S e v e n t y - t h r e e

Kapitel: Der Weg zur Freiheit

Graysons POV

Das metallische Knarren der Zellentür ist das erste Geräusch, das mich aus meinen Gedanken reißt. Es ist ein Klang, den ich fünf Jahre lang jeden Tag gehört habe, doch heute ist er anders. Heute bringt er nicht nur Wachen, sondern Freiheit mit sich.

Zwei Wächter treten in die Zelle und bleiben vor mir stehen. „Dolan, es ist Zeit", sagt der eine knapp. Sein Ton ist sachlich, fast gleichgültig, aber in mir löst er eine Flut an Gefühlen aus. Mein Herzschlag beschleunigt sich, meine Hände zittern leicht.

Ich stehe auf, folge ihnen durch die vertrauten Gänge des Gefängnisses. Jeder Schritt fühlt sich an, als würde ich ein Stück meiner alten Last abwerfen, und doch spüre ich eine schwere Anspannung in meiner Brust. Nach fünf Jahren... es ist wirklich vorbei.

Wir kommen in einen kleinen Raum, spärlich möbliert, mit einem Tisch in der Mitte. Darauf steht ein großer Karton. Einer der Wächter tritt vor und öffnet ihn. Stück für Stück legt er den Inhalt auf den Tisch: Meine Kleidung, die ich bei meiner Festnahme getragen habe. Mein Handy, das sich wie ein Relikt aus einer anderen Zeit anfühlt. Mein Geldbeutel, alt und abgenutzt. Meine Armbanduhr, die fünf Jahre lang nicht an meinem Handgelenk war. Und dann, ganz zuletzt, ein kleines Foto.

Ich erkenne es sofort. Leyla. Ihr Gesicht, ihr Lächeln, ihre Augen, die damals so viel Leben ausstrahlten. Mein Atem stockt.

„Das sind Ihre Sachen", sagt der Wächter, seine Stimme ein wenig gedämpfter als zuvor. „Ihre Kleidung wurde gewaschen. Sie können sich umziehen und frisch machen, bevor Sie gehen."

Ich nicke wortlos, nehme die Gegenstände in meine Hände. Das Bild hebe ich zuletzt auf, fast ehrfürchtig. Doch ich wage es nicht, es anzusehen – noch nicht.

Mit den Sachen in meinen Armen gehe ich zu den Duschen. Der Raum ist leer, das Wasser tropft leise aus einem der Duschköpfe. Es ist seltsam still, fast feierlich. Ich lege meine Sachen auf die Bank neben mir, halte das Bild jedoch weiter in meiner Hand.

Langsam drehe ich es um.

Und da ist sie.

Tränen schießen mir in die Augen, ohne Vorwarnung. Sie laufen über mein Gesicht, heiß und unaufhaltsam. Ich streiche mit dem Daumen über ihr Gesicht, spüre die glatte Oberfläche des Fotos, aber es fühlt sich an, als könnte ich sie fast berühren.

„Leyla...", flüstere ich, meine Stimme bricht. Die Sehnsucht, die ich fünf Jahre lang versucht habe zu kontrollieren, bricht aus mir heraus. Mein Brustkorb zieht sich schmerzhaft zusammen, als ob mein Herz gegen die Enge rebelliert.

Ich schließe die Augen, halte das Bild fest an meine Brust. „Heute... nur noch ein paar Stunden. Wir werden uns wiedersehen." Die Worte sind mehr ein Versprechen an mich selbst, ein Mantra, das mich aufrecht hält.

Ich lege das Foto behutsam in meinen Geldbeutel, nehme meine Sachen und gehe unter die Dusche. Das Wasser ist kühl, fast kalt, aber es erfrischt mich. Es fühlt sich an, als würde es den Staub der letzten Jahre abwaschen, den Schmerz und die Dunkelheit, die an mir haften.

Nach dem Duschen fühle ich mich fast wie ein neuer Mensch. Meine Kleidung sitzt ungewohnt, aber ich bin bereit.

