür zurück.

Dieses Mal klingle ich nicht. Ich schlage die Tür auf und trete ein.

Leyla steht wie versteinert im Flur, ihre Augen weit vor Schreck. Und dann sehe ich es. Den roten Fleck auf ihrer Wange.

„Hat er dich angefasst?" frage ich leise, doch die Wut in meiner Stimme ist nicht zu überhören.

Sie schluckt, ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Es war ein Unfall", flüstert sie.

„Ein Unfall?" Ich trete näher. „Leyla, hör auf, ihn zu entschuldigen."

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