F o u r t e e n
Kapitel: Zwischen Enttäuschung und Erkenntnis
Der schrille Ton meines Weckers zerreißt die Stille. Es ist 6:00 Uhr morgens, aber ich fühle mich, als hätte ich gerade erst die Augen geschlossen. Drei Stunden Schlaf – das war alles, was ich nach der gestrigen Rückfahrt von der Verlobung bekommen habe. Es reicht kaum, um die Gedanken zu verdrängen, die in meinem Kopf herumschwirren.
Langsam schiebe ich die Bettdecke von mir und setze mich auf. Meine Augen brennen, und mein Kopf fühlt sich schwer an. Ich versuche, den gestrigen Tag zu vergessen – oder zumindest die unschönen Teile davon. Aber Grayson macht es mir nicht leicht.
Die Autofahrt mit ihm gestern war der reinste Albtraum. Unsere Eltern hatten uns in ein Auto verfrachtet, um uns "mehr Zeit miteinander" zu geben. Was für ein Witz. Grayson hat mich den ganzen Weg über ignoriert. Als ich erschöpft eingeschlafen bin und mein Kopf auf seiner Schulter landete, schob er ihn einfach weg, als wäre ich ein lästiges Insekt. Kein Wort der Entschuldigung, kein erklärender Blick. Nur Kälte.
Es tut weh. Grayson war immer mein bester Freund, mein Fels in der Brandung. Doch jetzt? Jetzt fühlt er sich an wie ein Fremder, und ich habe keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe.
Aber dann denke ich an Nash. Nash, der mich gestern fest in seine Arme genommen hat. Nash, dessen Kuss mich für einen Moment alle Sorgen vergessen ließ. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, als ich daran zurückdenke, wie seine Stimme leise meinen Namen geflüstert hat.
Vielleicht ist der heutige Tag doch nicht so schlimm. Vielleicht sehe ich ihn ja in der Schule.
Nach einer schnellen Dusche stehe ich vor meinem Schrank und betrachte die Kleider, die achtlos auf den Boden geworfen wurden. Nichts scheint richtig. Alles sieht falsch aus. Ich seufze und lasse mich auf den Kleiderberg sinken.
Dann fällt mein Blick auf ein olivgrünes Kleid, das seit Ewigkeiten ungetragen in einer Ecke hängt. Die seitlichen Schlitze verleihen ihm etwas Besonderes, und mit einer weißen Hose und einem schwarzen Kopftuch könnte es perfekt sein. Ich ziehe es an, und zu meiner Überraschung sehe ich im Spiegel jemand, der ein bisschen selbstbewusst aussieht. Genau das, was ich brauche.
Mit einem kleinen Lächeln gehe ich nach unten. Doch kaum will ich das Haus verlassen, höre ich die Stimme meines Vaters.
„Leyla, kommst du kurz ins Wohnzimmer?"
Mit einem unguten Gefühl trete ich ein. Mein Vater sitzt auf der Couch – und direkt neben ihm Grayson. Mein Magen zieht sich zusammen.
„Seit wann ist er hier?" frage ich, während ich Grayson ansehe. Doch er ignoriert mich und verdreht stattdessen die Augen.
„Seit zehn Minuten. Er wird dich zur Schule fahren," antwortet mein Vater beiläufig.
Natürlich. Perfekt. Mit einem stummen Nicken nehme ich meine Tasche und folge Grayson zur Tür.
„Fahr vorsichtig," ruft mein Vater noch hinterher, bevor er selbst ins Auto steigt.
„Mach ich," murmelt Grayson und schließt die Autotür hinter sich.
Gerade, als ich einsteigen will, fällt mir ein, dass ich mein Handy vergessen habe.
„Warte kurz, ich hab mein Handy vergessen," sage ich.
Grayson wirft mir einen genervten Blick zu. „Ist mir egal. Ich warte nicht."
Bevor ich antworten kann, fährt er los. Einfach so. Ohne ein weiteres Wort.
Ich starre dem Auto hinterher, die Hände zu Fäusten geballt. „Sein Ernst?!"
Wütend laufe ich zurück ins Haus, finde mein Handy unter dem Kopfkissen und renne zur Bushaltestelle. Zum Glück kommt der Bus fast sofort. Während der Fahrt starre ich aus dem Fenster und überlege, was zur Hölle mit Grayson los ist. Seit der Verlobung ist er wie ausgewechselt. Ich verstehe ihn nicht mehr.
In der Schule angekommen, merke ich sofort, dass etwas anders ist. Die Leute starren. Manche lächeln, manche flüstern, und einige kommen sogar, um mir zu gratulieren. Es fühlt sich an, als würden alle wissen, was passiert ist – aber keiner kennt die Wahrheit.
Ich versuche, Nash zu finden, aber er ist nirgends zu sehen. Auch Ethan und die Mädchen sind verschwunden. Frustriert frage ich Ryan, einen von Graysons Freunden.
„Weißt du, wo Grayson ist?"
„Ja, hinten auf dem Parkplatz," antwortet er mit einem Schulterzucken. „Und Glückwunsch übrigens."
Ich nicke knapp und mache mich auf den Weg. Doch als ich um die Ecke biege, bleibt mir der Atem stocken.
Graysons POV
Ich lehne mich an das Auto und lache über einen dummen Witz, den Suzy gerade gemacht hat. Sie ist... unterhaltsam. Sie macht alles einfacher, lenkt mich ab. Aber es ist nicht das Gleiche.
Ich weiß, dass sie mit mir flirtet. Und ich weiß, dass ich es zulasse. Es ist albern, kindisch sogar. Aber nach gestern Nacht – nach dem, was ich zwischen Leyla und Nash gesehen habe – brauche ich irgendwas, das mich ablenkt.
Doch dann höre ich ihren Namen.
„Grayson Bailey Dolan!"
Ich drehe mich um, und da steht sie. Leyla. Ihr Gesicht ist vor Wut gerötet, ihre Augen funkeln, und ihr Kleid – dieses Kleid – lässt sie wie eine Königin aussehen.
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