„Mr. Dolan, hier sind Ihre Entlassungspapiere", sagt mein Anwalt, als ich zurück in den Empfangsraum komme. Er reicht mir ein Blatt Papier, seine Haltung professionell, aber nicht unfreundlich.

„Ab heute sind Sie ein freier Mann. Ich wünsche Ihnen ein schönes Leben."

Ich nehme das Papier entgegen, drücke seine Hand fest. „Danke. Danke für alles."

Er nickt knapp, und ein Wächter tritt vor, um meine Handschellen zu lösen. Das metallische Klicken ist wie das letzte Glied einer Kette, das abfällt.

Die Tore des Gefängnisses öffnen sich mit einem langsamen Dröhnen, und ich trete hinaus in die Welt.

Die Sonne blendet mich, die Luft fühlt sich frisch und lebendig an. Für einen Moment bleibe ich stehen, atme tief ein. Freiheit. Das Wort fühlt sich fast surreal an.

Ich höre jemanden meinen Namen rufen. Ethan.

Er steht nicht weit entfernt, seine Arme ausgestreckt, ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. Ohne nachzudenken, beginne ich zu laufen. Meine Schritte werden schneller, mein Herz schlägt vor Freude.

„Endlich!", ruft er, als ich ihn erreiche, und wir fallen uns in die Arme.

„Endlich!", wiederhole ich, und in diesem Moment scheint die Welt in Ordnung zu sein.

Er klopft mir auf die Schulter und sagt: „Komm, lass uns losfahren."

Während der Fahrt kann ich meine Gedanken nicht ordnen. Die Erinnerungen an die letzten fünf Jahre mischen sich mit der Vorfreude auf das, was kommt.

„Ethan...", beginne ich vorsichtig, „hast du herausgefunden, wo sie ist?"

Er lächelt geheimnisvoll, seine Augen blitzen. „Dreimal darfst du raten."

Ich denke kurz nach, aber mein Herz kennt die Antwort bereits.

„Der Bauernhof", sage ich leise.

Er nickt. „Richtig. Lass uns fahren."

Die Fahrt fühlt sich endlos an. Jeder Meter bringt mich näher zu ihr, aber auch die Angst wächst in mir. Was, wenn sie nicht auf mich gewartet hat? Was, wenn sie ihr Versprechen gebrochen hat?

Als wir ankommen, halte ich den Atem an. Der Bauernhof sieht aus wie früher, aber er fühlt sich anders an – vertraut und doch fremd.

„Worauf wartest du?", fragt Ethan und sieht mich ermutigend an.

„Ich habe Angst", gestehe ich.

„Warum?"

„Was, wenn sie damals diesen Antrag angenommen hat? Was, wenn sie jetzt jemand anderem gehört?"

Ethan legt eine Hand auf meine Schulter. „Grayson, wenn sie dich wirklich geliebt hat, dann hat sie auf dich gewartet. Aber das wirst du nur herausfinden, wenn du jetzt an diese Tür klopfst."

Er hat recht. Ich atme tief ein, steige aus dem Auto, und gemeinsam gehen wir zur Tür.

Als ich klingle, höre ich Schritte. Mein Herz rast.

Die Tür öffnet sich, und da steht Büsra.

„G-Grayson?" Sie starrt mich an, ihre Augen weit vor Schock.

„Ja, Büsra. Ich bin es."

Sie stottert noch, aber ich unterbreche sie sanft. „Ich freue mich, dich zu sehen. Aber... wo ist sie?"

Sie schaut zu Boden. „Sie ist nicht hier."

Ein Stich durchfährt mein Herz.

„Wo ist sie?" frage ich, bemüht, ruhig zu bleiben.

„Im Kindergarten", sagt sie schließlich.

„Welcher?"

„Der, in den ihr früher gegangen seid."

Ethan grinst. „Worauf wartest du? Fahr zu ihr."

Am Kindergarten angekommen, stockt mir der Atem. Ich gehe durch das Tor, sehe die Menschen, die Kinder.

Und dann sehe ich sie.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top